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Antikglas-Mosaik wird zur Brandschutzfassade

Sanierung und Erweiterung eines Verwaltungsgebäudes in Nürnberg
F90-Fassade mit Antikglasmosaik

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Nach der Generalsanierung ist am Nürnberger Hauptmarkt das „Haus der Wirtschaft“ entstanden. Mit der Transformation des bisherigen Innenhofs zum überdachten Atrium wurde ohne zusätzliche Flächenbeanspruchung mehr Raum geschaffen. Blickfang ist ein großes „Glasfenster“, das restauriert und brandschutztechnisch ertüchtigt wurde. Die geklebte Brandschutzfassade besteht aus großformatigem Echt-Antikglas-Mosaik.

Anforderung:

Außenfassade wird durch die Umgestaltung zur innen liegenden Brandschutzfassade mit F90-Anforderung

Lösung:

Echt-Antikglas auf Brandschutzverglasung aus VSG auflaminiert, in F90-Pfosten-Riegelfassade aus Stahl montiert


Anne Marie Ring | be

Der traditionsreiche Standort der IHK Nürnberg für Mittelfranken ist seit dem Jahr 1560 Sitz der Selbstverwaltung der Nürnberger Kaufleute. Im Zweiten Weltkrieg bis auf die Grundmauern zerstört, wurden die Gebäude in den 1950er-Jahren wieder aufgebaut. Der Komplex bestand aus insgesamt vier Gebäuden, von denen zwei unter Denkmalschutz stehen. Schon lange entsprachen sie nicht mehr den heutigen Anforderungen an ein zeitgemäßes Büro- und Verwaltungsgebäude, weder in energetischer, technischer noch in erschließungstechnischer Hinsicht. Diese Mängel sollten im Zuge einer Generalsanierung behoben werden.

Überzeugender Wettbewerbsentwurf

Den europaweit ausgeschriebenen Wettbewerb gewann das Berliner Architekturbüro Behles & Jochimsen. Ihm gelang es nach Ansicht des Preisgerichts besonders überzeugend, offene Strukturen und eine transparente Gestaltung mit der historischen Architektonik der Stadt Nürnberg zu verbinden.

Die denkmalgeschützten Häuser am Hauptmarkt und der Saalbau an der Winklerstraße wurden erhalten; die Gebäude an Waaggasse und Schulgässchen hingegen zugunsten eines Neubaus abgebrochen. Der Zugang zum Hof wurde durch ein Verbindungsbauteil geschlossen und der so entstandene Innenhof durch ein Glasdach in ein Atrium transformiert.

Marmoriertes Licht

Lichtes Atrium mit Glaskunst

Das lichte Atrium ist als Empfangs- und Wartebereich sowie für Veranstaltungen und Ausstellungen konzipiert; es verbindet den Haupteingang mit dem historischen Saalbau. Der von außen schlichte Saalbau aus den 1950er-Jahren überrascht nicht nur mit einem ausladend geschwungenen Treppenlauf zum großen Saal im 1. OG, sondern auch mit einem großformatigen Mosaik aus mundgeblasenem Echt-Antikglas, das sich im Treppenhaus vom EG nach oben erstreckt.

Fast 6 m breit und 9,5 m hoch ist das „Fenster“, das der Nürnberger Glaskünstler Dr. Gottfried Frenzel in den 1950er-Jahren angefertigt hatte. Doch mittlerweile hatte sich der Epoxidharzkleber, mit dem das Echt-Antikglas seinerzeit auf Trägerplatten auflaminiert worden war, verfärbt und ein Großteil der Trägerplatten war gebrochen.

Im Sinne des Denkmalschutzes galt es, diese künstlerische Verglasung zu restaurieren. Doch mit Restaurieren allein war es nicht getan: Was einst eine Außenfassade war, wurde durch die Umgestaltung des Gebäudes zu einer innen liegenden Brandschutzfassade, die künftig die Anforderung F90 erfüllen musste.

Produktive Zusammenarbeit

Es forderte die Expertise vieler Fachleute, das Glasfenster als Teil dieser Fassade als F30-Brandschutzkonstruktion auszubilden: Denkmalamt und Bauaufsichtsbehörde, Architekten und Künstlervertreter suchten den Konsens. Dass der Sohn des Künstlers in das Projekt mit eingebunden werden konnte, war eine glückliche Fügung. Benno Hinkes hat entscheidend dazu beigetragen, eine gemeinsame Linie zu entwickeln für den Umgang mit einem Kunstwerk, das nunmehr zwei Schauseiten hat, wo zuvor nur eine war.

