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Bewahrt und belebt

Umbau einer Sparkasse in Bad Reichenhall
Bewahrt und belebt

Der Sparkassenbau in Bad Reichenhall aus den 1970er Jahren genügte den heutigen Ansprüchen bezüglich Funktionalität und Ökonomie nicht mehr. Ein innovatives Gestaltungs- und Energiekonzept machte das Gebäude fit für die Zukunft; heute präsentiert es sich in einem zeitgemäßen und ökologisch nachhaltigen Outfit – auch dank moderner Fassadensysteme.

Petra Domke

Mitte des Jahres 2006 wurde von der Sparkasse Berchtesgadener Land ein geladener Wettbewerb mit Architekten aus der Region und dem Bundesgebiet ausgelobt. Dabei sollten die auf mehrere Gebäude verteilten 235 Mitarbeiter in dem in die Jahre gekommenen Bestandsgebäude zusammengeführt werden. Mit der Sanierungsmaßnahme wurde das Ziel verfolgt, durch behutsame Eingriffe und Ergänzungen eine funktionale, ökonomische und ökologisch optimale Lösung für die Sparkasse zu schaffen. Besonderes Augenmerk lag dabei auf dem Umgang mit dem unzeitgemäßen Bau, der Nähe zur Altstadt sowie der direkten Nachbarschaft zu bestehenden Gebäuden.
Neben einer neuen Gestaltungsqualität lag dem Bauherrn mit diesem Projekt aber auch ein Beitrag zur Erneuerung der Stadt von innen heraus am Herzen. Vor den Architekten stand die Aufgabe, die Aufwertung des Stadtquartiers bei gleichzeitiger Bewahrung der Identität des Ensembles umzusetzen. Den Projektwettbewerb konnten Bolwin Wulf Architekten aus Berlin für sich entscheiden. Nach Auswertung der Baugeschichte entschieden sich Bauherr und Architekt für einen Weg zwischen Bewahren und Beleben. Der Entwurf sah deshalb vor, die Grundstruktur des fünfgeschossigen Gebäudes und seinen ursprünglichen Charakter in wesentlichen Teilen zu erhalten, weiter die im Kontext der Umgebungsbebauung städtebauliche Authentizität erlebbar zu machen und nicht zuletzt trotzdem Neues zu gestalten.
Noch Ende des Jahres 2006 wurde die Planung hinsichtlich der Kosten optimiert und festgeschrieben, Anfang des Jahres 2007 der Bauantrag eingereicht und im Mai gleichen Jahres mit der Entkernung des Altbaus begonnen.
Neue alte Ansicht
Die Strategie des Entwurfes verstand sich als Weiterbauen des Standortes, um die Vertrautheit mit dem Ortsbild zu erhalten. Daher sind die Eingriffe in die Substanz gering, jedoch mit hohem Effekt. Der ursprünglich die Fassade dominierende sowie Ein- und Ausblicke behindernde Sonnenschutz entfiel. Im Rahmen des Umbaus sollte die einladende Wirkung der ebenerdigen Etage auf das gesamte Gebäude übertragen werden. Sichtbare und tragende Balkenköpfe wurden als Basis für großzügige horizontale Flächen verwendet. Die transparente Hülle im Zusammenhang mit den horizontalen Auskragungen schafft eine gute konstruktive Verschattung im Sommer (hoher Sonnenstand), der innenliegende, hochreflektierende Screenbehang dient dabei als Rest-Sonnen- und Blendschutz.
Im Winter dagegen gewähren die Glasflächen einen hohen Wärmeeintrag (flacher Sonnenstand), die farbigen Vorhänge dienen als nicht reflektierender Blendschutz. Auf diese Weise ist bei maximaler Transparenz und Offenheit ein einfacher Sonnenschutz entstanden, der gleichzeitig einen überdachten Außenbereich für Fußgänger bildet und nicht zuletzt ein regionaltypisches Element ist, welches bereits an den Gesimsen der historischen Salinengebäude Anwendung fand.
Dank der Glasfaser-verstärkten Betonplatte „concrete skin“ aus dem Material fibreC vom Betonwerk Rieder erreichte man auch für die nicht mit Glas verkleideten Fassadenflächen eine moderne Lösung für zeitgemäße Architektur. Der Werkstoff ermöglicht eine vorgehängte hinterlüftete Fassadenkonstruktion, die trotz geringer Materialstärke eine hohe Festigkeit und Belastbarkeit aufweist. Aus den handelsüblichen fibreC-Platten von 1,20 x 2,50 m Größe wurden vor Ort nach den Wünschen der Planer verschieden kleinere Platten geschnitten, die mit verdeckten Fixierungen zusätzlich ästhetische Effekte erzielen.
