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Ohne Schattenspiele

Spachteloberflächen
Ohne Schattenspiele

Mit zeitgemäßen Spachteltechniken lassen sich auf Wänden oder Decken des Trockenbaus sehr glatte Oberflächen herstellen. Dafür muss der Planer die geforderte Oberflächenqualität eindeutig vorgeben und gleichzeitig die Randbedingungen planen, damit der Handwerker tatsächlich eine einwandfrei gespachtelte Oberfläche abliefern kann.

Markus Hoeft

Wo viel Licht ist, ist auch viel Schatten. Dieses meist im übertragenen Sinne benutzte Sprichwort bekommt für Architekten eine überraschend aktuelle Bedeutung, wenn man es wortwörtlich versteht: Weil die moderne Architektur einerseits von großzügigen Fensterfronten und andererseits von immer raffinierteren elektrischen Lichtinszenierungen geprägt ist, können heutige Räume zu jeder Tages- oder Nachtzeit und praktisch bei jeder Witterung sehr gut ausgeleuchtet werden. Dieses reichliche Licht erzeugt – siehe oben – ebenso viel Schatten.
Was nicht weiter stören muss, ja im Sinne des Raumerlebnisses sogar gewollt sein kann, wenn der Schatten in erwarteten Bereichen auftritt, etwa auf der lichtabgewandten Seite von Möbeln und anderen Einrichtungsgegenständen. Schatten ist nicht per se schlecht. Er irritiert jedoch immer dann, wenn er ohne erkennbaren Grund, sozusagen an der „falschen“ Stelle auftritt. Zum Beispiel auf Wänden, mit denen wir die Vorstellung einer ebenen Oberfläche ohne Schattenwürfe verbinden.
Gerade in lichtdurchfluteter Architektur gewinnen darum besonders glatte Wandoberflächen, die auch bei wechselnden Lichtszenarien und speziell bei Streiflicht ohne sichtbare Abzeichnungen bleiben, zunehmend an Bedeutung.
Das gilt zunächst einmal für Wände aller Art, spielt aber bei Trockenbauwänden aus Gipsplatten ein besondere Rolle. Denn systembedingt treffen hier die von Hause aus ebenen industriellen Plattenflächen und die handwerklich gespachtelten Fugen zusammen. Die Oberfläche ist also – im Unterschied etwa zu einer verputzten Massivwand – nicht homogen. Angesichts der gestiegenen ästhetischen Ansprüche soll diese Inhomogenität jedoch weder im gehobenen Wohnungsbau noch im anspruchsvollen gewerblichen Bauen zu sehen sein. Denn das Ambiente beispielsweise in Verkaufs- oder Hotelräumen wird heute oft aufwändig im Sinne einer Makellosigkeit inszeniert, die nicht durch sichtbare Wellen in der Wand oder irritierende Schatten gestört werden darf.
Der Weg dahin führt über das Verspachteln der Fugen und ggf. auch der Plattenoberflächen. Vorweggenommen sei hier jedoch ein Zitat aus dem einschlägigen Merkblatt erwähnt:
„Spachtelflächen, die auch bei Einwirkung von Streiflicht absolut eben und schattenfrei erscheinen, sind nicht ausführbar.“
Denn die Rede ist schließlich immer noch von Wänden – also Teilen des robusten Baugewerbes – und nicht von Uhrmacherei oder anderer Feinmechanik. Mit dem heutigen Stand der Spachteltechnik kann man aber sehr gute Annäherungen an die absolut glatte Oberfläche erreichen, wofür der Planer allerdings einen gewissen Aufwand und der Bauherr zusätzliche Kosten akzeptieren müssen.
