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Wie Schubladen

Neubau eines Wohnturmes in Nijmegen
Wie Schubladen

Im niederländischen Nijmegen wurde ein ungewöhnlicher Wohnturm fertig gestellt. Mit expressiv auskragenden Balkonen schafft der Neubau einen gelungenen Gegenpol zur umliegenden Wohnbebauung des Problembezirkes aus den 1960er-Jahren. Die Fassade wurde mit Holzverkleidung ausgebildet, die Balkonbrüstungen mit perforiertem Aluminium.

Robert Uhde | be

Stadtentwicklung auf Niederländisch: 2007 hat das Ministerium für Wohnungsbau und Integration landesweit vierzig Problembezirke mit hoher Arbeitslosigkeit und hohem Migrantenanteil aufgelistet, die seitdem durch gezielte Maßnahmen zur Verbesserung der Wohnqualität vor Ort gefördert wurden. Darunter ist auch der im Süden von Nijmegen gelegene Stadtteil Hatert, der seit den 1950er-Jahren großflächig durch endlose Reihenhauszeilen erweitert, aber nach dem Wegzug der Mittelschicht seit den 1970er- und 1980er-Jahren zunehmend abgehängt wurde.
Ein wichtiger Bestandteil des umfangreichen Revitalisierungsprogramms für Hatert ist die städtebauliche Nachverdichtung des Quartiers durch mehrere hochwertige Neubauten. Darunter ist auch ein zwölfgeschossiger Wohnturm in der zentral gelegenen Cort van der Lindenstraat. Der vom Rotterdamer Büro 24H>architecture mit expressiven Formen geplante Neubau stellt auf 13 Ebenen mit einer Nutzfläche von 8 000 m² insgesamt 72 Wohnungen zur Verfügung. Zusätzlich wurden ein öffentliches Gesundheitszentrum im Erdgeschoss sowie eine Tiefgarage integriert.
Neue Typologien
Seit den negativen Erfahrungen aus den 1960er- und 1970er-Jahren haben Wohnhochhäuser einen denkbar schlechten Ruf. Erst in den letzten Jahren ist es durch neue Typologien und veränderte Wohn- und Gestaltungskonzepte gelungen, der Bauaufgabe neues Leben einzuhauchen. Ein gelungenes Beispiel dafür ist auch der Wohnturm von 24H>architecture mit seinen großzügig geschnittenen Appartements. Der Neubau überzeugt nicht nur durch seine auffallende Formgebung, die ihn schnell zum Identität stiftenden neuen Wahrzeichen von Hatert hat werden lassen, sondern er übernimmt gleichzeitig auch eine wichtige Rolle für das Zusammenleben der Bewohner im Quartier.
Denn neben einem Gesundheitszentrum im Erdgeschoss haben die Planer auch einen öffentlichen, weitgehend mit Holz gestalteten Platz auf der Dachfläche der Tiefgarage neu geschaffen. Die bewusst als neue Mitte für den Stadtteil konzipierte, durch organisch geformte Lüftungsausschnitte zu den Parkplätzen geöffnete Fläche fungiert inzwischen und als belebter Treffpunkt für Hatert.
Expressive Gestaltung
Ein charakteristisches, von allen vier Himmelsrichtungen aus sichtbares Detail der markanten Wohnskulptur ist die ungewöhnliche Fassade mit ihren weit auskragenden Balkonen, die in den Eckbereichen des Gebäudes unregelmäßig wie abgerundete Schubladen aus der Kubatur hervorbrechen.
„Die unterschiedliche Form und Größe der einzelnen Freiflächen stellt dabei sicher, dass auch die nach Norden hin gelegenen Balkone zeitweise von der Sonne beschienen werden und dass keiner der Balkone über den ganzen Tag verschattet wird“, erklärt Projektarchitekt Boris Zeisser vom Büro 24H>architecture das einleuchtende Konzept, das Form und Funktion überzeugend zusammenbringt.