Das Haus besitzt jetzt ein weißes Walmdach, welches im Winter mit den umliegenden Bergen verschmilzt. Mit den kleinformatigen Faserzementplatten von Eternit ließ sich die spezielle Dachform aus einem Guss realisieren. Die vom Institut für Bauen und Umwelt e.V. nach der Umwelt-Produktdeklaration ISO 14025 zertifizierten Dachplatten aus Faserzement sind vor allem in klimatisch anspruchsvollen Höhenlagen erprobt und stehen für Modernität, Robustheit und Wirtschaftlichkeit. Hinzu kam, dass die Offenlegung des gesamten Lebenszyklus von der Rohstoffgewinnung über Energieeinsatz, Herstellung, Transport bis zu Entsorgung bzw. Recycling des Dachmaterials dem Energie- und Ökologiekonzept des Objektes entspricht.
Energetisch bilanziert
Durch den Einbau einer Grundwasserpumpe (Saug-Schluck-Brunnen), welche in einem Abstand von etwa 50 m Grundwasser entnimmt und wieder zurückleitet sowie der konzeptionellen und energetischen Sanierung der Außenhülle reduziert sich der End-Energiebedarf des Gebäudes um 81%. Das gleichmäßig etwa 9 °C temperierte Grundwasser wird sowohl zur sommerlichen Kühlung als auch über Wärmepumpen zur winterlichen Vorkonditionierung der Heizung herangezogen.
Die Gipskarton-Decken mit integrierten Kapillarrohrmatten dienen als Kühlsegel im Sommer, sowie als Heizflächen im Winter. Lediglich für Heizspitzen und für die individuelle Regelung existieren minimierte Heizkörper. Ein weiteres Element für den Sommerfall ist die natürliche adiabate Kühlung. Wasserbespülte Wände, in Kurgebieten auch als Gradierwerke bekannt, verrieseln permanent Wasser. Die gebäudehohen Rieselwände sind nicht nur als ortstypische Attraktion zu sehen, sie transportieren auch Verdunstungskühle in die Büroebenen. Im speziellen Fall dieses Objektes konnten zwei überflüssige Treppenhäuser an der Fassade entfernt und die gebäudehohen Lufträume als Gradierwerke so integriert werden, dass die sonst unbelichteten und unbelüfteten Mittelzonen mit Licht, Luft und Kühle versorgt werden. Der Einfluss auf die Wärmeverluste über die einzelnen Bauteile und die Heizungsanlage stellt sich so dar, dass der Energiebedarf (Energiebedarf nach Sanierung: 404 282 kWh/a) praktisch weniger als 20% des ursprünglichen Bedarfs (Energiebedarf vor Sanierung: 2 1 01 759 kWh/a) beträgt.
Leitsystem mit Licht und Farbe
Im Inneren gab man den für die Entstehungszeit typischen Funktionsmix aus Bank, Geschäftsräumen, Wohnen und die damit verbundene komplexe Erschließung zugunsten von mehr Großzügigkeit auf. Sämtliche Etagen wurden von überflüssig gewordenen Einbauten befreit. Zwei neu in den Baukörper geschnittene, verglaste Innenhöfe bringen Tageslicht und die Jahreszeiten in das Gebäudeinnere. Transparentes, transluzentes und lackiertes Glas prägen den Kundenbereich im Erdgeschoss und auch die darüber liegenden Büroebenen. Die einzelnen Büros sind durch Glasscheiben vom gemeinschaftlich genutzten Bereich abgetrennt. Um ein Höchstmaß an Flexibilität und Funktionalität in Verbindung mit Ästhetik in den Innenräumen zu erreichen, entschied man sich für Trennwandsysteme von Scheicher. Die kombinierfähigen Raumlösungen in Glas, Holz und Aluminium schaffen mit variabel für alle denkbaren Raumentwürfe und -zuschnitte, für Transparenz und Abgeschlossenheit ganz unterschiedliche Lichtstimmungen sowie Raumeindrücke. Großzügige Mittelzonen bieten offenen Besprechungsbereichen und Teeküchen Platz. Im Dachgeschoss mit teilbarem Saal und Terrasse ist bei Konferenzen, Besprechungen und Veranstaltungen aller Art das imposante Bergpanorama zu genießen.
Salz – ehemaliges Zahlungsmittel – hat die gesamte Region nachhaltig geprägt, ihm verdankt auch Bad Reichenhall seinen Aufstieg und heutigen Status. Durch das gesamte Gebäude zieht sich ein Farbkanon aus verschiedenen Rosa-, Violett- und Rottönen, die auf das natürliche Farbspektrum des „weißen Goldes“ hinweisen. Die Farben finden sich in transparenten und opaken Glasflächen, Vorhängen und Effektlichtern. Nachts wird die Sparkasse mit entsprechend farbigem Licht angestrahlt.
Die Orientierung im Haus, insbesondere für ältere Mitbürger, wird zusätzlich zu den Farben durch ein Text-Leitsystem erreicht. Die Bindung und lange Tradition der Sparkasse zur Region wird im Außenraum, an den Fassaden der beiden Häuser mit Textarbeiten veranschaulicht. Im Innenraum sind Schriften zur Geschichte des Hauses mit zu Pigment vermahlenen Bad Reichenhaller Salzsteinen ausgeführt.
Architekturbüro: Bolwin Wulf Architekten Partnerschaft, Berlin
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