Qualitätsstufen nach Merkblatt
Dreh- und Angelpunkt der Ansichtsqualität von Wänden und Decken im Trockenbau ist das Merkblatt Nr. 2 der Industriegruppe Gipsplatten im Bundesverband der deutschen Gipsindustrie e.V.: Verspachtelung von Gipsplatten – Oberflächengüten, derzeit aktuell in der Fassung vom Dezember 2007, neu aufgelegt 2011. Das Merkblatt, aus dem auch das oben schon vorweggenommene Zitat stammt, gilt im engeren Sinn nur für Gipskartonplatten, kann aber in vielen Aspekten sinngemäß auf Gipsfaserplatten und zementgebundene Platten übertragen werden. Das Regelwerk löst das Problem, dass sich die Güte von Oberflächen nur schwer und kaum ohne Missverständnisse in kurzen Worten beschreiben lässt. Völlig unzureichend sind in jedem Fall nicht definierte und/oder subjektive Begriffe wie „glatt“, „malerfertig“ oder „tapezierfähig“, unter denen sich jeder Beteiligte etwas anderes vorstellen kann.
Das Merkblatt definiert stattdessen vier Qualitätsstufen Q1 bis Q4, die für eine eindeutige Benennung der vom Planer erwarteten Güte verwendet werden können. Die einfachste Ausführung Q1 betrifft Oberflächen ohne Ansprüche an die Optik. Die Standardverspachtelung ist Q2, die automatisch immer dann als vereinbart gilt, wenn das Leistungsverzeichnis keine Aussagen zur Oberfläche macht, was eigentlich nicht vorkommen sollte.
Die Q2-Leistungen beinhalten stufenlose Übergänge an Fugen, Befestigungsmitteln, Ecken und Anschlüssen – die Plattenflächen bleiben hier unbehandelt. Genau dies ist aber der Knackpunkt für höherwertige Oberflächen bei anspruchsvollen Raumgestaltungen. Denn das Spachtelmaterial in den Fugen und an den Befestigungspunkten weist in der Regel einen andere Materialstruktur und eine andere Saugfähigkeit als die ungestörte Plattenoberfläche auf. Durch feine, dünne Tapeten oder nur schwach füllende bzw. deckende Anstriche können sich diese Unterschiede abzeichnen, auch wenn der Handwerker korrekt gearbeitet und im Sinne der Q2-Anforderungen stufenlos gespachtelt hat.
Die Entscheidung für eine höherwertige Oberfläche nach Q3 oder Q4 ist insofern immer im Kontext mit der vorgesehenen Wandbeschichtung zu treffen, wofür das Merkblatt Hinweise gibt. Ebenso übrigens für die Ebenheit der Ständerwand, denn eine aufwändige Verspachtelung erfüllt natürlich nur auf einer ebenen Grundlage ihren Zweck.
Für die Qualitätsstufe Q3 sollten und für Q4 müssen deshalb erhöhte Ebenheitstoleranzen nach DIN 18202 ausgeschrieben werden, was der Planer bereits für das Stellen der Wände bzw. das Montieren der Decke vorzugeben hat.
Kantenform und „Spachtelbuckel“
Auch wenn dieser Artikel das Spachteln von Trockenbauoberflächen primär unter optisch-ästhetischen Aspekten betrachtet, sei daran erinnert, dass das Spachteln der Fugen der obersten oder einzigen Plattenlage ebenso konstruktive Gründe hat: Der Fugenspachtel verbindet die Platten und steift die Plattenlage aus. Falls für das konkrete Bauteil gefordert, stellt er außerdem die Luftdichtheit der Bekleidungsebene sicher und sorgt damit auch für einen besseren Schallschutz.
Für die Plattenstöße und Befestigungsmittel von Gipskartonplatten werden vor allem materialgleiche, also gipsbasierte Füll-, Fein- und Fugenspachtel nach DIN EN 13963 verwendet. Bei besonderen mechanischen Beanspruchungen kann der Plattenübergang mit einem Fugendeckstreifen verstärkt werden. Dies gilt in den meisten Systemen für einlagige Beplankungen, für Platten mit abgeflachten (AK) oder scharfen Kanten (VK, SK), für gemischte Kanten sowie im Bereich von Türen. Der Fugendeckstreifen muss überspachtelt werden, was bei allen Kantenformen ohne Abflachung zu einem gewissen „Spachtelbuckel“ führt, der sich später abzeichnet.
