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Einfühlsam selbstbewusst

Neubau eines Wohngebäudes in Wismar
Einfühlsam selbstbewusst

Ein neues Wohngebäude schließt die enge Lücke in einer historischen Gebäudezeile in Wismar. Behutsam und doch selbstbewusst gliedert sich der schmalgeschnittene, dreieinhalb Geschosse aufragende Neubau in die von Jahrhunderte alten Gebäuden dominierte Fassadenfront.

Dipl.-Ing. Nikolai Ziegler

Von Architekten und Planer erfordert der Eingriff in bestehende Strukturen ein vielschichtiges Einfühlungsvermögen und respektvollen Umgang mit dem Bestand. Gleichzeitig bietet diese Herausforderung jedoch eine Gelegenheit zur besonderen Qualität, die keinesfalls im Widerspruch zu moderner Architektur steht.
Im Kern der mittelalterlichen Hansestadt Wismar, deren Stadtzentrum zum Unesco-Weltkulturerbe zählt, erwarben die Bauherren im Jahr 2006 das damals noch mit einer Ruine besetzte Grundstück in einer ansonsten geschlossenen Häuserzeile der Scheuerstraße. Die Sanierung des ehemaligen Gebäudes, von dem nur noch die Reste des ehemaligen Fachwerks sowie ein Teil der erdgeschossigen Straßenfassade vorhanden waren, erwies sich auf Grund der schlechten Substanz als hinfällig. Jedoch ergab sich dadurch die Möglichkeit, in der denkmalgeschützten Altstadt Wismars einen Neubau zu errichten.
Nicht nur der Entwurf, der sich städtebaulich in die zum Teil Jahrhunderte alte Nachbarbebauung einordnen, gleichzeitig energetischen Anforderungen gerecht werden musste und moderne Architektur darstellen sollte, sondern auch das enge, mehrwinklige Baugrundstück ließen das Projekt zu einem spannenden gleichwie komplizierten Bauvorhaben werden.
Über die Schwierigkeiten eines solchen Entwurfs sagt Architekt Sebastian Hempel: „Eine Baulücke in einem Quartier ist mit besonderer Sensibilität zu füllen, denn es sind sehr viele Anforderungen z. B. aus dem geltenden Baurecht oder den Gutachten der Fachplaner einzubinden. Nur eine gute Abwägung aller Forderungen lässt einen guten und dauerhaften Entwurf entstehen“.
Während die freigeräumte Lücke zur Straßenseite einer Abmessung von ca. 5 m entsprach, verjüngte sich die Distanz der Nachbarbauten bis zur Hinterfassade auf 4,30 m. Für den Bauherr, der das Haus als Eigenheim für sich und seine Familie plante, bot diese Situation dennoch ausreichend Fläche, um hier Wohnen und Arbeiten unter einem Dach zu vereinen. So entwarf Sebastian Hempel ein auf den Ort zugeschnittenes Gebäude, das sich in die Baulücke einpasst und damit den ursprünglichen Zustand der der geschlossenen Blockrandbebauung wieder herstellt. Für die Höhe des Baus orientierte sich der Architekt an den Firsthöhen der Nachbargebäude. Aufgrund der ebenfalls übernommenen Stockwerksuntergliederung entstand ein Neubau, der sowohl Bezüge zur Nachbarschaft erkennen lässt und dennoch eine eigene architektonische Identität besitzt.
Aufgrund der ebenfalls übertragenen Geschossgliederung ergaben sich Raumhöhen von ca. 3 m, die im Verhältnis zur geringen Breite eine angenehme Großzügigkeit der einzelnen Raumzuschnitte sicherstellen. Die Straßenfassade zeigt sich durch ein einheitliches Fensterraster in vertikaler Richtung dreizonig gegliedert. Die rechte Öffnung des Erdgeschosses fällt aufgrund eines farblichen Kontrasts ins Auge. Durch eine Nische leicht zurückversetzt befindet sich hier die in rot gefasste Haustüre. Der dezente Versatz verschafft nicht nur eine geschützte Eingangssituation, sondern bietet in der Laibung auch ausreichend Fläche, um hier zurückhaltend und dennoch zweckmäßig Klingelschalter und Briefkästen anzuordnen.
