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Bahnhof in Arnheim (NL): Schwingende Dynamik dank Glasfaserbeton

Neubau des Bahnhofs in Arnheim (NL)
Schwingende Dynamik

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Im niederländischen Arnheim wurde Ende 2015 nach rund 20-jähriger Planungs- und Bauzeit der neue Bahnhof der Stadt endgültig fertig gestellt. Das Amsterdamer UNStudio hat eine futuristische „Umsteigemaschine“ mit dynamisch fließenden Dächern aus Glasfaserbeton realisiert, die unterschiedlichste Verkehrsströme zu einer schlüssigen Gesamtform verbindet.

Robert Uhde

Jetzt, wo auch der letze Bauabschnitt des neues Bahnhofs der rund 150 000 Einwohner zählenden Stadt Arnheim fertig gestellt ist, wirkt alles ganz selbstverständlich, fast spielerisch leicht. Die Erinnerung an die jahrzehntelange Planungs- und Realisierungszeit mit ihren gewaltigen baulichen wie logistischen Anforderungen scheint dabei wie weggefegt. Die ersten Überlegungen zur städtebaulichen Neuordnung des Areals gehen zurück bis auf den Beginn der 1990er-Jahre. In einem ersten Schritt hatten die Planer um Ben van Berkel seinerzeit zunächst einen Masterplan für das gesamte Bahnhofsareal entworfen, der dann in einem zweiten Schritt als Basis für die Umsetzung des Projektes dienen sollte.
Beinahe zwanzig Jahre später lässt sich der zukunftsweisende, von Beginn an mit komplexen CAD-Programmen realisierte Entwurf nicht mehr nur als Animation oder als halbfertige Baustelle, sondern auch im regulären Betrieb bestaunen. Dabei zeigt sich, dass der Entwurf trotz seines fortgeschrittenen Alters kaum etwas von seiner radikalen Modernität eingebüßt hat. Entstanden ist ein vielschichtiger Komplex mit expressiv-fließenden Formen, der die unterschiedlichen Verkehrsmittel Zug, Bus, Fahrrad und Taxi mit möglichst kurzen Wegen miteinander vernetzt und an die Innenstadt anbindet.
Komplettiert wird das umfangreiche Programm durch zwei 16-geschossige Bürohochhäuser mit einer Bruttogeschossfläche von insgesamt 22 000 m², durch zusätzliche Büro- und Ladenflächen im Terminalgebäude, durch eine Fahrradgarage mit 4 800 Stellplätzen sowie durch eine Tiefgarage mit 1 050 PKW-Stellplätzen auf zwei weitläufigen Untergeschossen, über denen der regionale Busbahnhof platziert wurde. Im Außenbereich wurde zusätzlich eine Station für Stadtbusse integriert.
Fließender Übergang: Dach und Wand
Um die unterschiedlichen Funktionen optimal miteinander zu verbinden, entwickelten die Planer das zentrale Terminalgebäude als organisch gefaltete Landschaft, die durch ein spektakulär gekrümmtes, von Osten nach Westen leicht ansteigendes Stahlbetondach überdeckt wird. Dach und Wand gehen dabei in einigen Bereichen fließend ineinander über. Zusätzlich getragen wird die gewaltige Konstruktion durch mehrere V-förmig gestaltete Schächte aus Stahlbeton, die gleichzeitig auch Erschließung, Notausgänge, Klima- und Lichttechnik integrieren.
Im Zentrum des Terminalgebäudes haben die Planer außerdem das sogenannte „Twist“ als tragendes und raumbildendes Element eingefügt. „Das 16 m hohe, von einem Bootsbauunternehmen errichtete ‚Gewinde‘ aus Stahl steigt einer Schiffsschraube gleich vom Untergeschoss bis zum Dach hinauf und nimmt dabei auch eine langgestreckte Erschließungsrampe auf“, erklären die Architekten. Schon auf den ersten Blick lassen sich dabei Bezüge zur Konstruktion des 1962 eröffneten John F. Kennedy-Flughafens in New York von Eero Saarinen erkennen.
