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Keramikfliesen für Museumsfassade

Neubau eines Museums im niederländischen Arnheim
Subtile Landschafts-Spiegelungen

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Nach zweijähriger Bauzeit ist der Erweiterungsbau für das Museum Arnhem fertiggestellt worden. Ausgehend von der reizvollen Grundstückslage haben Benthem Crouwel Architects eine kühne Stahlkonstruktion entwickelt, die rund 15 Meter weit ins Rheintal vorkragt. An der Außenhülle kamen individuell gefertigte Keramikkacheln mit schimmernd-spiegelnder Oberfläche zum Einsatz.

Anforderung:

Museums-Architektur als öffentlichkeitswirksamer Eye-Catcher

Lösungen:

Weit vorkragende Stahlkonstruktion. Fassade mit individuell sortierten Keramikfliesen in 14 Farbtönen


Robert Uhde

Das „Museum Arnhem“ beherbergt eine umfangreiche Sammlung moderner Kunst des 20. Jahrhunderts und zeigt außerdem zeitgenössisches Kunsthandwerk und internationale Design-Objekte. Seit seiner Gründung im Jahr 1920 ist das Haus in einem 1873 errichteten Herrenhaus ansässig, umgeben von einem kleinen Park und gelegen auf einem Hügelrücken mit weiter Aussicht auf die Rheinebene.

Um die steigenden Besucherzahlen aufnehmen zu können ist das Museum jetzt nach rund 100-jähigem Bestehen umfangreich saniert und erweitert worden. Mit der Umbauplanung war 2016 nach vorherigem Wettbewerb das Amsterdamer Büro Benthem Crouwel Architects ausgewählt worden, das in den vergangenen Jahrzehnten zahlreiche Museumsprojekte realisiert hat, darunter die Erweiterungsbauten für das Bergbau-Museum in Bochum sowie für das Anne-Frank-Haus und das Stedelijk Museum in Amsterdam.

Zusammenspiel von alt und neu

Der rund 19 Millionen Euro teure Erweiterungsumbau in Arnheim umfasst zunächst die Sanierung und den Rückbau des zweiflügeligen Altbaukomplexes in seiner früheren symmetrischen Ausformung. Dabei erhielt unter anderem die charakteristische Kuppel des Hauptgebäudes ihren ursprünglichen, großzügigen Charakter zurück. Der darunter gelegene Innenraum wurde dagegen großzügig geöffnet, um einen luftigen Ort der Begegnung und Raum für den Museumsshop und ein neues Museumscafé zu schaffen. Parallel dazu beherbergen die beiden Flügel nach der Sanierung zwei neue Galerien mit Blick auf den Garten und akzentuieren so eindrucksvoll die attraktive Lage des Museums.

Direkt angrenzend an den westlichen Flügel des Altbaus trifft der Blick jetzt außerdem auf den betont minimalistisch gestalteten, als Stahlkonstruktion errichteten Erweiterungsbau des Museums. Der schmale, insgesamt 86 m lange Riegel bietet auf zwei Ebenen eine zusätzliche Ausstellungsfläche von rund 1.200 m². In Richtung Süden kragt er dabei eindrucksvoll um rund 15 m frei schwebend ins Rheintal vor. Die kühne statische Konstruktion schafft nicht nur einen werbewirksamen Eye-Catcher für das Haus, sondern ermöglicht gleichzeitig eine nahtlose Verbindung von Kunst und Natur und macht außerdem eindrucksvoll den nicht nur für niederländische Verhältnisse beachtlichen Höhenunterschied vor Ort sichtbar.

In seiner Mitte integriert das Volumen außerdem einen frei zugänglichen Patio-Hof mit auskragender Aussichtsplattform, der es auch Besuchern ohne Ticket ermöglicht, den Panoramablick über den Rhein und auf die Stadt Arnheim zu genießen. Die aufsteigende Treppe dorthin steht dabei auch als Sitztribüne zum Park zur Verfügung.

Zusätzlich betont wird die Verbindung von innen und außen durch die teilweise geschosshoch ausgebildeten und dabei unregelmäßig angeordneten Fensteröffnungen, die in sämtlichen Räumen des Erweiterungsbaus für ausreichend Tageslicht sorgen. Im Erdgeschoss des Neubaus finden sich zudem die Büros für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Museums. Die beiden Untergeschosse bieten Platz für das Museumsdepot und das archäologische Archiv der Stadt Arnheim.

