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Lehrstück für Umbau

Umbau eines denkmalgeschützten Hauses in der Schweiz
Lehrstück für Umbau

Ein Haus von 1570 wurde innerhalb des Schweizer Freilichtmuseums Ballenberg für heutige Bedürfnisse umgebaut. Mit einer Haus-in-Haus-Konstruktion blieb die denkmalgeschützte Substanz unverletzt. Vorteilhaft dabei waren neue, leichte und leicht zu montierende Deckenelemente aus Holz.

Auf dem Ballenberg ist die Schweiz, wie sie einmal war. Mehr als 100 originale, jahrhundertealte Gebäude aus allen Landesteilen, 250 einheimische Bauernhoftiere, ursprüngliche Gärten und Felder sowie traditionelles Handwerk und Spezialveranstaltungen machen die Vergangenheit zum Erlebnis. Freilichtmuseen mit ihren Häusern und Anlagen vergangener Zeiten bedeuten mit ihrem speziellen Geruch, niedrigen Decken, offenen Feuerstellen in der Küche und Plumpsklo im Stall für die einen romantisch-heimelige Idylle, für andere unvorstellbare Steinzeit.

Das Freilichtmuseum Ballenberg zeigt, wie man ein altes Haus ohne wesentliche Eingriffe in die Originalsubstanz zeitgemäß bewohnbar machen kann. Ein Haus in Matten bei Bern (von cirka 1570) wurde beispielhaft für heutige Wohnbedürfnisse umgebaut. Dabei bewegt sich der Ballenberg im Spannungsfeld zwischen Tradition (originale Bausubstanz) und Innovation (heutige Anforderungen an den Wohnkomfort). Altes Handwerk, Baumaterialien und Formensprache stellen sich der Auseinandersetzung mit neuer Technologie und veränderten Anforderungen an die Wohnqualität.
Ein Haus auf Reisen
Begonnen hat die Geschichte des Hauses im 16. Jahrhundert. Ein wohlhabender Bauer und Viehhändler stellte in Matten bei Interlaken sein Haus auf und daneben den Stall. Mit Hilfe eines Zimmermanns und einem Nachbarbauern, wie es so Sitte war, entstanden eine große und eine kleine Kammer im Erdgeschoss des Vorderhauses sowie dasselbe im Obergeschoss. Im kleineren Hinterhaus neben einer Vorratskammer kam die geräumige, bis unters Dach offene Rauchküche mit drei Feuerstellen unter; sie hatte drei Ausgänge und einen Aufgang über eine Leiter ins Obergeschoss zu den Schlafkammern ebenso wie zu den im Rauch hängenden Würsten. Ein gestrickter Blockbau mit Schindeldach hält das Haus zusammen.
Trotz aller Erneuerungen, An- und Umbauten wollte ab 1956 niemand mehr hier wohnen: Zu kalt, eng und dunkel. Und so machte sich das Haus 1977 auf die Reise auf den Ballenberg, wo es jetzt 30 Jahre lang vorführte, wie noch Großeltern von uns wohnten. Mittlerweile macht das Haus Matten eine neue Karriere.
Zielsetzung
Das Umbau-Projekt musste die Vorgaben der Denkmalpflege vollumfänglich erfüllen. Obwohl es weiter ein Museumsobjekt bleibt, sollte das Haus bewohnbar sein. Die dem Architekten vorgegebene Musterfamilie besteht aus einem Ehepaar mit zwei schulpflichtigen Kindern.
Die Gestaltung sowohl des Gebäudes wie auch der Innenausstattung sollte hohe Qualität aufweisen, aber nicht abgehoben und elitär sein. In Bezug auf Ökologie, Energie und Technologie waren notwendige Eingriffe beispielhaft dem neuesten Stand anzupassen. Das Gebäude verbleibt in dieser neuen Form im Museum als Anschauungsobjekt für Denkmalpflege, Architekten, Handwerkern, Baubehörden sowie Besitzer alter Häuser.
