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Industriecharakter erhalten

Umnutzung einer ehemaligen Mälzerei zum modernen Hafen-Kontor Karlsruhe
Industriecharakter erhalten

Die Umnutzung und Modernisierung von Industrieanlagen stellt Architekten und Planer in punkto Energieeffizienz vor große Aufgaben. Dies gilt insbesondere für Gebäude, die noch aus der Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg stammen und dennoch die zeitgemäßen energetischen Anforderungen erfüllen sollen. Beim Hafen-Kontor Karlsruhe konnte diese Herausforderung mit Hilfe einer umfassenden Fassadensanierung und dem Einsatz moderner Klimatechnologie gelöst werden.

Bereits im Jahr 1901 nahmen die Karlsruher Rheinhäfen ihren Betrieb auf und wurden seitdem fortlaufend modernisiert sowie ausgebaut. Heute werden auf dem Gelände jedes Jahr Gütermengen von rund drei Mio. Tonnen umgeschlagen. Optisches Wahrzeichen der Rheinhäfen Karlsruhe ist der ehemalige Getreidespeicher, der bei einem Luftangriff 1942 zerstört und einige Jahre später wieder für die gewerbliche Nutzung aufgebaut wurde.

Auf der gegenüberliegenden Straßenseite befindet sich ebenfalls ein komplexes Industriegebäude, das in den ersten Nachkriegsjahren zunächst als Mälzerei für löslichen Kaffee genutzt wurde. Danach diente das Backsteingebäude jahrzehntelang dem Nahrungsmittelproduzenten Nestle bzw. seiner Marke Thomy als Standort. Nach einer erfolgreichen Restrukturierung des Unternehmens wurde der Betrieb Anfang des Jahrzehnts dort vollständig eingestellt und das Firmengelände samt Gebäudeensemble zum Verkauf angeboten. Neuer Eigentümer wurde die Karlsruher Versorgungs-, Verkehrs und Hafen GmbH (KVVH), Geschäftsbereich Rheinhäfen.
Das kommunale Dienstleistungsunternehmen konnte mit dem Erwerb der ehemaligen Mälzerei eine zusätzliche Liegenschaft als wichtigen Standort hinzugewinnen, der durch seine hervorragende Lage und Größe direkt am Hafenbecken optimal für einen neuen industriellen Mieter geeignet ist. Unmittelbar nach dem Kauf versuchte man deshalb das Gebäude zunächst „affin“ zu vermieten. Doch die vorhandenen Industrieanlagen waren nicht mehr zeitgemäß und schlossen eine weitere Nutzung aus.
„Stattdessen wurden einige Gebäudeteile abgerissen, um genügend Freiflächen für einen neuen Interessenten zu erhalten“, erläutert Dipl.-Ing Armin Schreiber, zuständig für die Hafenplanung sowie Projektentwicklung bei der Rheinhäfen GmbH. „Darüber hinaus sollten die übrigen Bereiche an Dienstleistungs- oder Gewerbeunternehmen vermietet werden.“ Deshalb suchte man in Zusammenarbeit mit künftigen Mietern nach optimalen Lösungen, in dem die Räumlichkeiten auf Wunsch der Mieter maßgerecht zugeschneidert wurden. So wurde das Gebäudeensemble dann Schritt für Schritt von einer Gewerbeliegenschaft in moderne Büroräume umgewandelt.
Behutsame Sanierung
Im Inneren des Gebäudes orientiert sich die neue Raumaufteilung an der vorhandenen Gebäudestruktur. So blieben Unterzüge sichtbar, um den ehemaligen Industriecharakter visuell zu erhalten. Im Erdgeschoss entstand ein modern ausgestatteter Konferenzsaal, der von Unternehmen und Privatpersonen für unterschiedliche Veranstaltungen gemietet werden kann. Die übrigen Bereiche werden in separaten Einheiten als Büroräume und zum Teil auch als Großraumbüros vermietet. Aus energetischen Gesichtspunkten – und die werden bei vermieteten Büroimmobilien immer bedeutender, denn oft stellen die Nebenkosten einen erheblichen Anteil am finanziellen Gesamtaufwand dar – lag ein Schwerpunkt des Umbaus auf der Optimierung der Energieeffizienz.
