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Unspektakulär selbstbewusst

Erweiterung der Hochschule in Bremerhaven
Unspektakulär selbstbewusst

Was muss man als Architekt leisten, wenn man ein Ensemble erweitern soll, bei dem bereits solche Größen wie Oswald Mathias Ungers und Gottfried Böhm ihre Spuren hinterlassen haben und zu dem man selbst ein Gebäude beigetragen hat, das ausgezeichnet wurde? Man muss einen eigenständigen Baukörper entwerfen, der trotzdem nicht in Konkurrenz mit dem Bestand steht. Dies ist Kister Scheithauer Gross (KSG) aus Köln mit dem Haus T an der Hochschule Bremerhaven gelungen.

Dipl. Ing. Marc Nagel

Die Hochschule „An der Karlsburg“ in Bremerhaven muss sich nicht verstecken. Zum einen liegt sie wunderschön direkt am Wasser. Und zum anderen zeichnet sie sich wie so manch andere Hochschule in Deutschland durch das eine oder andere architektonische Highlight aus. Da wäre etwa das Haus K, eine Umnutzung nach Plänen des Kölner Architekten Gottfried Böhm, mit seiner Klinkerfassade oder das nahe Alfred-Wegener-Institut an der Columbusstraße von Oswald Mathias Ungers, das sich vor allem durch seine durch den Schiffsbau inspirierte Form auszeichnet.
Aber auch später entstanden hier markante Bauten. 2005 wurde das Haus S fertig gestellt und 2006 mit dem BDA-Preis Bremen ausgezeichnet. Dieser Baukörper an der Columbusstraße gilt als 5. Bauabschnitt des Hochschulausbaus, der aufgrund der zunehmenden Studentenzahlen bereits Anfang der 2000er-Jahre beschlossen wurde. Die Pläne für die Erweiterung stammen dabei von Kister Scheithauer Gross Architekten und Stadtplaner GmbH, die auch für den 6. Bauabschnitt verantwortlich zeichnen.
Gebäudeform
Dieser 6. Bauabschnitt stellt die vorerst letzte Erweiterung dar. Das Haus T, T steht für Technik, wurde dabei 2009 begonnen und im Herbst 2011 den Nutzern übergeben. Mit diesem Neubau ist es den Architekten aus Köln gelungen, nicht in die Falle zu treten und aufgrund der besonderen Umgebungsbauten und des eigenen, ersten Beitrags zur Ensembleerweiterung nicht ein anbiederndes oder über die Maßen spektakuläres Gebäude zu entwerfen. Stattdessen entstand ein markanter Baukörper, der eigenständig wirkt, selbstbewusst eine eigene Haltung einnimmt und trotzdem gut zum Bestand passt. Dies wurde zunächst durch die Form erreicht. Die Längsansicht zeigt ein dreigeschossiges Gebäude, das an seinem nord-westlichen Ende mittels einer Gebäudestufe in die Viergeschossigkeit wechselt. Zudem ist das Gebäude entlang der Westfassade im unteren Bereich vom Niveau Null bis zum Bodenniveau des ersten Obergeschosses abgekantet und bildet hier einen Überhang. Dieser deutet die Nutzung dieses Bereichs an, da sich darüber ein Hörsaal befindet, dessen Abstufung die Gebäudeform aufnimmt.
Die Einpassung in das Mikro-Ensemble von KSG Architekten, also Haus S und Haus T, und in das Makro-Ensemble, also die gesamte Hochschulbebauung, gelingt aufgrund der Fassadengestaltung. Wie das nahe Böhm-Gebäude Haus K und Haus S verfügt auch Haus T über eine Ziegelfassade. Diese wurde in einem zarten Rosaton ausgeführt und verleiht dem Bau trotz seiner monolithischen Form eine gewisse Eleganz. Die von der Ziegelei Ziegel- und Klinkerwerk Hebrok Natrup-Hagen gelieferten Ziegel im Format 240 x 115 x 52 mit der Farbbezeichnung „caris“ wurden in einer heterogenen Sortierung verwendet, um der Fassade zusätzlich Lebendigkeit zu verleihen. Die Ziegel dienen dabei als massives Verblendmauerwerk, das vor einer Wärmedämmung aus Mineralfasern in einer Stärke von 12 cm und der eigentlichen, tragenden Stahlbetonwand mit 30 cm liegt.
