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Sicherheitsreserve einplanen

Bitumen-Dach- und Dichtungsbahnen: Normen regeln nicht die Zukunft
Sicherheitsreserve einplanen

Markus Hoeft

Bei Polymerbitumen- und Bitumenbahnen für Flachdächer hat der Übergang zur europäischen Normung begonnen.
Normen beschreiben jedoch stets, was sich in Vergangenheit und Gegenwart bewährt hat und berücksichtigen keine zukünftigen Entwicklungen.
Der vdd Industrieverband Bitumen-Dach- und Dichtungsbahnen hat darum vor einigen Jahren eine Diskussion zum Thema Klimawandel, Architektur und Flachdachabdichtung angeschoben.
Übergang von nationalen zu europäischen Normen.
Mit der Veröffentlichung der DIN EN 13707 im Januar 2005 begann für Flachdachabdichtungen mit Bitumenbahnen der Übergang von den nationalen zu den europäischen Normen.
Außerdem befindet sich (die nationale) DIN 18531 Dachabdichtungen in einer vollständigen Überarbeitung, derzeit liegen die Entwürfe für vier Teile der neuen Fassung vor (Stand August 2005, siehe Kasten).
Bei DIN EN 13707 handelt es sich um eine Stoffnorm, die vor allem die Produkteigenschaften von Bitumenbahnen für Dachabdichtungen sowie deren Prüfverfahren und Deklaration beschreibt. Das Regelwerk ist eine wichtige Grundlage für die Hersteller, im planerischen Alltag spielt jedoch die Konstruktionsnorm DIN 18531 die größere Rolle. Denn gemeinsam mit den für die nächste Zukunft erwarteten überarbeiteten Anwendungsnormen für Bitumenbahnen (derzeit noch kein Entwurf veröffentlicht) bestimmt sie, welche Produktklassen unter den jeweiligen Einbausituationen und Randbedingungen eines Flachdachs in Deutschland eingesetzt werden können.
Es werden also nur die Produkteigenschaften von Bitumenbahnen und ihre Prüfung europäisch harmonisiert, die Regeln für die Konstruktion und Anwendung bleiben national definiert. Außerdem gibt es beim Übergang zu den europaweit einheitlichen Produktklassifizierungen nach DIN EN 13707 eine Koexistenzphase, in der zunächst auch die bisherigen nationalen Produktnormen noch parallel gelten.
Über das Ende dieser Koexistenzphase kursieren im Moment verschiedene Angaben, die von Mitte 2006 bis ins Jahr 2007 reichen. Danach dürfen in der EU nur noch Bitumenbahnen für die Dachabdichtung mit dem CE-Zeichen gehandelt und in den Verkehr gebracht werden.
Mit den neuen bzw. überarbeiteten Normen werden sich vor allem die Bezeichnungen und Systematiken ändern.
Eine grundsätzliche Verschärfung des Anforderungsniveaus von Polymerbitumen- und Bitumenbahnen für Dachabdichtungen erwartet der vdd Industrieverband Bitumen-Dach- und Dichtungsbahnen nach eigenen Angaben nicht.
Weitere relevante Regelwerke für das Flachdach sind (und bleiben) neben den Normen die vom vdd als Herstellervorschrift herausgegebenen Technischen Regeln für die Planung und Ausführung von Abdichtungen mit Polymerbitumen- und Bitumenbahnen (abc der Bitumenbahnen) sowie die Flachdachrichtlinien des ZVDH Zentralverband des Deutschen Dachdeckerhandwerks.
Höhere Belastungen durch Klimawandel
Wenn die kommende Normengeneration auf eine wesentliche Verschärfung des Anforderungsniveaus für bituminöse Flachdachabdichtungen verzichtet, dann hat sich der normierte Stand bei der Herstellung und Verarbeitung offensichtlich bewährt, was eine im Grundsatz positive Nachricht ist.
