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Solitäre im Ensemble

Modernisierung eines Studentenwohnheims in Dresden
Solitäre im Ensemble

Mit einer räumlich wirkenden Fassade und einem ausdrucksstarkem Farbkonzept wurde das Studentenwohnheim Wundtstraße in Dresden modernisiert. Das spannungsvolle Hochhaus ist Teil einer ursprünglich baugleichen Gruppe, deren Gebäude verschiedene Architekturbüros jeweils eigenständig umgestaltet haben.

Markus Hoeft

Schon für sich allein genommen bietet die neue Fassade an der Wundtstraße 7 ausreichend Anlass, sich in einer Architekturzeitschrift mit ihr zu beschäftigen. Die ganze Komplexität ihrer Aussage erschließt sich jedoch erst durch die städtebauliche Planungsgeschichte des Standorts.
1969 bis 1971 errichtete die DDR hier in einer von niedriger und stark durchgrünter Bebauung geprägten Umgebung sechs eng beieinander stehende, jeweils 15-geschossige Hochhäuser. Je nach Sichtweise konnten die ca. 46 m hohen Studentenwohnheime als etwas deplatzierte Fremdkörper oder als gewollte Landmarke und Blickfang in dieser Stadtlage interpretiert werden. Ebenso zwiespältig fällt die Beurteilung der damaligen Fassaden aus, die den Charakter der Serienfertigung von Plattenbauten betonten und wenig gestaltet sowie überhaupt nicht individualisiert waren. Immerhin fasste jedoch die gelb-weiße Keramik der Fassaden die Hochhäuser zu einem erkennbaren Ensemble zusammen.
Bei aller Widersprüchlichkeit der Architektur stellten die insgesamt rund 1 300 Wohnheimplätze wegen der Nähe zur Universität und zur Innenstadt einen erheblichen und gut nachgefragten Wert dar, weshalb das Studentenwerk Dresden als jetziger Besitzer und Bauherr ab dem Jahr 2000 eine umfassende Modernisierung aller Häuser plante. Eine Möglichkeit dabei wäre gewesen, die Gebäudegruppe als Einheit zu betrachten und den Umbau von nur einem Planungsbüro mit einer in sich geschlossenen gestalterischen Idee ausführen zu lassen. Der Bauherr entschied sich jedoch anders: Jedes Hochhaus wurde an ein anderes Büro vergeben und in jeweils eigenständiger Formensprache und Materialität umgebaut.
Dadurch wird der ursprüngliche serielle und monotone Charakter der Plattenbauten weitgehend gebrochen. Allerdings entfällt gleichzeitig die leicht erkennbare übergeordnete ideelle Klammer der Gebäude. Statt der etwas strengen Ordnung einer homogenen Gruppe wollte das Studentenwerk nach eigenen Angaben „ein frisches, jugendliches städtebauliches Ensemble (mit) dem Charakter einer Studentensiedlung“ schaffen. Die Fassaden sollen „durch eine heitere, unterschiedliche Farbigkeit widerspiegeln, dass die Gebäude Wohnstatt für junge Menschen verschiedener Art, Herkunft und Auffassung sind“.
Reale und virtuelle Räumlichkeit
Aus Kostengründen musste die Umsetzung der Planungen zeitlich gestreckt werden. Dadurch fand die Architektengemeinschaft Zimmermann, Dresden, bei Planungsbeginn für das Gebäude Wundtstraße 7 vier unterschiedliche, bereits fertige Umbauten vor, zu denen das eigene Projekt in Beziehung gesetzt werden musste.
Dazu die projektverantwortliche Architektin Ulrike Penzl: „Aus der Ferne wirkt unsere Fassadenlösung eher neutral und fügt sich mit seiner silbrig-grauen Farbe zurückhaltend in die Gesamtgestaltung ein. Mit zunehmender Annäherung erlebt der Betrachter das Gebäude jedoch immer detailreicher und markanter – immer wieder neu und anders.“
