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Gebauter Freiraum

Neubau eines Wohnhauses in Karlsruhe
Gebauter Freiraum

Kann man idyllischer wohnen – umgeben von der Natur, direkt am Waldrand, mit schönem Ausblick auf eine Naturlandschaft, die man so in einem Ballungsraum wie Karlsruhe kaum erwarten würde? Wie die Antwort auch lautet, die architektonische Antwort der Planer von Baurmann.Dürr aus Karlsruhe passt zum Umfeld und zur Bauaufgabe, ohne dabei plump und klischeehaft zu sein.

mn / be

Dort, wo andere zum Wandern und Laufen hin fahren, wurde ein Wohnhaus gebaut, direkt am Wald, ruhig und mitten in der Natur. Wohnen am Waldrand, das klingt zunächst gut und löst nur positive Bilder im Kopf aus. Doch das Wohnen am Waldrand hat auch seine Nachteile. So schreibt die Landesbauordnung (LBO § 4 (3)) Baden-Württemberg einen Mindestabstand von 30 m zum Beginn der Vegetation des Waldes bei Neubebauung vor. Eine Verordnung, die den Architekten um Prof. Baurmann von Baurmann.Dürr die Planung nicht gerade einfacher gemacht hat, ist das Grundstück, das mit dem Waldrand beginnt, gerade einmal 30 m breit.
Doch ein architektonisch interessiertes und offenes Bauherrenpaar und flexibel agierende Behörden halfen dabei, die Aufgabe trotzdem zu bewältigen. Denn aufgrund der Bauordnung musste um jeden Meter gerungen werden, bis fest stand, wo das Wohnhaus entstehen konnte. Dass der einzig mögliche Bereich dann in direkter Nähe zum einzigen Nachbarn lag, erfreute zwar weder ihn noch die Bauherren, war aber die Lösung des Problems. So konnte auf einer Fläche mit einer Breite von 8,50 m und parallel zum Waldrand gebaut werden. Da mutete die auf ein Vollgeschoss beschränkte Bauhöhe geradezu als leichte Herausforderung an.
Es entstand ein Baukörper, der in das nordwestliche Eck des Grundstücks platziert wurde und 200 m² Wohnfläche bietet. Er wird über die Südseite erschlossen, da diese den einzigen Straßenzugang darstellt, und öffnet sich nach allen Seiten. Selbst die sonst ungeliebte Nordfassade wurde mit ausreichend Fensterflächen versehen.
Klarer Baukörper mit Außenbezügen
Nähert man sich dem Gebäude von der Erschließungsstraße her, dann fällt die gegenüber der Nachbarbebauung niedrigere Gebäudehöhe auf. Doch war bereits von einer lediglich auf ein Geschoss beschränkten Bauhöhe die Rede, dann stutzt man beim Anblick der Südfassade. Denn statt einem Geschoss verfügt das Gebäude über zwei.
Diese Maßnahme, die zusätzlich Raum und Platz schafft, war nur möglich, weil mit einer Flächenbegrenzung des oberen Bereichs die juristische Definition eines Vollgeschosses unterschritten wurde. So bedeckt das obere Geschoss aufgrund der großzügigen Dachterrasse weniger als zwei Drittel des unteren und gilt nicht als volles Geschoss. Optisch stellt sich die Südfassade als überraschend offene Gebäudehülle dar, die mit einem mäandernden geschlossenen Band ein dominierendes Element vorweist. Dieses Band, in weißem Putz gehalten, umfließt die großen Fensterflächen und den durch eine Holzfassade in Lärchenholz-Querlattung angedeuteten Eingangsbereich. Oben definiert es den Beginn der großen Dachterrasse. Sie ist mit Holzdielen aus Lärche belegt und durch die Kunststoffabdichtung Kemperol 2K pur von Kemper Systeme wetterfest gemacht worden, während das Dach mit Bauder Flex K5 E abgedichtet wurde.