Schuppenartige Dachhaut
Zur Verkleidung der 4 500 m² großen Dachfläche kamen insgesamt 1400 individuell geformte und schuppenartig auf der Dachhaut verlegte Elemente aus Glasfaserbeton zum Einsatz, hergestellt von mbX. Zusätzlich strukturiert wird die Dachfläche durch unterschiedlich große und individuell geformte, ebenfalls schuppenartig strukturierte Oberlichter (Systemfassade Viss 50 von Jansen und Isolierverglasung von BGT Bischoff Glastechnik) sowie durch einen tiefen Einschnitt, der den Terminalbereich sichtbar von den angrenzend integrierten Büroflächen trennt.
Eine Herausforderung bildete die Planung, Fertigung und Montage der durchschnittlich 3,6 x 1,2 m großen Dachpaneele aus Glasfaserbeton mit ihren individuellen 3D-Geometrien, die sämtlich mit eigenen Software-Tools berechnet wurden.
Im Rahmen der Fertigung wurden die Paneele zunächst als herkömm-lich flache Platten gegossen und anschließend beim Aushärten mit Hilfe einer Hydraulikpresse in der zuvor detailliert berechneten Form gekrümmt. Im nächsten Schritt konnten sie dann auf der Baustelle auf exakt positionierten Abstandshaltern aus Hartholz montiert werden.
Die Ableitung von Regenwasser erfolgt über 2 bis 6 cm breite Fugen zwischen den Paneelen, abgedichtet wurde die Dachhaut mit EPDM-Bahnen.
Glasfront zur Stadt
Zur südöstlich angrenzenden, dabei deutlich abschüssig gelegenen Stadt geht das Terminalgebäude durch eine offene Glasfassade (Systemfassade Viss 50 von Jansen und Isolierverglasung von BGT Bischoff Glastechnik) organisch in den zur Planung gehörenden Bahnhofsvorplatz über. Die elegant geschwungene Balkonrampe erschließt dabei das in die Gebäudeform integrierte Bürogebäude. Nach Nordwesten schließen sich die Busstation, die Tiefgarage sowie die beiden Bürogebäude mit ihren abgerundeten Gebäudekanten und den bläulich bzw. grünlich gestalteten Fassaden an.
Komplettiert wird der Bahnhofskomplex durch die nördlich gelegene Gleisanlage mit ihren insgesamt vier Bahnsteigen. Ein gelungenes Detail ist hier die gewellte Dachstruktur der einzelnen Plattformen, die in veränderter Form die Gestaltung des zentralen Terminalgebäudes aufgreift. Die Erschließung und Verbindung der verschiedenen Elemente erfolgt per Treppe, Rolltreppe und Lift über einen Tunnel sowie über einen orthogonal platzierten Verbindungsgang oberhalb der Gleise.
Der Neubau überzeugt aber nicht nur formal und durch seine hohe Funktionalität, er punktet auch durch eine hochwertige Gestaltung sämtlicher Details sowie durch eine Erdwärme-gesteuerte Fußbodenheizung und -kühlung, die die Raumtemperatur in sämtlichen Bereichen stabil hält.
Im Zusammenspiel der unterschiedlichen Elemente ist eine hochfunktionale Umsteigelandschaft mit hoher Aufenthaltsqualität entstanden, deren futuristisch anmutende Form trotz ihres expressiven Eindrucks in erster Linie durch Fußgängerverbindungen und Sichtlinien bestimmt wird; „als schlichte räumliche Umsetzung vorhandener Daten“ , wie die Architekten erklären: „Die lange Planungszeit hat sich dabei im Nachhinein als hilfreicher Faktor erwiesen, um das heutige Endresultat zu erreichen.“
Entwurf:
UNStudio, Amsterdam
Statik Terminalgebäude:
Arup & Partners, Amsterdam
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