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Glasklar gelöst

Neubau eines Einfamilienhauses in Haselbach
Glasklar gelöst

Außergewöhnlich breite und hohe Glasscheiben machen ein Einfamilienhaus auf ungewöhnlichem Grundriss in der Nähe von Wien zur perfekten Aussichtsstation. Der Clou dabei: Dank eines neuartigen Fixverglasungssystems konnte auf zusätzliche Aussteifungen verzichtet werden.

Christine Ryll | be

Im nur 20 Häuser großen Ort Haselbach nahe Wien erwarb ein Bauherrenpaar ein Hanggrundstück, um sich dort niederzulassen. Den Architekten fürs Wunschhaus entdeckten sie im Nachbarort, wo ein Einfamilienhaus vom Wiener Architekten Karl Heinz Schwarz geplant worden war. Das Haus am Hang mit rund 150 m2 Wohnfläche sollte klar und einfach konzipiert sein, mit möglichst viel Massivholz als Baumaterial und sehr viel Glas für ungestörte Blicke in die Landschaft – dies setzte der Planer bereits im ersten Vorentwurf so prägnant um, dass er den Auftrag erhielt.
Konzept
Sein Konzept basiert auf drei Boxen, die wie drei Finger in die Landschaft ragen. Jede Box integriert eine andere Funktion. In der ersten wird gekocht, gegessen und gewohnt. Die zweite dient als Schlafbereich, die dritte nimmt das Büro auf bzw. das Gästezimmer. Am Rücken sind die drei Boxen durch einen Verbindungstrakt miteinander gekoppelt. In diesem Trakt befinden sich die Funktionsbereiche des Hauses wie Diele, Garderobe, Bad und WC. So ist jeder der drei Flügel eigenständig und doch tragender Bestandteil des Einfamilienhausensembles.
Am Hang suchen die drei Boxen Bodenkontakt. Richtung Tal stehen sie auf Stützen und kragen weit aus. Drei Türen – die Wohnungseingangstüre, die Schlafzimmertüre und ein Nebenausgang – führen direkt nach draußen. Den Rest des Hauses verbinden riesige Glasflächen mit der Natur. Alle Scheiben sind ausschließlich Fixverglasungen. „Das ist ungewöhnlich, aber dank einer Wohnraumlüftung sehr komfortabel“, informiert Architekt Karl Heinz Schwarz. „Alternativ hätte man an jedem Öffnungsflügel Moskitonetze anbringen müssen, da die benachbarten Bauernhöfe mit den draußen weidenden Kühen natürlich auch viele Fliegen anziehen. Das wiederum hätte den Ausblick massiv beeinträchtigt.“ So hingegen besticht das Gebäude innen wie außen durch ein Wechselspiel zwischen Holz und Glas und nicht zuletzt durch sein energetisch optimales Passivhauskonzept.
Konstruktion
Nur wo das Bauwerk an das Erdreich grenzt, wurde Stahlbeton verbaut. Stahlstützen tragen die aufgeständerten Holzboxen. Deren Basis bildet eine Holzbalkenkonstruktion, deren Untersicht mit 3/3 cm Lärchenleisten auf 3/5 cm Lattung mit Hinterlüftung bekleidet ist. Winddichte Folie, 2,2 cm OSB-Platten sowie zwei Lagen Konstruktionsvollholz setzen den Aufbau fort. Eine Lage besteht aus 14/24 cm Bohlen, deren Zwischenräume mit 24 cm Steinwolle ausgefacht sind, die zweite aus 10/18 cm Konstruktionsvollholz in Kombination mit 12 cm Steinwolle als Dämmung. Den Abschluss bilden 2,2 cm OSB-Platten, 2 cm Trittschall-Dämmplatten, 5/8 cm Polsterhölzer und schließlich 3/5 cm Lattung mit dazwischen verlegter Fußbodenheizung sowie 3 cm Parkettboden.
Die Fassade setzt sich aus 3/3 cm Lärchenholzleisten auf 3/5 cm Lattung mit Hinterlüftung zusammen. Zum Rauminneren grenzt daran eine 16 cm Vorsatzschale mit Steinwolle-Isolierung, gefolgt von 12,8 cm Brettsperrholz-Wandelementen.
Das Dach des aus drei Gliedern bestehenden Gebäudes ist mit einer EPDM Folie auf Vlies gedeckt. Darunter wurden 2,2 cm OSB-Platten verlegt. Dabei bilden 6 bis 12 cm dicke Keilpfosten, die in den Zwischenräumen mit 6 cm Steinwolleplatten gedämmt wurden, die oberste Konstruktionsebene.
Darauf folgt eine weitere Schicht aus 26 cm Konstruktionsvollholz, ebenfalls gedämmt mit Steinwolle, die Dampfbremse, 2,2 cm OSB-Platten, 3/5 cm Lattung und eine Lage 1,5 cm Gipsfaserplatten.