Andererseits wird aber die Weiterentwicklung der Produkte, die die Hersteller in den letzten Jahren betrieben haben, in den Normen damit nur teilweise berücksichtigt. Offen bleibt auch die Frage, ob die Einsatzbedingungen für Flachdachabdichtungen konstant geblieben sind oder ob es durch vermehrt auftretende extreme Wetterereignisse oder sogar durch einen Klimawandel nicht zu höheren Belastungen kommt.
Die Nichtbeantwortung dieser Frage kann man den Normenautoren kaum vorwerfen, weil Normen die allgemein anerkannten Regeln der Technik beschreiben sollen und somit das, was auf den gesicherten Erfahrungen und Erkenntnissen der Vergangenheit (maximal der Gegenwart) beruht.
Die künftige Klimaentwicklung ist nicht „allgemein anerkannt“, schon weil die Klimaforscher sich nicht auf einheitliche und eindeutige Prognosen einigen können.
Trotzdem muss sich verantwortungsbewusste Bauplanung mit dem Phänomen beschäftigen, denn ein heute errichtetes Gebäude soll schließlich unter den Klimabedingungen der nächsten Jahrzehnte funktionieren.
Mit der vor einigen Jahren initiierten Diskussion zu Klimawandel, Architektur und Abdichtung will der vdd die Gesellschaft für diese Zusammenhänge sensibilisieren.
Der Verband stützt sich dabei u.a. auf die Ergebnisse des Kompetenzcenters Georisikoforschung der Münchener Rückversicherung. Die Versicherung verfolgt einen interessanten und praxisnahen Ansatz bei der Klimabeobachtung, indem sie die weltweiten Naturkatastrophen nach Anzahl und Schadensgröße erfasst. Danach traten große Wetterkatastrophen in den vergangenen zehn Jahren weltweit drei Mal so häufig auf wie noch in den 1960er Jahren. Die volkswirtschaftlichen Schäden stiegen inflationsbereinigt auf das Fünffache, die versicherten sogar auf das Zehnfache.
Nach Ansicht von Dr. Gerhard Berz, dem früheren langjährigen Leiter der Münchener Georisikoforschung, zählt die gut dokumentierte Zunahme der Katastrophenschäden „zu den ersten und stärksten Indizien für den wachsenden Einfluss der globalen Umweltveränderungen, die der Mensch verursacht“.
Beanspruchungen auf dem Flachdach
Für die gemäßigten Breiten und damit auch Deutschland sieht Berz vor allem die Tendenz zu heißeren und trockeneren Sommern sowie zu milderen Wintern.
Heiße Sommer sind potenziell unwetterträchtig. Der insgesamt zwar zu geringe Niederschlag fällt zeitlich und örtlich konzentriert in Unwettern, die verstärkt mit Gewittern, Temperaturstürzen, Hagelschlag, Sturzregen und Starkwinden einhergehen können.
In milden Wintern steigt die Gefahr von Stürmen, außerdem fällt der vermehrte Niederschlag vor allem als Regen, der anders als Schnee alle Abflusssysteme schlagartig belastet.
Es soll hier offen bleiben, ob diese Erscheinungen tatsächlich bereits Teil eines generellen Klimawandels sind oder im Rahmen der natürlichen Klimaschwankung liegen. Das ist für die Ausführung von Flachdächern aber auch gar nicht so relevant.
Wichtiger ist, dass die Belastungen durch Extremereignisse nachweislich zugenommen haben. Denn dann sollte sich der Planer nicht allein an den Normenvorgaben orientieren, die schließlich nur Mindestqualitäten und Untergrenzen für geometrische und stoffliche Parameter beschreiben. Vielmehr muss in Abstimmung mit dem Bauherrn geprüft werden, ob bewusst eine höhere Sicherheitsreserve eingeplant wird als in den Regelwerken vorgesehen.
Hochwertbahnen oberhalb der Norm
Die Hersteller der Bitumenbahnen haben sich auf diese Situation eingestellt und – neben den Standardbahnen nach Norm – Produkte entwickelt, deren Eigenschaften deutlich oberhalb der Normenanforderungen liegen. Während die DIN-Bahnen meist mit Normenbegriffen bezeichnet werden (etwa PYP PV 200 S5) tragen die höherwertigen Bahnen individuelle Hausnamen.