Überraschend wirkt diese Fassade aber nicht nur wegen ihrer Offenheit zur Erschließungsstraße hin, sondern auch, weil sich neben dem Zugang zum Haus hier neben der Dachterrasse ein weiterer Freisitz befindet, der ebenfalls mit Lärchendielen belegt ist. Er stellt die optische Verlängerung des Essbereichs in den Freiraum dar. Überhaupt ist das Thema Freisitz ein weiteres gestalterisches Merkmal des Hauses. So verfügen die Bewohner über nicht weniger als vier Möglichkeiten, sich im Freien aufzuhalten. Neben der bereits angesprochenen Dachterrasse und der Terrasse an der Südfassade, steht noch ein großer Bereich im Osten zur Verfügung, der die Morgensonne einfängt, sowie ein Bereich an der Nordseite des Gebäudes, der für heiße Sommertage ideal sein dürfte. Allen Außenbereichen gemeinsam ist die Sichtbeziehung ins Haus und vom Haus nach außen. So sind jeweils die Fassaden an den Freisitzen mit großen, über die gesamte Geschosshöhe gehenden Glaselementen versehen.
Wenig Materialwechsel für mehr Ausdruck
Allgemein fällt auf, dass das gesamte Gebäude von einem gekonnten Wechsel aus geschlossenen und offenen Flächen lebt und mit einem dezenten Materialeinsatz zusätzlich überzeugt. Diese Maßnahmen geben dem Massivbau aus Kalksandstein bzw. Stahlbeton eine Anmutung, als handle es sich um einen ausschließlich in Skelettbau ausgeführten Baukörper. Bemerkenswert ist auch die Tatsache, dass sich weder das Bauherrenehepaar noch der Architekt dazu hinreißen ließen, ein reines Holzhaus zu erstellen, wo diese Assoziation in unmittelbarer Nähe zum Wald doch auf der Hand läge. Stattdessen wurde gekonnt mit einzelnen Fassadenelementen aus einer Lärchenholzquerlattung gearbeitet, die nicht den Eindruck aufkommen lässt, man habe unter allen Umständen den Bezug zum Umfeld herstellen wollen.
Die Fassaden wirken homogen und strukturiert, isoliert mit dem Wärmedämm-Verbundsystem Sto Mineral-Therm. Während sich die Südfassade zur nicht stark frequentierten Erschließungsstraße öffnet, wirkt die Westfassade verschlossener. Dies resultiert aus der Tatsache, dass aufgrund der Baurechtslage nur wenig Abstand zum einzigen direkten Nachbarn gehalten werden konnte und dieser sich im Westen des Grundstücks befindet. So dominieren hier eher die geschlossenen Flächen. Lediglich im Essbereich verfügt auch diese Fassade über eine großzügige, geschosshohe Verglasung. Die Fenster im Obergeschoss sind dagegen als schmale Bänder ausgeführt.
Im Norden wandelt sich das Bild wieder ein wenig. Wie bei der Südfassade handelt es sich auch hier um die Schmalseite des Hauses. Sie wird geprägt durch die für eine Nordseite ungewöhnlich große Glasfläche im Erdgeschoss, die als öffenbares Schiebeelement die Verbindung zur Nordterrasse darstellt. Die Glastüren sind dabei wie alle anderen Fenster auch in Holzrahmen von der Firma Glasbau Wegerle gefertigt. Über diesem Glaselement, im oberen Geschoss, befindet sich ein Fensterband mit zwei Öffnungselementen. Geht man weiter ums Haus, dann kommt man zur großen Terrasse an der Ostfassade. Hier öffnet sich das Haus erneut mit einem großen Glasschiebeelement, wird im OG jedoch durch die Dachterrasse dominiert, die die Fassade auf der Hälfte des Gebäudes unterbricht und nach hinten versetzt.
Klare Gestaltung auch innen
Was sich an den Fassaden bereits angedeutet hat, wird im Innenbereich bestätigt: Bei diesem Haus wurde Wert auf eine klare Gestaltung gelegt. Statt mit Wänden zu unterteilen, wurde das gesamte EG offen gestaltet und erhält seine Gliederung lediglich durch zwei eingestellte Kerne, die neben statischer Funktion vor allem die Beherbergung von Nebenräumen und Treppe übernehmen. Betritt man das Gebäude, befindet sich der erste Kern direkt im Vorraum. Er beherbergt Abstellraum, Garderobe und WC. So wird auch klar, warum der Fassadenteil neben dem Eingang bei aller Offenheit ein geschlossenes Element erhalten hat.
