Startseite » Wärmedämmung » Innendämmung »

Entlang der Denkmalachse

Umbau eines Industrieareals zum Wohnquartier mit Gewerbe in Frechen
Entlang der Denkmalachse

Eine ehemalige Brikettfabrik bildet das Zentrum des neuen Wohngebiets Grube Carl. Das Industriegelände ist Identifikationsstifter für den neuen Bebauungsplan, nach dem auf der 1995 stillgelegten Anlage moderne Wohn- und Gewerbeeinheiten entstehen. Im Sinne der Bewahrung orientiert sich die Planung an technisch interessanten Sanierungsansätzen und anspruchsvoller Baustoffauswahl.

Petra Domke

Historische Industrieanlagen gehören überall zum Stadt- und Landschaftsbild und stellen architektonische und technische Zeitzeugen einer industriell geprägten Stadtraumgestaltung dar. Sie gehören manchmal durch ihre exponierte Lage im Stadtraum, durch ihre bizarre Gebäudestruktur, aber auch durch ihre Korrespondenz zu anderen Hochpunkten zu den Silhouette prägenden Bauwerken eines Ortes. Sie dokumentieren in hervorgehobener Weise und Übereinstimmung den architektonischen Zeitgeschmack ihrer jeweiligen Bauphase, die mehr oder weniger ästhetische Umhüllung einer Funktion sowie die technische Zweckmäßigkeit. Ehemalige Industriegebäude sind heute begehbare Skulpturen der Technikgeschichte, Objekte für Faszination und Inspiration. Jedoch sind nicht alle ererbten Industriedenkmäler erhaltenswert. Fast immer der ursprünglichen Funktion enthoben, fristen manche ihr Dasein als kostenträchtiger „Klotz am Bein“ oder als Fremdkörper auf potenziellem Baugrund. Anderenorts allerdings treffen wie in Frechen bei Köln neue Nutzungsideen und Investitionen zusammen – dort entstehen wahre Schmuckstücke, die vom jeweiligen Kapitel der Industriegeschichte und von der Kreativität der federführenden Architekten zeugen.
Kulisse für modernes Wohnen
In der Grube Carl in Frechen wurden 90 Jahre lang täglich bis zu 230 Tonnen Briketts hergestellt. Im Betrieb durchlief die Kohle das Gebäude des Nassdienstes und das Trocken- und Pressenhaus auf dem Weg zum fertigen Brikett. Andere Gebäudebestandteile, die derzeit umgebaut werden, wie Elektrozentrale, Niederdruckkesselhaus und Werkstatt, hatten dabei dienende Funktion. Die Rohkohle wurde mit dem Zug angeliefert und über eine Bandbrücke in den Nassdienst befördert, dort genässt und gemahlen. Danach lief sie über eine zweite Bandbrücke in das Trocken- und Pressenhaus, wurde getrocknet und zu Briketts gepresst. Auf den Rinnenfeldern nördlich des Trocken- und Pressenhauses trocknete sie vollständig aus, wurde verpackt und anschließend auf Züge verladen.
Der Standort verkörpert wie kaum ein anderer die Ambivalenz seiner Existenz. Einerseits achteten, ja liebten die Beschäftigten ihren vertrauten Arbeitsort, bekannten Stadtraum und Wärmelieferant über Generationen hinweg. Andererseits waren die Umweltbelastungen, die von dem alten Industriekomplex ausgingen erheblich. Zwischen diesen Polen lag das Spannungsfeld, in dem modernes, individuelles Wohnen geschaffen werden sollte, ohne die Geschichte zu verleugnen.
Ehemalige Konturen wiederbelebt