Noch in der Planungsphase war man davon ausgegangen, dass eine Brandschutzverglasung nicht geklebt werden könne. Dank des Engagements der beteiligten Firmen – allen voran die Derix Glasstudios, Taunusstein, die mit der Restaurierung beauftragt waren, aber auch Schott Technical Glass Solutions und nicht zuletzt Schüco Stahlsysteme Jansen – gelang es, eine Zustimmung im Einzelfall zu erwirken, die die denkmalpflegerischen Belange berücksichtigt und die brandschutztechnischen Notwendigkeiten gewährleistet.

Brandschutzfassade mit Antikglas

Von den vielen Versuchen, das 5 000-teilige Glasmosaik von den Trägerscheiben zu lösen, erwies sich schließlich das thermische Verfahren mit behutsamem Erhitzen als erfolgreich. In aufwendiger Handarbeit wurde das Echt-Antikglas Stück für Stück von den Trägerplatten gelöst, gereinigt und auf eine Brandschutzverglasung aus Verbundsicherheitsglas auflaminiert (Pyranova von Schott Technical Glass Solutions). Dabei ging man feldweise vor; die Größe der einzelnen Felder variiert von 85 x 203 bis 109 x 237 cm. Die montagefertig eingeglasten Scheiben wurden anschließend in eine Pfosten-Riegelfassade aus dem Stahlprofilsystem VISS Fire (Schüco Jansen) montiert.

Im EG verbindet eine zweiflügelige, in das Glasmosaik integrierte Drehtüre (Janisol 2 Brandschutztür von Schüco Jansen) das neue Atrium mit dem historischen Saalbau. In den darüber liegenden Bereichen, in denen Brücken als Teil der umlaufenden Flure der Verglasung vorgelagert sind, sorgen LEDs für eine gleichmäßige Ausleuchtung, indem sie die Schatten der Brücken ausblenden.

Von welcher Stelle aus man es auch betrachtet: Das rund 55 m2 große Glasmosaik ist ein Blickfang, dem sich niemand entziehen kann. Dass das Echt-Antikglas im Verbundsicherheitsglas zum Atrium hin angeordnet ist und nicht, wie zuvor, in einem Zweischeiben-Isolierglas „verpackt“, gilt als zusätzlicher Gewinn.


Projekt: Haus der Wirtschaft, Nürnberg

Standort: Hauptmarkt 25/27, 90403 Nürnberg

Bauherr: Industrie- und Handelskammer Nürnberg für Mittelfranken, Nürnberg

Architekten: Behles und Jochimsen, Berlin
www.behlesjochimsen.de

Projektsteuerung: GCA, Nürnberg
Partner LP 6–9: ganzWerk, Nürnberg
Tragwerksplanung: LAP, Nürnberg
Restaurierung „Glasfenster“: Derix Glasstudios, Taunusstein

Montage „Glasfenster“: Derix Glasstudios, Taunusstein, und Georg Diezinger GmbH, Leutershausen


Architekten Behles & Jochimsen: „Ein besonderes Interesse verbinden wir mit komplexen Bauaufgaben in stadträumlich anspruchsvollen Situationen.“


Pyranova Spezialglas ist ein klares Mehrscheiben-Verbundglas, bestehend aus zwei mehrfach geschichteten Komponenten: Glas und einer zwischen den Scheiben eingebetteten transparenten Schutzschicht. Im Brandfall zerspringt die äußere Scheibe. Die Schicht darunter reagiert bei etwa 100°C, schäumt auf und bildet ein opakes Hitzeschild. Diese Reaktion wiederholt sich wieder von der ersten bis zur letzten Schicht.

Das Spezialglas wird als Bestandteil von Brandschutzverglasungen der Feuerwiderstandsklasse EI (F) 15 bis EI (F) 120 bzw. EW 30 bis EW 60 sowie T 30 bis T 90 eingesetzt. So überzeugt die Verglasung nicht nur durch ansprechendes Design, sondern sichert Fluchtwege und Gebäudeteile im Brandfall zuverlässig.


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