Unsichtbare Befestigung
Sichtbare Krönung dieses Aufbaus ist der großflächig verglaste Teil der Fassadenkonstruktion. Es sind jene bis zu 5 m breiten und 3 m hohen, mit Lotuseffekt ausgestatteten Glaselemente, an die teilweise noch 1,40 m breite und 3 m hohe Über-Eck-Verglasungen angrenzen – und von deren Befestigung rein gar nichts zu erkennen ist. „Von außen sichtbar ist nur das Holz der angrenzenden Fassade, dann kommt schon das Glas“, freut sich der Planer über diese grazile Konstruktion, „nicht einmal Diagonalaussteifungen gibt es.“ Das wäre noch vor gar nicht so langer Zeit unmöglich zu bewerkstelligen gewesen. Ohne Pressleisten keine Verglasung, ohne Zugstäbe oder sonstige Diagonalaussteifungen keine große Glasfläche, so lautete die Regel für großflächige Verglasungen bisher. Erst eine neue Entwicklung des Verbinderherstellers Knapp hat die in Haselbach angewandte Konstruktion möglich gemacht.
Sie basiert darauf, dass das verbaute Glas statisch tragend ausgeführt ist, weil die innenliegenden Scheiben die Tragwirkung übernehmen. Damit kann auf Aussteifungen verzichtet werden. Nach der Montage ist das System sofort tragend und auch sofort wind- und wetterdicht.
„Die Montage selbst geht äußerst einfach und zügig vonstatten“, erinnert sich der Architekt. Das unter dem Namen Fasco vermarktete GFK Kunststoffprofil war bereits unter industriellen Bedingungen vom Glashersteller aufgeklebt worden, so dass das fertige Glaselement auf der Baustelle nur mehr in die Fensteröffnung geschraubt werden musste. Entsprechend kurz ist die Bauzeit des Einfamilienhauses veranschlagt worden.
Der knappe Zeitplan von Juli 2011 bis Frühjahr 2012 lasse sich einerseits vor allem dank der Holzbauweise bewerkstelligen, versichert Schwarz. „Die Holzbauweise ist sehr viel genauer als die Massivbauweise, und sie lässt sich zudem gut vorfabrizieren, so dass wir sehr viel schneller bauen können.“ Parallel habe das in Haselbach verwendete Glassystem zur schnellen Bauweise beigetragen. „Immerhin war bereits November, als die Verglasung an der Reihe war“, kommentiert Schwarz. Da das Wetter zu schlecht war, „konnten wir die Wetterfuge auch nicht sofort herstellen, sondern mussten dafür noch ein paar Tage warten“, informiert er weiter. „Das war aber kein Problem, weil die Fassade schon dicht war.“ Der Planer hatte zuvor auf Basis von drei möglichen Ausführungsdetails des Verbinderherstellers Knapp die Lösung ausgewählt, die es ermöglicht, die Scheiben auf Wunsch sofort austauschen zu können, ohne dass die Fassade dazu geöffnet werden muss. „Es genügt die Silikonfuge herauszuschneiden und schon kann das Glas ausgewechselt werden“, informiert Schwarz. Das Objekt in Haselbach ist eines der ersten, die diese Art der Verglasung nutzen.
„Ich würde das auch jederzeit wieder tun“, beteuert Schwarz. „Man spart sich dadurch Kosten für die Windverbände, es ist optisch schöner, und zudem ist die Montagezeit angenehm kurz.“ Es müsse lediglich darauf geachtet werden, dass die Montage durch geschultes Personal ausgeführt werde – und dass das System möglichst früh in die statische Planung eingebunden werde, da dadurch Windverbände entfallen und sich somit die Statik ändert.
Sogar die Kostenfrage des Projekts kann sich sehen lassen. Zwar liegen die Preise für die Verglasung etwa 20 % über denen einer gewohnten Ausführung. Die Zeitersparnis der kürzeren Montage und die Kostenersparnis aufgrund der entfallenden Windverbände machen dieses Manko jedoch wieder wett.
Architekt: Dipl.- Ing. Dr. techn. Karl-Heinz Schwarz, Wien | A
Statik: Zivilingenieurbüro DI Hans Jörg Felkel, Maria Anzbach | A
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