Nach der Stilllegung blieben die beiden Bandbrücken und die Hauptgebäude erhalten, der Nassdienst und das Werkstattgebäude wurden bereits im Jahr 2004 umgebaut. Anfang 2005 begann das Büro ASTOC in enger Zusammenarbeit mit dem Rheinischen Amt für Denkmalpflege mit den Umnutzungsplanungen für das Trocken- und Pressenhaus und das Niederdruckkesselhaus. Im Juli 2005 gingen die Arbeiten mit der Entkernung der Baukörper los. Im Trocken- und Pressenhaus entstanden bis Ende Dezember 2007 .
Das lang gestreckte Gebäude ist in fünf Häuser segmentiert, in denen je ein Treppenhaus die insgesamt 71 Wohnungen erschließt. Die Wohnungszuschnitte orientieren sich an den Vorgaben des Bestandes, ohne an funktionaler Qualität einzubüßen. Die zum Teil dreigeschossigen Wohnungen haben Flächen von 56 bis 191 m² und zwei bis vier Zimmer. Als Attribute zeitgenössischer Nutzungsansprüche erhielt jede Wohneinheit einen Balkon und ist flexibel in der Aufteilung. In den oberen Geschossen liegen Maisonettewohnungen mit Dachterrassen, von denen aus man die Aussicht auf die Stadt Köln und den Dom genießen kann. In ihnen ist die Barrierefreiheit bis in die unteren der über drei Geschosse gehenden Wohnungen umfassend gewährleistet.
Die Dachlandschaft greift die ehemaligen Konturen wieder auf. Prägendes Element sind die Kühlhauben, die jetzt den Wohnungen als Oberlicht und Zugang zu großzügigen Dachterrassen im 7. Obergeschoss dienen. Acht Stadthäuser mit einer Dachterrasse entstehen derzeit im angrenzenden, ebenfalls unter Denkmalschutz stehenden Niederdruckkesselhaus. Hier haben die Wohnungen eine Gesamtfläche von 90 bis 150 m². Unter den Dachterrassen der oberen Wohnungen wird eine von allen Bewohnern genutzte Garage in das Bestandsgebäude integriert, die 79 Pkw-Stellplätze beherbergt.
Denkmalgerechte Materialwahl
Im Sinne der Bewahrung und des Denkmalanspruchs ließen sich die Planer des Büros ASTOC für den Umbau einige Besonderheiten einfallen. Das Objekt profitiert dadurch von technisch interessanten Sanierungsansätzen und einer anspruchsvollen Baustoffauswahl.
Um beispielsweise das schöne historische Sichtmauerwerk zu erhalten, wurde gegen kapillar aufsteigende Feuchtigkeit im Erdgeschoss eine nachträgliche Horizontalsperre im Bohrlochinjektionsverfahren verwendet. Hierfür flutete man die zu sanierenden Mauerwerksflächen mit Hilfe einer Druckspritze bis zur Sättigung mit der Injektionslösung (Sotano). Die Injektion diente der Salzbindung, der Verbesserung des Haftgrundes für nachfolgende Putzarbeiten, der Untergrundverfestigung des Mauerwerks und nicht zuletzt der Bindung loser Staubpartikel durch Verkieselung.
Dem Erhalt der durch die Industriearchitektur geprägten Mauerwerksfassade kam aus Sicht der Denkmalpfleger, aber auch für die regionale Identifikation eine entscheidende Bedeutung zu. Um dennoch optimale energetische Parameter zu erzielen, entschieden sich die Planer zu einer Dämmung mit biegeweicher Vorsatzschale im Innenbereich. Die Wände wurden mit einer 100 mm Wärmedämmung aus Mineralwolle (Saint-Gobain Isover) versehen und anschließend mit Dampfsperre sowie Gipskartonplatten (Knauf Gips) komplettiert.
Für den neuen Fußbodenaufbau der Wohnungen stand zunächst eine konventionelle Variante zur Diskussion. Doch zugunsten des höheren Komforts, der für eine bessere Vermarktung des Objekts angestrebt wurde, kam eine Lösung mit Fußbodenheizung zur Anwendung. Als Reminiszenz an die Geschichte des Hauses verlegte man auf einer Fläche von 6 000 m² ein Industrieparkett aus hochwertigen Eichenlamellen (Fußbodentechnik Wagner), das wiederum mit der Fußbodenheizung effizient harmoniert und für die Nutzer auch bei sparsamer Heizung höchstmögliche Wärmegewinne erzielt.