Die Umwandlung in ein modernes und energieeffizientes Bürogebäude stellte Eigentümer und Planungsbüro vor zwei wesentliche Aufgaben: Die eine bezog sich auf den Erhalt der Gebäudestruktur insbesondere der Außenfassade, die andere auf eine genaue Kalkulation sowohl der Investitions- als auch der langfristigen Betriebskosten.
Bei der Grundlagenermittlung stellte sich heraus, dass das Gebäude aufgrund seiner ausprägten Nord- und Südfassadenausrichtung zeitgleich sehr unterschiedliche Lastanforderungen aufweist. Deshalb entwickelte der Bauherr eine Kombination aus unterschiedlichen Maßnahmen, um die Transmissionswärmeverluste zu verringern. Das Sanierungskonzept sah eine Dämmung der Außenwände sowie der abschließenden Geschossdecken zum Unter- und zum Dachgeschoss vor, um das Gebäude energetisch auf ein EnEV-konformes Niveau zu bringen.
Beim Austausch der Fenster konnte auf bereits begonnene Sanierungsarbeiten zurückgegriffen werden, so dass nur noch ein Teil der Glasflächen (ca. 60%) durch neue Fenster mit Wärmeschutzverglasung zu ersetzen war. Weiterhin wurden Sonnenschutzrollos angebracht, die auf den strahlungsintensiven Seiten des Gebäudes bei hohem Wärmeeintrag zu einer Reduktion der Kühllasten beitragen.
Die Büroräume werden durch äußere Lasten wie Wärmeeintrag durch Strahlung und Transmission sowie durch innere Wärmelasten durch Personen, Beleuchtung und Bürogeräte erheblich beansprucht. Beispielsweise konnten die Innenraumtemperaturen nach Süden sehr schnell auf über 26° C steigen und in ausgeprägten Hitzeperioden sogar Temperaturen von 34 oder 36° C erreichen. Deshalb war dort eine individuell regelbare Raumtemperierung wesentliche Voraussetzung für ein optimales Arbeitsklima. Die KVVH stellte die Planungsbüros zusätzlich vor die Aufgabe, ein Raumklimatisierungskonzept zu entwickeln, das unter anderem die Option beinhaltete, die Anlagentechnik der einzelnen Mieteinheiten autonom betreiben zu können. Die Gesamtplanung übernahm dabei das Bauunternehmen Theodor Trautmann GmbH aus Karlsruhe. Den Planungsauftrag unter anderem für die Klimatisierung erhielt das Ingenieurbüro Wieland aus Rastatt.
Variabler Kältemittelfluss
Das vorgestellte Konzept wog unterschiedliche Szenarien sorgfältig ab. So kam es zum Beispiel zu dem Ergebnis, dass eine Nachtlüftung der Räume nur im beschränkten Umfang zur Temperatursenkung beitragen könnte. Ebenso schien die Fensterlüftung kaum dafür geeignet, eine angenehme Raumtemperatur zu erreichen. Hinzu kam noch, dass einzelne Räume unterschiedliche Funktionen erfüllen. Während Serverräume einen ganzjährigen Kühlbedarf aufweisen, muss zum Beispiel ein nach Süden ausgerichteter Besprechungsraum entsprechend der Jahreszeit und Strahlungsintensität entweder beheizt oder gekühlt werden. Die Kostenermittlung zeigte, dass eine konventionelle Heizungs- und eine Bürokühlanlage sowohl zu erhöhten Investitionskosten als auch zur doppelten Leitungsführung sowie zu einer zusätzlichen optischen Beeinträchtigung der Räume durch Heizkörper führen würde. Das Konzept des Ingenieurbüros sah deshalb unter anderem ein VRF-Klimasystem (variable refrigerant flow) der R2-City-Multi-Serie des Herstellers Mitsubishi Electric mit kombinierter Heiz- und Kühlfunktion vor.
Dieses weltweit patentierte und einzigartige Wärmerückgewinnungssystem ermöglicht das Kühlen und Heizen im Simultanbetrieb mit nur zwei Rohrleitungen. Dabei wird die zurück gewonnene Wärme gespeichert bzw. an anderer Stelle im Verbund genutzt. Dies bedeutet, dass überschüssige Wärmeenergie, beispielsweise aus Serverräumen, in Räume transportiert wird, die beheizt werden sollen.