Bei hohen Ansprüchen an die Oberfläche sollte der Planer deshalb halbrunde abgeflachte Kanten (HRAK, mit oder ohne Fugendeckstreifen) oder abgeflachte Kanten (AK, mit Fugendeckstreifen) vorgeben, weil die Fugenspachtelung dann ohne Buckel „in der Versenkung verschwindet“.
Die meisten Platten haben allerdings nur zwei abgeflachte Kanten, so dass waagerechte Stöße nicht versenkt werden können. Lassen sich Querfugen nicht vermeiden, kann ggf. die spezielle Ausschreibung von Platten mit vier abgeflachten Kanten sinnvoll sein.
In jedem Fall muss die Planung und später auch die Bauleitung darauf achten, dass innerhalb des Systems aus Plattenkante, eventuellem Fugenstreifen sowie Fugenspachtel alle Komponenten aufeinander abgestimmt und für die jeweilige Einsatzart geeignet sind.
Eine Frage der Kommunikation
Versenkte Fugenspachtelungen verbessern die Ebenheit, lösen aber noch nicht das Problem der unterschiedlichen Materialstruktur und Saugfähigkeit zwischen Spachtel und Platte. Dies gelingt erst in der Qualitätsstufe Q3, die über Q2 hinaus ein breiteres Ausspachteln der Fugen und ein scharfes Abziehen der restlichen Kartonoberfläche zum Porenverschluss beinhaltet. Hier wird also noch kein Material in einer bestimmten Dicke aufgebracht. Die Angleichung des Saugverhaltens verhindert aber sichtbare Strukturunterschiede im späteren Farbauftrag, durch die sich sonst die Fugen mit leicht anderer Farbe abzeichnen können. Perspektivisch könnten Spachtelmassen an Bedeutung gewinnen, die in Farbe und Saugfähigkeit an die Plattenoberfläche angepasst sind, ein Weg, den beispielsweise Knauf bereits beschritten hat.
Ein vollflächiger Überzug > 1 mm ist erst Bestandteil der Leistungen nach Q4. Geeignet sind vom Hersteller ausdrücklich dafür vorgesehene feinkörnige Spachtelmaterialien aus Gipsbasis oder aber lufttrocknende Dispersionsspachtel. In beiden Systemwelten gibt es neben den händisch zu applizierenden Materialien auch spritzbare Produkte, die speziell auf großen Flächen rationell einzusetzen sind. Die Entscheidung zwischen Hand und Maschine kann man aber wohl getrost dem Fachhandwerker überlassen, wichtiger ist die eindeutige Verständigung über Aufwand, Ergebnis und Arbeitsbedingungen bei den Spachtelarbeiten.
So sollte die Bauleitung für ausreichende Lichtverhältnisse auf den Oberflächen sorgen und im Idealfall die Beleuchtungsweise nachempfinden, die auch später während der Nutzung vorhanden sein wird. Einigkeit sollte hergestellt werden, ob ein oder mehrere Spachtelschichten aufgetragen werden, dass bei mehreren Schichten auch die zugehörigen Trocknungszeiten gewährt werden sowie ob die Flächen abschließend zu schleifen sind. Ein leichtes abschließendes Schleifen ist sicher sinnvoll, wird aber vom Merkblatt nicht ausdrücklich und automatisch vorausgesetzt. Und schließlich muss der Planer prüfen, ob die spätere Schlussbeschichtung weitere vorbereitende Maßnahmen erfordert. Meist dürfte mindestens eine Grundierung der getrockneten Spachteloberfläche notwendig sein, die das Leistungsverzeichnis eindeutig entweder dem Gewerk Trockenbau oder (wohl besser) dem Malergewerk zuordnen muss.
Die Aufzählung der zu beachtenden Punkte zeigt, dass hochwertige Spachteloberflächen nicht allein von eindeutiger Planung und fachgerechter Ausführung abhängen, sondern auch eine Frage der guten Kommunikation zwischen Planer, Bauleiter und Fachbetrieb sind. Fugenabzeichnungen im Trockenbau lassen sich dann in partnerschaftlicher Zusammenarbeit weitgehend minimieren, sind aber durch die Grenzen einer handwerklichen Ausführung vor Ort speziell bei Streiflicht nie absolut auszuschließen.
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