Mehrere Zugänge
Will man ins Innere gelangen, hat man die Wahl. Das Gebäude verfügt über mehrere Zugänge. Der Haupteingang liegt dabei im Süden und führt hier direkt zu den Aufzügen und zum Haupttreppenhaus. Zusätzlich kann das Gebäude durch einen szenographisch spannenden Zugang an der abgekanteten Westfassade betreten werden. Hier gelangt man über eine kleine Treppe direkt zu den Hörsaalbereichen und zum Fluchttreppenhaus. Dieser Eingang ist dabei aufgrund des geklinkerten Vorplatzes, seiner Position unter der Auskragung und wegen der eigentlichen Maueröffnung spannend. So bildet die kleine Zugangstreppe ebenso eine sich zum Eingang hin verjüngende Trichterform wie auch die Aussparung des Eingangs im Mauerwerk. Auch sie leitet optisch wie mit einem Trichter in das Gebäudeinnere. Die neben diesem Eingang befindlichen transparenten Fassadenteile wurde wie alle übrigen transparenten Fassaden- und Fensterelementen von Wohlgemuth Metallbau aus Langwedel-Etelsen ausgeführt, die hier das System Lambda von Hück Hartmann einsetzten. Dies vor allem, da man flexibel auf die unterschiedlichen Wärmedämm- und Gebäudeanforderungen eingehen konnte.
Hat man das Gebäude betreten, so erwartet einen eine technisch-kühle Atmosphäre. Der Sichtbeton in den Erschließungsbereichen wird in den Räumen lediglich durch weiße Putzwände und einen rosa eingefärbten Linoleum-Boden aufgelockert. Der Boden DLW Linoleum Colorette Pur stammt von Armstrong DLW und ist besonders strapazierfähig, unempfindlich gegen Chemikalien und leicht zu reinigen – auch mit schärferen Reinigern.
Highlight Hörsaal
Das eigentliche Highlight im Innern ist aber zweifelsfrei der Hörsaal, der über der Auskragung liegt und der dazu gehörenden Abkantung des Gebäudes durch seine Abstufung die Form vorgibt. Er setzt sich mit seinem grünen Boden, ebenfalls ein Linoleum Colorette Pur von Armstrong DLW, optisch ab und wird dank vieler Glasflächen ausreichend mit Tageslicht versorgt.
Die Studenten können hier auf einer Klapp-Bestuhlung von S+H Sitzsysteme Pfeiffer Sitzmöbel GmbH Platz nehmen. Außerdem sorgt eine Akustikdecke von Knauf dafür, dass auch die akustische Situation passt. Die Decke Cleaneo mit versetzten Rundlöchern reicht dabei mit Standard-Faservlies-Auflage völlig aus, um die Anforderungen an einen Hörsaal zu erfüllen. Neben den Hörsaalbereichen finden die Nutzer der hier beheimateten sechs Institute auf den rund 2 500 m2 noch Seminarräume, Labore, Besprechungszimmer, Büro- und Verwaltungsbereiche sowie die üblichen Nebenräume.
Sehr gelungen
Mit dem zusätzlichen Platzangebot wird die Hochschule Bremerhaven nun den aktuellen Anforderungen an einen modernen und geräumigen Hochschulstandort gerecht. Weiter steigende Studentenzahlen werden dafür sorgen, dass auch der zusätzliche Platz gut gefüllt wird. Dass die Studenten dabei neben den sehenswerten Bauten von Ungers und Böhm auch die Gebäude von KSG Architekten benutzen und betrachten können, wertet den Campus an der Brake-/Unterwesermündung zusätzlich auf. Dies gerade auch, weil es gelungen ist, ein eigenständiges Gebäude zu entwerfen, das weder gegenüber seiner Nachbarbebauung untergeht noch diese zu übertrumpfen sucht.
Prof. Dr. Josef Stockemer, Rektor der Hochschule: „Mit dem Neubau hat das Architekturbüro kister scheithauer gross einen weiteren architektonischen Akzent in der Seestadt gesetzt.“
Architekten: Kister Scheithauer Gross, Architekten und Stadtplaner GmbH, Köln
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