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Betriebskosten engagiert reduziert

Sanierung eines Warenhauses in Mainz
Betriebskosten engagiert reduziert

Inmitten der Mainzer Innenstadt entstand der erste C&A Eco-Store, ein Warenhaus mit CO2-neutraler Energiebilanz. Nach den Plänen von Ehrich + Vogel Architekten wurde ein Konzept umgesetzt, das in der Landschaft der Kaufhausarchitektur nicht alltäglich ist. Und es wurde gezeigt, wie der Umgang mit Bestandsgebäuden aus den 1960er und 1970er Jahren heute aussehen kann.

Marc Nagel

Die Gestaltung von Kaufhäusern hat eine leidvolle Geschichte. Wären nicht die Entwürfe von Egon Eiermann für Hertie oder die jüngeren Beispiele der Modehauskette Peek & Cloppenburg mit ihren Weltstadthäusern von Architekten wie Renzo Piano in Köln, Richard Mayer in Mannheim oder Gottfried Böhm in Berlin, man könnte meinen, es gebe keine guten Aussichten in diesem Bereich der Gewerbebauten.
Doch auch jenseits der großen Namen entstehen neue Handelsbauten oder werden bestehende saniert und umgestaltet, die einen zweiten Blick wert sind. Eines dieser Beispiele steht in der Mainzer Innenstadt. Der Modehaus-Konzern C&A lies als Mieter gemeinsam mit dem Eigentümer, der Redevco Service Deutschland GmbH, ein 40 Jahre altes Modehaus aufwändig sanieren. Dass daraus nicht nur ein Gebäude mit neuer Optik entstand, sondern dass auch auf die Umsetzung moderner Energieeinsparpotenziale gesetzt wurde, zeigt die zukunftsweisende Ausrichtung des Projekts.
Klares Signal in der Innenstadt
Im Dreieck zwischen Seppel-Glückert-Passage, Franziskanerstraße und Betzelsstraße bildet das Gebäude ein großes Volumen, das gegenüber den benachbarten Gebäuden deutlich hervor tritt, da diese meist dreigeschossige, giebelständige Bauten sind. Allerdings reagiert das Warenhaus mit seinen drei oberirdischen Geschossen auf die Umgebungsbebauung und nimmt die Traufhöhen seiner Nachbarn auf. Auch mit der Zweiteilung der Fassade wird auf die Umgebung eingegangen. So sind im Erdgeschoss die Schaufenster angeordnet und öffnen das Gebäude zur Straße hin, während die oberen Bereiche des Hauses wie bei den Nachbarn eher verschlossen sind. Nicht alle Bereiche der oberen Gebäudehülle sind geschlossen ausgeführt. Anders als lange Jahre bei Entwürfen von Warenhäusern üblich, öffnet sich das Gebäude zur Seppel-Glückert-Passage in Form eines großen Schaufensters. Dieses erlaubt Einblicke in das Innere des Gebäudes und dient als zusätzliche Ausstellungsfläche für die Warenpräsentation. In Kombination mit den raumhoch verglasten Bereichen im Erdgeschoss, die als klassische Schaufenster dienen, entsteht so ein beachtlicher Anteil an offenen Fassadenteilen.
Doch auch die geschlossenen Bereiche sind überlegt gestaltet. Die Hauptfassade an der Seppel-Glückert-Passage wird neben dem großen Schaufenster durch eine transluzente Vorhangfassade ergänzt, die je nach Lichtverhältnissen ihr Erscheinungsbild verändert. So reflektiert das Metall des Gewebes Largo Nova der Drahtweberei Haver & Böcker bei Sonnenlicht die Umgebungshelligkeit und trägt außerdem zur Verschattung der dahinter liegenden Glasfassade bei. Auch diffuses Licht hinterlässt einen eigenen Effekt auf der Fassade, wenn sie mit ihrem metallenen Glanz einen Eindruck vermittelt, als wäre sie eine solide Gebäudehülle. Dämmert es und die Beleuchtung im Inneren des Gebäudes wird aktiviert, strahlt das Gebäude durch die Fassade und kommuniziert so mit der Umgebung.
Ergänzt wird die Fassadengestaltung durch einen Wechsel aus Faserzementplatten der Firma Eternit in anthrazitem Farbton und Photovoltaik-Elementen, die die Hülle im Bereich Betzelstraße und Am Kronberger Hof abschließen. Vor allem die Wahl unterschiedlich großer Platten aus Faserzement verleihen dem Gebäude keinen uniformen und langweiligen Auftritt, sondern tragen zur Lebendigkeit der Fassade bei.
Energetisch optimiert