Der Umbau forderte Planer wie Handwerker. Doch nach einem Jahr Planungs- und Bauzeit funktionierte alles: Das Denkmal ist hergerichtet mit fließendem Kalt- und Warmwasser in Badezimmer, Küche und der Dusche im Keller. Es ist angeschlossen an die Kanalisation, Strom kommt aus der Steckdose, in der Küche laufen alle Geräte und das Zusammenspiel von Dämmung und Heizung klappt.
Haus im Haus
Ein hölzerner Blockbau im Innern ist der Schlüssel zum pfleglichen Umgang mit Struktur und Ausstattung. Ein Haus im Haus entstand; 10 cm dicke Tannenbalken wurden im Innenraum aufeinander geschichtet und an den Ecken verstrickt. Der neue Block steht nicht durchgehend im Raum, sondern wechselt an einspringenden Wandteilen mit dem alten Blockbau. So entstehen Nischen für Gestelle und Sitzbänke, Altes wird mit Neuem verbunden.
Der Blockbau hat einen großen Vorteil: Er braucht keine Latten und Bohrstellen für Täfer (Holzverkleidung), die alte Substanz bleibt unverletzt. Auch die Decken ruhen überall auf neuen, ins Haus hineingestellten Wänden. Hier kommt der Pluspunkt von Lignatur im Sanierungsbereich zum Tragen: Das geringe Eigengewicht der Elemente erleichtert die Montage von Hand und schont die Originalsubstanz.
Der Doppelblock birgt aber bauphysikalisch auch eine Herausforderung – wohin mit dem Kondenswasser zwischen der Konstruktion? Der in den alten Block gestellte neue Block ermöglicht Platz für eine gute Dämmung. In den Raum zwischen alt und neu wurden Zellulose- und Holzfasern geblasen, zusätzlich von innen wind- und von außen wasserdicht gemacht, während auf Sperren und Anstriche verzichtet wurde.
Die im Dach eingesetzten Lignatur-Schalen- und Kastenelemente sind ebenfalls mit Holzfaserdämmung gefüllt, so dass die Gebäudehülle sogar Minergiestandard erreicht. Zum einen wurden Kastenelemente LKE 240 verbaut mit einer Breite von 200 mm und einer Höhe von 240 mm. Sie haben Sichtqualität und 180 mm Holzfaserdämmung. Zum anderen kamen Schalenelemente LSE 240 zum Einsatz, 514 mm breit und 240 mm hoch, Sichtqualität und 210 mm Holzfaserdämmung.
Lehre gezogen
Es ist der Auftrag des Ballenbergs, repräsentative Zeugen der ländlichen Bau- und Wohnkultur der Schweiz für die Nachwelt zu erhalten. Jährlich verschwinden in der gesamten Schweiz unbeachtet Hunderte solcher Gebäude mit dem Kommentar „Es ist unzumutbar, in dieser alten Hütte zu wohnen“. Das Versetzen ins Museum ist in seltenen Fällen die Rettung in letzter Not. Der Ballenberg kann jedoch nur einen Bruchteil der gefährdeten Bauten übernehmen.
Mit dem Hausprojekt soll vor Augen geführt werden, dass die Wohnqualität eines sanierten alten Hauses durchaus mit Neubauten konkurrieren kann. Die Kombination von alt und neu hat ihren besonderen Charme und zaubert eine spezielle Atmosphäre: Ein Lehrstück für Umbauwillige.
Patrick Thurston: „ Der neue Blockbau wirkt wie eine kräftig leuchtende Fütterung aus Seide in einem Mantel, der sich bei den Fenstern nach außen zur alten Schicht hin wendet. Dadurch erlangen die Wände murales Gewicht…. Entstanden ist ein Blockbau in einer neuartigen Ausformulierung. Die historische Bauweise des Hauses diente somit einer Innovation, die im Kern die Erhaltung der kraftvollen Räume bezweckt.“
Architekt: Patrick Thurston, CH-Bern Holzingenieur Fritz Allenbach, CH-Frutigen
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