Komplexe Stahlkonstruktion

Um frei tragende und flexibel einteilbare Geschossflächen ohne Zwischenstützen und eine ausreichend leichte Konstruktion für die angedachte Auskragung zu erhalten, wurde der auf einem Betonsockel und fünf Betonstützen ruhende Neubau als tragende Stahlfachwerkkonstruktion mit aufliegenden Spannbeton-Hohldecken-Elementen ausgeführt: „Unter normalen Umständen hätte die Konstruktion mit einem Gerüst umgesetzt werden müssen“, erklärt Projektarchitekt Maurice Korenblik. „Aufgrund der mangelnden Stabilität des Untergrundes vor Ort kam jedoch eine alternative, sonst eher im Brückenbau bekannte Methode zum Einsatz, bei der der frei tragende Teil der Stahlfachwerkkonstruktion über eine temporäre Gleitschiene nach vorn verschoben wurde.“

Das spektakuläre Manöver erfolgte Anfang Dezember 2020 in zwei Phasen: In einem ersten Schritt wurde ein 11 m langer, komplett mit Böden und Dach ausgestatteter Abschnitt der Stahlfachwerkkonstruktion auf die Gleitschiene gelegt und rund 8 m über den Rand hinaus geschoben. Anschließend musste dann zunächst ein zweiter, rund 5 m langer Abschnitt als Gegengewicht am gegenüberliegende Ende des ersten Abschnitts montiert werden, bevor der gesamte Aufbau dann um weitere 7 m vorgeschoben werden konnte. Nach Erreichen der Endposition konnte dann die Gleitschiene demontiert und der rückseitige Abschnitt der Konstruktion ergänzt werden.

Fassade mit Keramikfliesen

Nicht nur bei der Formgebung des Gebäudes, auch die Materialwahl haben sich die Architekten ganz direkt auf den Standort bezogen. Ausgehend von der attraktiven Lage des Museum im Übergang zwischen der hügeligen Landschaft des Naturparks „Veluwe“ und dem flachen Rheintal wurde die Fassade oberhalb eines dunkel verklinkerten Sockels (‚Morvan Wasserstrich WF‘ von Vandersanden) mit einer individuellen Sortierung von Keramikfliesen in vierzehn Farbtönen verkleidet. Für die rund 1.450 m² große Fassadenfläche sowie für die 360 m² große Deckenuntersicht im auskragenden Bereich kamen dabei insgesamt 82.000 Keramikfliesen des friesischen Unternehmens Koninklijke Tichelaar zum Einsatz.

Im Rahmen der Montage wurden die jeweils 150 x 150 mm großen Keramikfliesen mit einem speziellen Kleber direkt auf den darunter liegenden, auf der Stahlkonstruktion montierten Sandwich-Dämmelementen (‚Karrier QuadCore‘ von Kingspan) aufgebracht. „Eine zusätzliche mechanische Fixierung war dabei nicht erforderlich“, so Maurice Korenblik. „Durch die offene Verfugung ist es dabei möglich, dass Wasser vor, zwischen und hinter den Fliesen gut entweichen kann.“

Aus der Ferne sehen die im rasterförmigen Kreuzfugenverband aufgebrachten Fliesen zunächst gleich aus. Aus der Nähe werden dann die unterschiedlichen Nuancen in Farben und Mustern deutlich: „Das Spektrum reicht dabei von dunkleren Erdtöne im straßenseitige nördlichen Teil des Gebäudes über Violett-, Blau- und Grüntöne bis hin zu eisigem Blau und hell-schimmerndem Weiß auf der Südseite, um so die Wasserspiegelungen in den Rheinauen aufzugreifen“, erklärt Maurice Korenblik. Im Zusammenspiel ist eine bewegte Hülle entstanden, die ganz subtil die verschiedenen Facetten der umgebenden Landschaft aufnimmt.


Projekt: Museum Arnhem, NL

Bauherr: Gemeinde Arnheim, NL

Planung: Benthem Crouwel Architects, Amsterdam, NL
Projektteam: Joost Vos, Saartje van der Made, Mels Crouwel, Maurice Korenblik, Willem Jan van der Gugten, Nihal Kol, Volker Krenz, Jerome Latteux, Femke Tophoven, Nico de Waard, Marcel Wassenaar
www.benthemcrouwel.com

Statik: Pieters Bouwtechniek, Delft, NL

Bauphysik: DGMR Building Physics, Arnheim, NL

Stahlkonstruktion: Rijnstaal Alphen, Nieuwegein, NL

Bruttogeschossfläche: 5.870 m²

Fertigstellung: 2022


Architekt Maurice Korenblik: „Wir wollten die Übergänge der Landschaft besonders betonen und haben deshalb einen fließenden Farbverlauf gewählt.“


Robert Uhde

Studium der Kunst und Germanistik in Oldenburg. Erstes Staatsexamen. Ausbildung zum Fachredakteur für Architektur bei der Verlagsgruppe Rudolf Müller in Köln. Seit 1997 freier Autor für Fachzeitschriften und Tageszeitungen. Eigenes Büro in Oldenburg.
www.robert-uhde.de


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