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Mikrowohnung als Option für bezahlbaren innerstädtischen Wohnraum

Neubau einer Mikrowohnung in Almere
Klug genutzte Kleinfläche

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Mit „Slim Fit“ hat die Architektin Ana Rocha aus dem niederländischen Den Haag eine flexible Mikrowohnung in Holzrahmenbauweise vorgestellt, die auf drei Ebenen eine Fläche von rund 50 Quadratmetern bietet. Nach der Präsentation des Projekts auf der „BuildingExpo Tiny Housing“ in Almere wurde aus dem Prototyp inzwischen eine Gästewohnung für die Mitarbeiter einer Werbeagentur.

Anforderung:

Mikrowohnung als Option für bezahlbaren innerstädtischen Wohnraum

Lösung:

Dreigeschosser in schlanker Holzrahmenbauweise bietet auf nur 16 m² Grundfläche gut geplante Fläche von 50 m²


Robert Uhde

Die Niederländer gelten gemeinhin als sehr pragmatisch. Das betrifft auch und vor allem die Bereiche Städtebau und Architektur. Bestes Beispiel dafür sind die verschiedenen Landgewinnungsmaßnahmen, die nach der Errichtung des 1932 eingeweihten Abschlussdeiches im heutigen IJsselmeer folgten. Auf dem zuletzt geschaffenen künstlichen Eiland, dem in den 1960er-Jahren trocken gelegten südlichen Flevoland, wurde 1976 die Reißbrett-Stadt Almere angelegt, die heute bereits über 200 000 Einwohner zählt. Aufgrund ihres jungen Alters hat sich der Standort bis heute zu einem experimentierfreudigen Architektur-Labor entwickelt. Kaum verwunderlich daher, dass ausgerechnet hier 2016 die „BuildingExpo Tiny Housing“ stattfand. Im Rahmen der Messe wurden prototypische Entwürfe unterschiedlichster Mikro-Appartements vorgestellt – als vielversprechende Option, um bei weiter steigenden Mieten und Immobilienpreisen auch in Zukunft bezahlbaren innerstädtischen Wohnraum schaffen zu können.

Zu den preisgekrönten Entwürfen zählte seinerzeit auch das in Holzrahmenbauweise erstellte Minihaus „Slim Fit“ der Architektin Ana Rocha aus Den Haag. Der schlank aufsteigende dreigeschossige Bau überzeugt nicht nur durch seine klare Formgebung mit unterschiedlich großen flächenbündig eingelassenen Fenstern, sondern vor allem durch seinen minimierten Platzbedarf und die kompakte, Raum sparende Innenraumgestaltung. Das Ergebnis: Trotz seiner Grundfläche von lediglich 16 m² stellt das Minihaus eine perfekt genutzte Fläche von immerhin 50 m² zur Verfügung.

Mikrowohnung in Gästewohnung umgewandelt

Inzwischen wurde das Haus durch die ebenfalls in Almere ansässige Designagentur Elements Interactive aufgekauft, die es als temporäre Wohnung für neue Mitarbeiter ausbauen ließ. Ausgehend von dem offen einsehbaren Grundstück in unmittelbarer Nähe zum angrenzenden Homeruspark war der Bau im Rahmen der Messe als freistehende Variante umgesetzt worden, die für einen optimierten Tageslichteinfall großflächige Fenster an allen vier Fassadenseiten integriert: „Grundsätzlich lassen sich die mit Wärmeschutzverglasung ausgebildeten Fenster des Hauses aber variabel anordnen, um unterschiedlichste Anforderungen umsetzen zu können“, erklärt Ana Rocha. Die Anordnung von kleineren, sich gegenüberliegen Dreh-Kipp-Fenstern sorgt dabei für eine optimierte natürliche Belüftung und Kühlung der Räume.

Die Grundrissstruktur der Mikrowohnung hat sich letztlich fast von selbst ergeben: Das Erdgeschoss dient den Bewohnern als Koch- und Essbereich und integriert außerdem eine Toilette. Das erste Obergeschoss fungiert als Wohnraum, das zweite Obergeschoss wurde als Schlafzimmer eingerichtet. Ganz wichtig dabei: „Die meisten Tiny Häuser erfordern maßgefertigte und damit teure Ausbauelemente wie Küchenblock, Sanitäranlagen oder Möbel“, berichtet Ana Rocha. „Bei unserem Haus haben wir diese Elemente aber ganz bewusst in Standardmaßen mit eingeplant.“

