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Treppengeländer: Entmaterialisierte Funktionalität

Entmaterialisierte Funktionalität
Treppengeländer

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Treppengeländer sowie Geländer an Balkonen oder Brücken sollen ihre absturzsichernde Funktion erfüllen, ohne die Klarheit der architektonischen Formensprache zu beeinträchtigen. Elegante Stabgeländer, Füllungen mit Seilen oder Netzen und Ganzglas-Brüstungen sind Möglichkeiten der optischen Reduzierung.

Markus Hoeft

Von Wänden, Dächern, Fenstern und auch Treppen müssen historische Baumeister im Grundsatz dieselbe Auffassung gehabt haben wie wir heute. Natürlich haben sich die Materialien weiterentwickelt, die Bauphysik wurde raffinierter und das Verständnis von Gebäudeschmuck ist heute ein anderes, aber es bereitet uns auch in älteren oder sogar sehr alten Bauwerken in der Regel keine Mühe, die damaligen architektonischen Intentionen gedanklich mit unseren heutigen Erwartungen abzugleichen.
Einen radikalen Bedeutungswandel hat hingegen das Treppengeländer erlebt. Was im ersten Moment überraschend klingen mag, wenn man voraussetzt, dass die vornehmste Funktion eines Geländers die Sicherheit gegen Absturz an einem Höhenversatz ist. Das haben Geländer schon immer geleistet, stellt also kaum einen besonderen Wandel dar. Aber es ist sehr fraglich, ob frühere Architekten und Baumeister dies allein als ausreichenden Daseinsgrund für ihre Geländer akzeptiert hätten.
Vorgänger des Geländers
So kannten sie zum Beispiel als einen der Vorfahren des Bauteils die Brustwehr, bei der es auf Burgen oder Stadtmauern eher um militärische denn um Absturzsicherheit ging. Aus der Brustwehr ging sprachlich die Brüstung hervor, was sich auch nicht änderte, als deren Höhe allmählich von der Brust bis etwa zur Hüfte reduziert wurde.
Ein anderer Vorgänger des Geländers ist die Balustrade, bei der steinerne Baluster, also Säulen bzw. Docken, die Absperrung bilden. Betrachtet man Balkone oder Terrassen aus dem Barock, dann scheint deren Absturzsicherung oft nur noch als eine Nebenfunktion, während es in der Hauptsache um eine markante und üppig geschmückte Ausbildung der Gebäudekanten geht. Diese Idee, die die Absperrung an der Kante als Teil der Gebäudegestaltung und nicht nur als funktionales Zubehör versteht, prägte dann auch zunächst den Übergang zum Geländer im engeren Wortsinn. Guss- und schmiedeeiserne Konstruktionen sollten ganz bewusst die Blicke auf sich ziehen, Emporen und Ränge im Theaterbau konnten gar nicht opulent genug ausfallen und im Brückenbau dienten Geländer als auffällige und repräsentative Fassungen des Verkehrsweges.
Vor diesem Hintergrund erscheint es legitim, von einem Bedeutungswandel zu sprechen, weil die moderne Architektur statt einer Betonung des Geländers eher auf dessen optische Reduzierung setzt. Es ist nicht mehr selbstverständlich Teil des Gebäudes, sondern ein funktional erforderliches Zubehör, das sich in einer zurückhaltenden technischen Formensprache dem Gesamteindruck unterordnen soll. Es wird eine minimale, leicht wirkende Erscheinung angestrebt, die Durchblicke gestattet und den Lichteinfall nicht behindert. Das Treppengeländer selbst wird scheinbar entmaterialisiert und zeigt damit gewisse Parallelen zum Fassadenbau oder auch zur modernen Tragwerksplanung.
Bei aller Reduktion sollte jedoch nicht vergessen werden, das Geländer nicht nur objektiv gegen Absturz sichern sollen, sondern auch subjektiv den Menschen das Gefühl von Sicherheit vor der Tiefe vermitteln müssen. Das „unsichtbare“ Geländer – wenn man es denn bauen könnte – wäre zwar der Höhepunkt der Entmaterialisierung, der aber für unser gefühlte Sicherheit eher nicht wünschenswert ist.
Geländer schon ab 1 m Absturzhöhe
Treppengeländer sind universale Bauteile, die sowohl außen als auch innen bei Treppen, Terrassen, Balkonen oder Loggien sowie bei Emporen oder Rängen in Veranstaltungshäusern und schließlich bei Brücken, Stegen oder ähnlichen Hochwegen eingesetzt werden. Bei aller unterschiedlichen Bauart ist ihnen stets die Sicherung gegen Absturz gemeinsam, für deren Regelung vor allem die Landesbauordnungen maßgeblich sind. Und das schon bei sehr geringen Niveauunterschieden: Bereits bei 1 m Höhendifferenz sind Flächen, die zum Begehen bestimmt sind, so zu umwehren, dass Personen nicht abstürzen können – in Bayern gilt dies sogar bereits ab 0,50 m. Als Umwehrungshöhe werden in der Regel 90 cm bei Absturzhöhen bis 12 m und darüber 1,10 m festgelegt.
Die LBO-Angaben gelten für Wohnungen, bei anderen Gebäudearten können Sonderbauverordnungen abweichende Höhen bestimmen. Sehr differenzierte Höhenbestimmungen sind außerdem bei Kindergärten, Schulen und Sportstätten zu beachten.
Geländer bestehen im klassischen Aufbau aus tragenden Pfosten und der Ausfachung der Flächen zwischen den Pfosten, die Geländerfüllung genannt wird. Ein Handlauf ist nicht zwingend Teil eines jeden Geländers, wird jedoch für Treppen ab drei Stufen verlangt. Aber auch bei waagerecht verlaufenden Brüstungs- oder Brückengeländern sollte geprüft werden, ob ein Handlauf als oberer Abschluss den Benutzungskomfort beim Anlehnen steigert.