Doch nicht nur in Sachen Gestaltung wollten die Architekten von Ehrich + Vogel sowie die Planer von Fuhrmann + Keuthen ein Zeichen setzen. In enger Absprache mit dem Eigentümer und dem Mieter wurde ein Energiekonzept umgesetzt, das es ermöglicht, in einem Bestandsgebäude aus den 1960er Jahren eine CO2-neutrale Energiebilanz zu erreichen. Vor allem die Fassadendämmung mit Mineralwolle WLG 035 von Isover in einer Dicke von 135 mm und die Isolierglasfenster tragen zu diesem im Warenhausbereich seltenen Umstand bei. So wurden bei den Fenstern Kawneer/Alcoa Fenster des Typs AA 610 HW neutralux advanced eingesetzt und bei den Schaufenstern auf Kawneer/Alcoa Fenster des Typs AA 100 neutralux advanced verwendet. So konnten U-Werte von bis zu 1,8 W/m2K erreicht werden.
Auch beim großen Schaufenster an der Seppel-Glückert-Passage wurde der sonst bei solch großen Glasflächen übliche Wärmeverlust minimiert. Mit dem Pfosten-Riegel-Fassadensystem Therm+ 50 SG2 von Raico lassen sich je nach Glasstärke U-Werte zwischen 1,4 W/m2K und 0,9 W/m2K erreichen, was für solche Flächen ein beeindruckender Wert ist. Laut Architekten und Planern kommt das Gebäude durch diese Maßnahmen auf einen gemittelten U-Wert von 1,4 W/m2K bei den Glasflächen und einen beachtlichen U-Wert von 0,26 W/m2K bei den übrigen Außenfassaden.
Weitere Maßnahmen zur Energieeinsparung
Doch nicht nur beim Energieverlust wurde optimiert. Auch die beiden ebenso wichtigen Punkte wie Energieverbrauch und Energieerzeugung wurden in das Konzept mit eingebracht. So werden fast 90 000 kWh Strom pro Jahr über die 900 m2 große Photovoltaik-Anlage gedeckt. Sie befindet sich teilweise auf dem Dach und teilweise an der Südost- und Südwest-Fassade des Gebäudes. Verwendung fanden hierbei die chinesischen Solarmodule SF 160–24-M175 der Firma Solarfun. Zusätzlich konnte über ein neues Beleuchtungs- und Belüftungskonzept weiter Strom eingespart werden, was zusätzlich zum CO2-neutralen-Betrieb des Gebäudes beiträgt.
Natürlich ist das 40 Jahre alte Warenhaus nicht nur formal und in Sachen Umwelttechnik auf neuestem Stand. Auch die Grundrisse wurden optimiert und bieten dem Mieter C&A auf 6 500 m2 Fläche, ausreichend Platz zur Präsentation des großen Warensortiments. Eine Stahlbetonkonstruktion mit möglichst weit auseinander liegenden Stützen und aussteifenden Deckenscheiben ermöglicht dabei eine freie Einteilung der Verkaufsräume. Erschlossen wird das gesamte Kaufhaus hauptsächlich über eine zentral angeordnete Rolltreppen-Anlage und seitlich liegende Treppenhäuser, die auch als Fluchtwege dienen und durch zusätzliche Fluchttreppenhäuser ergänzt werden. Ebenfalls für den Besucher nicht sichtbar, verfügt das Gebäude über eine ausreichende Anzahl an Sozial- und Nebenräumen sowie Lagerflächen.
Ausgezeichnet
Insgesamt zeigt der erste C&A Eco-Store in Mainz aber nichts Neues in Sachen Konstruktion oder Grundrissplanung. Was aber im Bereich der Kauf- und Warenhäuser noch immer neu ist, das ist das große Engagement bei der Energieplanung des Gebäudes. Es wurden alle für ein Projekt im Bestand möglichen Maßnahmen geprüft und viele davon umgesetzt. Eine CO2-Reduktion um 268 Tonnen pro Jahr und die Auszeichnung mit dem BREEAM-Zertifikat, einem der begehrtesten international anerkannten Zertifikate für umweltschonendes Bauen, sprechen dabei eine überzeugende Sprache. Es wäre zu wünschen, dass mehr Handelsunternehmen in ihren oft in die Jahre gekommenen Häusern in die Energietechnik investieren und so zwei Dinge erreichen: geringere Betriebskosten und einen hohen Beitrag zum Umweltschutz. Denn das Mainzer Beispiel ist der Beweis, das auch im Bestand ein CO2-neutraler Betrieb möglich ist.
Architekt Thorsten Ehrich: „Während der gesamten Realisierungszeit haben wir immer die interdisziplinäre Zusammenarbeit in Form einer funktionierenden Schnittstellenkoordination im Auge behalten, mit dem Ziel, die Innen- und Außenhülle in ein energetisches Gesamtkonzept zusammen zu führen.“
Architekten/Planer: Ehrich + Vogel Architekten, Düsseldorf Fuhrmann + Keuthen, Kleve
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