Verbunden sind die drei Ebenen des Hauses durch eine schmale, als durchgehende Raumskulptur gestaltete Treppe, die gleichzeitig ein offenes Regal mit viel Stauraum integriert. Herkömmliche Innentüren sind in der Wohnung nicht vorgesehen: „Stattdessen nimmt die Treppe gleichzeitig auch Schiebetüren auf, mit denen sich die verschiedenen Räume zur Schaffung von mehr Privatheit, zur Vermeidung von Durchzug und für einen minimierten Wärmeverlust von der Treppe abtrennen lassen“, so Ana Rocha. Komplettiert wird die Ausstattung des Hauses durch eine energiesparende Fußbodenheizung. Im Zusammenspiel der unterschiedlichen Elemente ist ein überraschend luftiges Ambiente entstanden, das seinen Nutzern trotz begrenzter Fläche ein Maximum an Raum, Komfort, Aussicht und Tageslichteinfall bietet.

Konstruktion in Holzrahmenbauweise

Um die Außenwände aus Platzgründen möglichst schlank zu halten und einen kostengünstigen, zeitsparenden und weitgehend witterungsunabhängigen Aufbau des Grundmoduls zu ermöglichen, ist das Haus in Holzrahmenbauweise mit 235 x 46 mm starken Stützen sowie mit vorgefertigten Decken- und Wandelementen umgesetzt worden. Unter Zuhilfenahme von zusätzlich eingefügten Stahlprofilen in den Ecken der einzelnen Räume, die auf dem sandigen Boden eine ausreichende Stabilität sicherstellen, konnte der Wandaufbau des Hauses damit auf eine Stärke von 345 mm begrenzt werden.

Die Ausbildung der äußeren Hülle erfolgte mit 20 mm dicken, 70 mm breiten und unterschiedlich langen, dabei thermisch bearbeiteten Brettern aus nachhaltig bewirtschaftetem Ayous-Holz, eine Holzart aus Afrika, die sich gut zur thermischen Modifikation eignet. Das Holz hat unbehandelt die Beständigkeitsklasse 5, nach dem Modifizierungsprozess die Beständigkeitsklasse 2. Die Holzlatten wurden auf der Baustelle auf einer 235 mm starken Dämmung aus Mineralwolle mit der Tragkonstruktion verschraubt. Für die Fenster wurde Meranti-Hartholz mit Hr++-Doppelverglasung verwendet.

Als Wandverkleidung im Innenraum wurden demgegenüber 27 mm dicke, deutlich hellere Platten aus Birkentriplex (Wisa Birch von UPM) in unterschiedlichen Formaten verwendet. Ebenfalls aus Birkenholz gefertigt sind die Schiebepaneele und das Regal, die Treppe wurde alternativ in Pinienholz gearbeitet. Zur Wärme- und Schalldämmung kam die Trennwand-Dämmplatte Mineral Wool 35 von Knauf Insulation zum Einsatz, hergestellt mit Ecose-Technology, einem formaldehydfreien Bindemittel auf Basis vorwiegend natürlich-organischer Grundstoffe, formstabil durch hohe Steifigkeit und dennoch flexibel und elastisch.

„Trotz der unterschiedlichen Holzarten konnte der gesamte Innenausbau aber zügig in zwei Monaten fertiggestellt werden“, so Ana Rocha.


Objekt: Tiny House, Almere (NL)

Bauherr: Elements Interactive b.v., Almere (NL)

Planung: Ana Rocha architecture, Den Haag (NL)

www.anarocha.nl

Statik: ATKO advies en engineering, Rotterdam und Meijer und Joustra b.v., Heerenveen (NL)

Bauphysik: Lineair, Monster (NL)

Haustechnik: Herold Pouwels, Ruinerwold (NL)

Bauunternehmen: Goedhart Bouw, Almere (NL)

Interieur: Goedhart interieur, Almere (NL)

Planungs- und Bauzeit: 2016

Fertigstellung: 2017


Architektin Ana Rocha: „Je nach Grundstück und umgebendem städtebaulichem Kontext kann das Mikrohaus frei stehend, in Gruppen oder zwischen anderen Gebäuden aufgestellt werden. Und durch seine minimierte Größe ist es gleichzeitig ideal zur Nachverdichtung von Nachkriegssiedlungen oder Innenhöfen sowie zur Aufstockung von Bestandsbebauungen geeignet.“


Robert Uhde

Studium der Kunst und Germanistik in Oldenburg. Erstes Staatsexamen. Ausbildung zum Fachredakteur für Architektur bei der Verlagsgruppe Rudolf Müller in Köln. Seit 1997 freier Autor für Fachzeitschriften und Tageszeitungen. Eigenes Büro in Oldenburg.
www.robert-uhde.de


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