Ebenso ungewöhnlich wie die Form der einzelnen Balkone präsentiert sich auch die Materialwahl für die Brüstungen aus perforiertem Aluminium, deren unterschiedlich große Öffnungen einen fließenden Übergang von innen und außen ermöglichen: „Bei der Gestaltung sowie bei der Größe und Anordnung der einzelnen Perforierungen haben wir uns insbesondere von durchlöcherten Blättern inspirieren lassen“, berichtet Boris Zeisser.
„Die unterschiedlich großen Perforierungen ermöglichen dabei interessante Perspektiven auf die Umwelt und sorgen gleichzeitig für ein lebendiges Spiel von Licht und Schatten.“
Um die am Computer entwickelten Entwürfe in die Realität umzusetzen, wurden die insgesamt 2 600 Aluminium-Paneele im Werk von VMG Versteeg Metaal Groep in der Verstegen Perforatie Techniek individuell mit einer CNC-Fräse perforiert und anschließend vor Ort an der vorgesehenen Stelle montiert.
Zur guten Wärmedämmung der Balkone trägt ein wichtiges Bauteil bei: Der Schöck Isokorb als tragendes Wärme-dämmelement für auskragende Bauteile.
Verstärkt wird der dynamische Eindruck der Außenhülle durch die optische Verlängerung der Brüstungen als breite weiße Streifen entlang der übrigen Fassade. Im Zusammenspiel mit den großen Fenster- und Türöffnungen aus Aluminium (System RT 52 von Alcoa) und der im oberen Teil der jeweiligen Ebenen eingesetzten Fassadenverkleidung aus Red-Cumaru-Holz haben die Architekten eine elegante horizontale Gliederung der Außenhülle erreicht, die den offenen und luftigen Gesamteindruck des Neubaus hervorhebt. Die gleiche Holzsorte wurde zusätzlich auch für die Ober- und Unterseiten der Balkone verwendet, um so einen harmonischen Gesamteindruck zu erreichen. Die Fassade im Erdgeschoss wurde abweichend mit 10 mm dicken, rückseitig schwarz besiebdruckten Glaselementen verkleidet (SSG Emalit Evolution, Elemente aus emailliertem Glas von S. Gobain Glass).
Das aus dem Amazonas stammende Red-Cumaru-Holz (Precious Woods Europe B.V) zählt mit seiner hohen Rohdichte zu den technisch besten Hölzern für den bewitterten Außenbereich und findet daher auch im Boots- und Schiffsbau Verwendung. „Bei der Montage vor Ort wurden die einzelnen, 60 x 140 mm großen Bretter direkt auf einer darunter liegenden, auf der Betonhülle verschraubten Konterlattung montiert“, erklärt Boris Zeisser. „Darunter wurden für eine optimierte Wärmedämmung des Gebäudes und zum Schutz gegen Feuchtigkeitsschäden eine Dichtungsbahn sowie eine Kerndämmung mit 140 mm Mineralwolle verlegt.“
Luftiger Eindruck im Innenraum
Ebenso luftig wie von außen erscheint der Neubau auch in seinem Inneren. Über die großzügige Außenfläche und den Haupteingang gelangen die Besucher und Bewohner zunächst in einen Erschließungskern und von dort in die jeweiligen Wohnungen oder in das öffentliche Gesundheitszentrum im Erdgeschoss.
Ein gelungenes Detail sind dort die mit Holz und transparenten Milchglasflächen gestalteten Wände zu den einzelnen Büros, die auch in den langen Verbindungsfluren viel Lichteinfall ermöglichen. In den darüber gelegenen Ebenen haben die Planer unterschiedlich große Appartements mit unterschiedlichen Grundrissen integriert. Die großen Balkone ermöglichen den Bewohnern dabei attraktive Außenflächen mit weiten Aussichten über die Stadt. Ein gelungenes Konzept, das eindrucksvoll belegt, dass der Typus Wohnhochhaus trotz negativer Erfahrungen keineswegs Geschichte sein muss.
Architekten: Boris Zeisser und Maartje Lammers, 24H>architecture, Rotterdam Projektteam: Albert-Jan Vermeulen, Anja Verdonk, Harm Janssen, Olav Bruin, Dirk Zschunke, Bruno Toledo Statik: Adams Bouwadvies, Drunen
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