Geht man weiter in den offenen Raum, erblickt man die Küche mit vorgelagerter Theke sowie den großen Essplatz, der sich optisch in den Außenraum fortsetzt. Hinter der Küche befindet sich der zweite Kern, der die Treppe zum OG verbirgt und den Essbereich vom Wohnbereich abgrenzt. Auch hier geht der Innenraum eine optische Korrespondenz mit dem Außenraum ein. Ergänzt wird der Wohnbereich durch einen in den Treppenkern eingelassenen Kamin in Eckausführung. Dieser von Rösler stammende Heizkamin, Modell Vulkan, verfügt über eine verschiebbare Glasscheibe und leistet bis zu 10 kW Heizenergie. Der gesamte Erdgeschossbereich wurde mit 10 mm Schieferplatten belegt und bildet mit weißen Putzwänden von Maxit (Gipsputz glatt Ip 22 E) sowie den Glaselementen im Innenraum ein klare Optik.
Im oberen Bereich des Hauses wechselt der Raumeindruck. Hier fällt zunächst auf, dass gegenüber dem Erdgeschoss Trennwände die Räume klar definieren, ohne diese dadurch zu beengen. Massive Holzdielen aus Eiche, die den Bodenbelag außerhalb der Nassbereiche bilden, vermittelt eine Wohlfühlatmosphäre. Obwohl schmalere Fensterbänder gegenüber großflächigen Verglasungen dominieren, wirkt jeder Raum hell und offen.
Das Bad mit seinem dunklen Schieferboden wechselt dabei die Optik gegenüber den anderen Obergeschossräumen, ohne aus dem Rahmen der Gestaltung zu fallen. Auch die integrierte Sauna sowie die bodengleiche Dusche, ebenfalls mit Schiefer belegt, runden das Bild ab. Helle Einbaumöbel und sich immer wieder eröffnende Blickbeziehung zum Wald und zur weiteren Umgebung geben dem oberen Bereich einen zusätzliche Wert.
Haustechnik
Geheizt wird das Haus mit einer Warmwasser-Fußbodenheizung von Uponor-Velta (Tecto) mit Einzelraumregelung. Sie liegt in einem schwimmenden Anhydrit-Heizestrich (Anhydritbinder von Maxit) und versorgt das Haus mit der nötigen Wärme im Winter. Die dazu notwendige Heizenergie erzeugt eine Erdwärmeanlage mit zwei 99 m tiefen Bohrungen und einer Sole-Wasser-Wärmepumpe von Ochsner mit einer Leistung von 12 kW. Mit dieser Anlage des Typs GMSW 12plus, Baureihe Golf, und einem Trennspeicher PU300 vom gleichen Hersteller hat das Haus einen Jahresprimärbedarf von 70,6 kWh/m²a bei einem Energiebedarf von 7 912 kWh/a. Ergänzt wird das umweltfreundliche Konzept des Hauses durch ein Regenwassernutzungssystem, dass dafür sorgt, dass kein Regenwasser in die öffentliche Kanalisation geleitet werden muss. Sammlung von Regenwasser, kontrollierte Filterung und oberflächennahe Versickerung versorgen dabei eine Zisterne.
Insgesamt lässt sich sagen, dass es den Architekten gelungen ist, in einer schwierigen baurechtlichen Situation und in einem empfindlichen Umfeld ein Haus zu entwerfen, das das Landschaftsbild nicht stört, ohne dabei zu sehr auf Klischees des natürlichen Bauens auszuweichen. So entstand ein eigenständiger Baukörper mit Charakter, der für die Bewohner Freiräume schafft und Rückzugsmöglichkeiten bietet.
Professor Henning Baurmann: „Die Konzentration auf wenige Materialien bringt die großartige Naturkulisse, die das Haus umgibt, umso stärker zur Geltung. In einer derartigen Umgebung muss die Architektur sich stark zurücknehmen, wird zur Bühne der Jahreszeiten, der Stimmungen, der Atmosphären.“
bba-Infoservice Fassadendämmung 509 Innenputz 510 Glasschiebeelement 511 Terrassen-Kunststoffabdichtung 512 Dachabdichtung 513 Heizkamin 514 Fußbodenheizung 515 Heizestrich 516 Wärmepumpe 517 Trennspeicher 518
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