Die Füllung ist wesentlicher Teil des Ab- und Durchsturzschutzes eines Geländers. Allein unter dem Aspekt der Sicherheit bieten sich vor allem plattenförmige Materialien an, die sich konstruktiv sehr einfach an den Pfosten verschrauben lassen. Gerade diese Ausführung verleiht dem Geländer jedoch auch eine starke, architektonisch meist etwas voluminöse optische Erscheinung. Die flächige Wirkung kann aufgelöst werden, wenn statt durchgehender Platten einzelne Stäbe als Füllung verwendet werden (Stabgeländer). Im Sinne einer eleganten Leichtigkeit wird man so wenig Stäbe wie möglich anstreben, gleichzeitig steigt mit ihrem Abstand aber natürlich die Gefahr des Durchsturzes oder doch zumindest des Durchrutschens einzelner Körperteile. Zugleich wächst das Risiko, dass Gegenstände durch das Geländer hindurchfallen.
Einige Landesbauordnungen begrenzen deshalb die Abstände innerhalb der Ausfachung auf maximal 12 cm. Für Treppen enthält außerdem DIN 18065 Gebäudetreppen Maße für die zulässigen Abstände und Öffnungen innerhalb des Geländers.
Dort, wo die Regelwerke keine Vorgaben machen, muss der Planer verantwortungsbewusst zwischen der erforderlichen Sicherheit und der architektonischen Reduzierung abwägen. Das gilt auch für so genannte Relinggeländer mit waagerechten statt der üblichen senkrechten Füllstäbe. Sie erleichtern das Hinüberklettern durch ihren sogenannten Leitereffekt, der immer vermieden werden sollte, wenn regelmäßig mit der Anwesenheit von Kindern zu rechnen ist.
Alternativen zur vollflächigen Füllung
Anders als die historische Balustrade steht das moderne Treppengeländer in einem Spannungsfeld zwischen optisch möglichst weitgehender Reduzierung bei gleichzeitiger Erhaltung der absturzsichernden Wirkung. Etwas überspitzt formuliert: Das Geländer muss funktionieren, darf sich aber gestalterisch mit seiner Funktion nicht aufdrängen.
Dies kann auf zwei Wegen gelingen: Entweder indem das Geländer – und ganz speziell die Geländerfüllung – in der optischen Erscheinung zurückgenommen, also entmaterialisiert wird. Oder indem gerade umgekehrt, das Geländer bewusst als gestalterisches Element aufgefasst und zusammen mit zum Beispiel der Treppe in hoher architektonischer Markanz ausgebildet wird. Im günstigsten Fall wirkt dann die Treppe, Brüstung oder Brücke als geschlossenes architektonisches Ensemble, in dem das Geländer ein selbstverständliches und genau darum kaum noch wahrgenommenes Funktionsteil bildet.
Bei der optischen Reduzierung durch Entmaterialisierung sind Stabgeländer eine einfache und in ihrer Gestaltungsvielfalt kaum zu übertreffende Variante. Die Stäbe können mit sehr geringen Durchmessern, in individuellen Formen und Anordnungen sowie gerade bei Edelstählen mit sehr spannenden Oberflächen genau für die jeweilige Objektumgebung geplant werden.
Noch einen Schritt weiter gehen stählerne Architekturseile oder -netze als Geländerfüllung, zum Beispiel von Carl Stahl oder Jakob Rope Systems. Sie wirken mit ihren gegenüber Stäben noch einmal reduzierten Durchmesser und der möglichen filigranen Anordnung besonders leicht. Bei Netzen kann zudem mit verschiedenen Maschenweiten sehr genau auf die Sicherheitsanforderungen reagiert werden, etwa hinsichtlich des Hindurchfallens von Gegenständen oder beim Suizidschutz.
Eine ganz andere Auffassung der Entmaterialisierung zeigt Glas als Werkstoff für die Geländerfüllung. Glasspezialisten wie Joh. Sprinz bieten dafür Systeme mit punktgehaltenen oder eingespannten Brüstungen aus Sicherheitsglas. Damit sind vollflächige Geländerfüllungen oder sogar Geländer ohne Pfosten, wahlweise mit oder ohne oberen Handlauf, möglich. Die größte optische Reduktion stellt sicherlich Klarglas dar. Mit modernen Methoden der Oberflächenveredelung lassen sich die Verglasungen aber auch sichtbar gestalten, was in bestimmten Situationen das Sicherheitsempfinden der Nutzer erhöhen kann.
Markante Gestaltung
Neben den genannten, auf bestimmte Materialien oder Systeme spezialisierten Firmen bieten auch Treppenhersteller wie Treppenmeister, Spitzbart oder Fuchs-Treppen elegante Geländerlösungen mit teilweise hoher optischer Reduzierung an. Etwas aufwändiger als die Entmaterialisierung des Geländers wird in vielen Fällen der oben angedeutete zweite Weg sein: Die markante optische Gestaltung im Kontext mit dem Hauptbauteil erfordert einen individuellen Entwurf, der dann in Einzelanfertigung mit kompetenten Partnern in Industrie und Handwerk umgesetzt werden muss. Das Ergebnis kann aber den Aufwand wert sein, etwa wenn eine frei im Raum stehende Treppe und ihr Treppengeländer zu einer Gesamtskulptur verschmelzen, wenn kombinierte Holz-Metall-Geländer der Treppe eine eigenständige Silhouette geben oder wenn der Absturzschutz gar nicht mehr als klassisches Geländer, sondern als geschosshohe Bekleidung im Treppenauge organisiert wird.
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