Die bedarfsorientierte Energieverschiebung eignet sich insbesondere für Gebäude mit unterschiedlichen Heiz- und Kühllasten in einzelnen Bereichen und zeichnet sich durch hohe Energieeffizienz aus. Zudem wird die Heizwärme im Winter mit einem sehr hohen Wirkungsgrad der Wärmepumpen, dem so genannten COP, erzeugt.
Volle Kostentransparenz
Zentrales Bauteil der Klimaanlage ist ein Kältemittelverteiler (BC-Controller), der mit dem Außengerät eine kälte- und regelungstechnische Einheit bildet und so die Wärmerückgewinnung ermöglicht. Über den Kältemittelverteiler sind in den separaten Anlagen jeweils zwischen zehn und 17 Innengeräte mit einem Außengerät verbunden. Die jeweilige Anlagengröße variiert analog zu der Größe der vermieteten Büroeinheiten. Das zeitlich flexible Sanierungskonzept der Rheinhäfen, jede Etage speziell nach Kundenwünschen einzurichten, ließ sich mit den kompakten Deckenkassetten auf unkomplizierte Weise umsetzen. Auch das Bedürfnis nach einer exakten Nebenkostenabrechnung im Hinblick auf den Energieverbrauch bei geringstmöglichem Aufwand, konnte erfüllt werden. Durch eine Einzelkostenermittlung erhält jeder Kunde eine Abrechnung, bei der der tatsächliche Energieverbrauch nachweis- und überprüfbar ist. Dank die Software können zudem Betriebs- und Störungsanzeigen als E-mail verschickt, an externe Steuerungssysteme abgegeben und zu weiteren Analysen verarbeitet werden.
Bei den verwendeten Zentralfernbedienungen G-50-Pro mit Webbrowser wurde in diesem Objekt auf die üblichen Kabel- bzw. Infrarotfernbedienungen verzichtet. Über die Webfunktion kann jeder Mitarbeiter über seinen PC-Arbeitsplatz die Einstellungen des ihm zugeordneten Klimagerätes verändern und an seine Bedürfnisse anpassen, sofern er zugriffsberechtigt ist und über das individuell wählbare Passwort verfügt. Gleichzeitig gibt es für jede Mieteinheit eine Masterschaltung. Über diese können übergeordnete Werte wie zum Beispiel die Begrenzung der unteren Kühltemperatur im Sommer und der oberen Heiztemperatur im Winter eingestellt werden. Zudem kann ein Auskühlschutz sowie eine zentrale Abschaltung am Abend und eine zentrale Freigabe in den Morgenstunden programmiert werden.
Fazit
Schritt für Schritt wurde das Hafen-Kontor Karlsruhe nach Mieterwünschen individuell umgestaltet. So hat beispielsweise die Karlsruher Niederlassung eines Logistik-Konzerns getrennte Büroräume und einige Großraumbüros bekommen, während andere Mieter lieber großzügige, offene Räume bevorzugen. Der Umbau erstreckte sich über 13 000 m² und erforderte Investitionen in Höhe von mehreren Millionen Euro. Aufgrund der in ihrer Struktur erhaltenswerten Fassade hat der Bauherr auf eine Kombination von Maßnahmen gesetzt, die das Gebäude in seiner optischen Struktur nicht beeinträchtigen. Das Anliegen, den Energiebedarf auf ein vernünftiges Niveau zu senken, konnte hierbei durch Dämmung der Außenwände sowie Einbau einer energieeffizienten Klimaanlage mit Wärmerückgewinnung realisiert werden. Da mit den hier verwendeten Wärmepumpen und Klimageräten auch geheizt werden kann, konnte auf die zusätzliche Installation einer neuen Heizungsanlage verzichtet werden. Durch den behutsamen Umgang mit der Außenfassade blieb der Charakter als Industriegebäude erhalten. Im Inneren konnte der Komplex in ein modernes Dienstleistungszentrum umgewandelt werden, das den Bedürfnissen der Mieter nach eigenen Angaben voll entspricht.
Planung: Generalplanung: Theodor Trautmann GmbH, Karlsruhe Elektro-Planung: IB Hübner Rastatt H-L-S Planung: Ingenieurbüro Wieland GmbH (IBW), Rastatt
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