Erreicht wird dies durch die stark plastische Lochfassade, die unter Beibehaltung der bisherigen Fenstergrößen und –positionen aus im Schachbrettmuster verlegten Aluminiumpaneelen in zwei Farbtönen entstand. Die strukturelle Wirkung von Licht und Schatten wird einerseits durch die Betonung der teilweise angeschrägten Laibungen und andererseits durch einen starken Tiefenversatz zwischen Bekleidung und Fenstern unterstrichen. Die Aluminiumpaneele Alucobond A2 wurden dafür mit der Systea-Unterkonstruktion ALWI von Pohl bis zu 30 cm vor die Außenwand gesetzt. Kunststofffenster mit Aluminiumdeckschale , Solion von Internorm, greifen die metallische Formensprache auf, ohne den Kostenrahmen zu sprengen.
Verstärkt wird die reale Plastizität der Fassade durch die Anordnung der beiden Grautöne und die diagonale Fuge unter den Fenstern, die eine zusätzliche, jedoch scheinbare Raumwirkung entstehen lassen. Tatsächlich befindet sich die Bekleidung außerhalb der Laibungen in einer Ebene. Die Gliederung des Baukörpers ist mit stark farbigen Glas- und Metallelementen in der Gebäudefuge auf der Ost- und Westseite hervorgehoben. Am nördlichen Treppenhausturm nimmt Streckmetall (Rau Streckgitter) auf rotem Aluminium den Farb- und Materialkanon der Lochfassade auf, stellt aber die eigenständige Funktion dieses Bauteils gegenüber den Wohnbereichen eindeutig heraus.
Innenräume mit Botschaft
Die in der Fassade umgesetzte Farbwahl setzt sich über das als Kontrapunkt gestaltete neue Eingangsbauwerk bis ins Innere des Gebäudes fort. Das Linoleum des Fußbodens (Marmorette von Armstrong), aber auch verschiedene Wandbereiche in den Fluren und Küchen greifen mit freundlich-warmen Tönen das äußere Rot wieder auf. Die metallischen Oberflächen der Türen und ihrer Umrandungen zitieren die Silbertöne.
Bei der Einrichtung konnte die Architektengemeinschaft Zimmermann auf viele Erfahrungen bei der Innengestaltung von Studentenwohnheimen in Dresden zurückgreifen. Zu berücksichtigen waren einerseits das begrenzte Budget sowie die Wünsche des Bauherrn nach strapazierfähigen und nachhaltigen Lösungen. Andererseits sollte eine hochwertige studentengerechte Wohnatmosphäre entstehen, die Raum für individuelle Einrichtungswünsche der Bewohner lässt.
„Die Einrichtung soll ein klar strukturiertes, offenes Angebot sein, gleichzeitig aber auch ein erzieherische Wirkung haben“, so noch einmal Ulrike Penzl. „Für viele Studenten ist das Wohnheim schließlich der erste Ort, den sie eigenverantwortlich und unabhängig von den Eltern bewohnen. Etwas salopp gesagt lautet unsere Botschaft dafür: Müllt euch nicht zu! Gestaltet mit Überlegung und Geschmack! Und wie wir aus Rückkopplungen von früheren Projekten wissen, wird diese Botschaft auch angenommen.“
Architekt Norbert Zimmermann: „… Jedes der beteiligten Architekturbüros ist von einer anderen funktionellen und gestalterischen Konzeption bei der Sanierung und dem Umbau der Gebäude ausgegangen, einig aber in der Zielstellung, den einzelnen Gebäuden ein individuelles Aussehen zu geben und damit die monotone Erscheinung des Wohnkomplexes aufzuheben.“
Planung: Bestand Architekten: Gunnar Hartmann, Horst Burggraf, Peter Schramm, Dresden Modernisierung Entwurf, Projekt und Innenraumgestaltung: Architektengemeinschaft Zimmermann, Dresden Projektverantwortliche: Dipl.-Ing. Ulrike Penzel
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