Im 1. OG der Fassade markiert ein in Zinkblech verkleideter Erker die Mittelachse des Gebäudes und weckt damit Erinnerungen an die besonders reich ornamentierten Obergeschosse historischer Bauten. Über der Fassade des 2. OG, in dem sich nur noch das mittlere Fenster fortsetzt schließt flächenbündig der Giebel des steilen Satteldaches an.
Charmante Großzügigkeit
Das Erdgeschoss des 3,5 geschossigen Hauses nimmt die separat zu nutzende Gewerbeeinheit mit dem eigentlichen Büro, einem Konferenzraum sowie einer kleinen Sanitäreinheit ein. Wie im gesamten Gebäude sind auch hier die Bodenbeläge in Sichtestrich hergestellt. Über eine offene Treppe, in Ortbeton hergestellt und mit Holzstufen bekleidet, werden die zu einer Wohneinheit zusammengefassten Obergeschosse erschlossen. Zum Innenhof hin orientiert, bietet der offen gestaltete Grundriss des 1. OG ausreichend Platz für eine Küche mit Essplatz.
Durch eine mittig liegende Sanitäreinheit untergliedert, nimmt der gemütliche Wohnbereich den östlichen Abschnitt der Etage ein. In dem kleinen Erker lädt eine Fenstersitzbank zum Verweilen ein. Das Dachgeschoss des Gebäudes offeriert neben Schlafzimmer mit Balkon zusätzlich Platz für Bad und Gästezimmer.
Integrierte Gebäudetechnik
Neben der intelligenten Grundrissaufteilung zeigt sich die planerische Qualität des Gebäudes bis in seine haustechnische Ausstattung. Während der kalten Jahreszeit sorgt ein Kaminofen mit großem Sichtfenster für Gemütlichkeit und Wärme. Der von Hwam hergestellte Ofen Monet ist durch einen integrierten Wärmetauscher ausgestattet, um darüber hinaus den Heizkreislauf des Gebäudes zu speisen. Etwa die Hälfte der von dem Kaminofen erzeugten Wärme geht damit auf das Vorlaufwasser der Zentralheizung über, während die andere Hälfte als Konvektionswärme abgegeben wird.
Im Sommer dient eine Solarthemieanlage mit dem Flachkollektor Aurotherm von Vaillant zur Warmwassererzeugung. Als Unterstützung beider Anlagen kommt die Gasbrennwerttherme Ecotec, ebenfalls von Vaillant zum Einsatz, falls zusätzliche Energie benötigt wird. Aufgrund der beschränkten Platzverhältnisse wurde sämtliche Haustechnik wie Therme, Steuerung, Pumpen und Speicher in das Nebengebäude ausgelagert und über eine hochgedämmte, unterirdische Rohrführung mit dem Hauptgebäude verbunden. Die Wärmeabgabe erfolgt über flächenintegrierte Wandheizungen, die in sämtlichen Räumen des Gebäudes verbaut wurden.
Auch wärmeschutztechnisch entspricht das Gebäude hohen Anforderungen. Für die beiden Giebelfassaden kam das 16 cm starke Wärmedämmverbund-system Warm-Wand Basis von Knauf zum Einsatz, das über EPS-Platten einen Dämmwert von 0,32 W/m²K erreicht. Die Fenster, Produkte der Modellreihe Climatrend von Evers Bauelemente, sind aus FSC-zertifiziertem Merantiholz hergestellt und mit einer 3-fach Isolierverglasung ausgerüstet. Wärmebrückenfrei wurde die Dachfläche mit der 22 cm starken Aufsparrendämmung für Steildächer Pir Plus von Bauder gedämmt, deren Wärmedurchgangskoeffizient bei 0,21 W/m²K liegt. Als Wärmeschutz gegenüber dem Erdreich wurde unterhalb der Sohle eine 22 cm starke Perimeterdämmung eingebracht sowie unterhalb des Estrichs eine 10 cm starke Trittschalldämmung verwendet.
Als hilfreiche Erfahrung rät Sebastian Hempel: „Die frühe Zusammenarbeit mit der Denkmalpflege und das Einbinden von sämtlichen Fachplanern wie Statikern, Gebäudetechnikern, Baugrundgutachtern schon während der Entwurfsphase ist besonders wichtig. Nur so kann ein exemplarischer und kostengünstiger Neubau erstellt werden.“
Architekt: Sebastian Hempel, Wismar
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