Der vdd verwendet in seinem abc der Bitumenbahnen dafür den Gruppenbegriff Hochwertbahnen und beschreibt sie als Bahnen „aus hochwertigem Polymerbitumen und besonders beanspruchbaren Trägereinlagen“.
Es handelt sich um Verbundeinlagen mit hoher Reißfestigkeit, Dehnfähigkeit und Perforationssicherheit. Die Zusammensetzung des Plastomer- oder Elastomerbitumens der Deckschichten zeichnet sich durch hohe Alterungsbeständigkeit, Wärme-standsfestigkeit und Kälteflexibilität aus. Die beiden letztgenanten Eigenschaften beschreiben die Plastizitätsspanne, also den Temperaturbereich in dem die Bahn sicher ihre Funktion erfüllt. Diese Spanne ist nicht nur wegen der absoluten Extremwerte, die etwa in Bereichen von – 50 °C bis + 150 °C liegen können, von Bedeutung, sondern auch wegen möglicher plötzlicher Temperaturstürze auf dem Dach, wie sie beispielsweise bei Hagelschlag im Sommer auftreten können.
Dachbegrünung neu bewertet
Vorausschauende Planung im Hinblick auf Extremwetterereignisse erschöpft sich jedoch nicht im Einsatz von Hochwertbahnen. Beispielsweise müssen die Anschlusshöhen von Lichtkuppeln oder aufgehenden Bauteilen im Flachdach ebenfalls auf kurze, aber heftige Niederschläge eingerichtet sein, damit nicht eventuell aufgestautes Wasser in die Anschlüsse dringen kann.
Auch die Dimension der Dachentwässerung und die Statik des Dachs sind im Hinblick auf den möglichen Anstau bei einem Sturzregen zu prüfen.
Der ungünstigste Fall tritt hier ein, wenn zunächst Hagel die Abflüsse zusetzt und anschließend intensiver Regen einsetzt. Die Belastung des Dachs durch Stauwasser kann dann kurzzeitig deutlich höher liegen als sich aus den statistisch und rechnerisch ermittelten Durchschnittswerten zur Regenspende ergibt.
Unter den Bedingungen intensiver Sonneneinstrahlung und extremer Niederschläge könnten künftig Flachdächer mit zusätzlichen Schutz- oder Nutzschichten eine neue Bewertung erfahren. Also beispielsweise Dächer mit Kiesauflast, Plattenbelägen oder Begrünungen. Gerade Dachbegrünungen wurden bisher vor allem unter dem Aspekt der Wasserrückhaltung und allgemeinen Ökologie betrachtet. Sie halten aber gleichzeitig intensive Sonneneinstrahlung, Temperaturstürze und Hagelschläge von der Dachabdichtung fern.
Weitere Informationen
Klimawandel, Architektur und Abdichtung bba 530

Normen für Flachdachabdichtungen
DIN EN 13707, Ausgabe:2005–01
Abdichtungsbahnen – Bitumenbahnen mit Trägereinlage für Dachabdichtungen – Definitionen und Eigenschaften; Deutsche Fassung EN 13707:2004
DIN EN 13707 Berichtigung 1, Ausgabe:2005–03
Berichtigungen zu DIN EN 13707:2005–01
(Norm-Entwurf) DIN 18531–1, Ausgabe:2004–07
Dachabdichtungen – Abdichtungen für nicht genutzte Dächer – Teil 1: Begriffe, Anforderungen, Planungsgrundsätze
(Norm-Entwurf) DIN 18531–2, Ausgabe:2004–07
Dachabdichtungen – Abdichtungen für nicht genutzte Dächer – Teil 2: Stoffe
(Norm-Entwurf) DIN 18531–3, Ausgabe:2004–07
Dachabdichtungen – Abdichtungen für nicht genutzte Dächer – Teil 3: Bemessung, Verarbeitung der Stoffe, Ausführung der Dachabdichtungen
(Norm-Entwurf) DIN 18531–4, Ausgabe:2004–07
Dachabdichtungen – Abdichtungen für nicht genutzte Dächer – Teil 4: Instandhaltung
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