Innovative Idee der Erinnerung
In Erinnerung an die ehemalige Nutzung als Brikettfabrik soll zukünftig eine Denkmalachse angelegt werden, die quer durch das Trocken- und Pressenhaus hindurchführt. Sie verknüpft an städtebaulich markanter Stelle den nördlichen und den südlichen Teil des Areals. Im Bereich der Denkmalachse bleiben alte Maschinen und Anlagen erhalten, hier soll die Industriekultur unverändert erlebbar gemacht werden. Diskutiert wird noch, ob die Achse um weitere Anlagen ergänzt wird, die ursprünglich an anderen Orten aufgestellt waren. Die städtebauliche Anordnung der alten Fabrikgebäude verleiht der neuen Wohnnutzung einen ganz eigenen Charme. Durch die Dichte des Bestands ergibt sich eine reizvolle städtische Qualität der Räume, die spannungsreich mit der Weite der umliegenden Landschaft und der Lage auf dem Hügelrücken der Ville korrespondieren.
Hier treffen zwei Trends aufeinander, die sich in der Praxis positiv ergänzen: Die Wiederbelebung und vor allem Wertsteigerung einer längst vergessenen, ungenutzten Immobilie sowie die erhöhte Nachfrage von Mietern und Käufern nach attraktivem und individuellem Wohnraum. Dabei stellten sich gleich mehrere Synergien ein, die von Reparatur und Revitalisierung des vernachlässigten Stadtraumes über Belebung und Anreicherung des Wohnungsmarktes bis zu kreativen Herausforderungen an die Architekten und Stadtplaner reichten.
Das Ensemble und die Materialität der Wohnanlage Grube Carl und die exponierte Lage am Hang sind Qualitäten, die von den Architekten vor Ort vorgefunden und behutsam ergänzt wurden, um der neuen Nutzung den angemessenen Raum zu geben. Viele bauliche Details der ehemaligen Nutzung sind so sichtbar geblieben und erinnern an die industrielle Vergangenheit.
bba-Infoservice
Horizontalsperre 546 Innenwanddämmung 547 Gipskartonplatten 548 Eichenparkett 549 www.astoc.de www.astoc.de www.astoc.de
Architekturbüro: ASTOC GmbH & Co. KG Architects & Planners, Köln Dipl. Ing. Peter Berner, Dipl. Ing. Andreas Kühn, Prof. Dipl. Ing. Oliver Hall, Prof. Dipl. Ing. Markus Neppl und Mitarbeiter Tragwerksplanung: Dipl. Ing. Peter A. Weck, Köln Dipl. Ing. Timm Mitzenheim, Hückeswagen Bauphysik: Ingenieurbüro für Bauphysik Heinrichs, Kerpen-Horrem
Technische Baubetreuung: BauControl Wildberger, Leverkusen

Seit April 2008 gibt es die neue DIN EN 15801 zur Erhaltung des kulturellen Erbes. Diese Europäische Norm (Deutsche Fassung prEN 15801:2008) legt ein Prüfverfahren zur Beschreibung der Wasserabsorption durch Kapillarität von porösen anorganischen Materialien fest. Das Verfahren kann auf poröse anorganische Materialien, entweder unbehandelt oder durch Behandlung oder natürliche Alterung beansprucht, angewendet werden. Beuth Verlag GmbH 2008, Berlin. be
Unsere Top-3-Projekte des Monats
MeistgelesenNeueste Artikel

Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der bba-Infoservice? Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Medien GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum bba-Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des bba-Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de