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Betonelemente und Travertinfassade

Erweiterung des Naturkundemuseums in Leiden
Massive Leichtigkeit

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Im niederländischen Leiden ist das Naturkundemuseum „Naturalis“ modernisiert und großzügig erweitert worden. Nach Plänen von Neutelings Riedijk wurde das Bestandsensemble recht spektakulär durch einen vielschichtigen Neubau mit roten Travertin-Fassaden ergänzt, der nach außen hin von einer ornamentalen Wabenfassade aus dreidimensionalen Fertigteilen – weiße Betonelemente – eingefasst wird.

Anforderung:

Komplexe Museumserweiterung mit großem Schaueffekt

Lösung:

Geschichtete Natursteinfassade, durchdrungen von ornamentaler Wabenfassade aus Fertigteilen (Betonelemente)


Robert Uhde

Mit über 40 Millionen Objekten zählt das „Naturalis“ in Leiden zu den fünf größten Naturkundemuseen der Welt. Ursprünglich war die mittlerweile 200 Jahre alte Einrichtung als naturgeschichtliches Forschungsinstitut der Niederlande gegründet worden. Nach einer umfangreichen Erweiterung ist es seit 1998 auch als Museum dauerhaft zugänglich. Mit großem Erfolg: Zuletzt zog das Haus jährlich rund 400 000 Besucher an – vor allem, um sich das weltweit bedeutende Tyrannosaurus-Skelett anzusehen. Parallel dazu erfolgte 2012 der Zusammenschluss mit dem Zoologischen Museum Amsterdam und dem Nationalen Herbarium. Insgesamt beschäftigt das Naturalis damit rund 200 Forscher, die vor Ort insbesondere nach Lösungsansätzen für globale Probleme wie den Klimawandel oder den Rückgang der Artenvielfalt suchen.

Tiefgreifende Verwandlung

Aufgrund der zunehmend beengten Räumlichkeiten hatte die Museumsleitung 2013 entschieden, das Haus abermals zu erweitern. Aus dem Wettbewerb ging das Rotterdamer Büro Neutelings Riedijk als Sieger hervor, das in den vergangenen Jahren bereits mehrfach mit spektakulären Kulturbauten auf sich aufmerksam gemacht hat. Der Entwurf ergänzt das bestehende Ensemble um einen massiven Block aus unregelmäßig übereinander geschichteten und mit Naturstein verkleideten Ebenen, der nach außen hin von einer ornamental gestalteten Wabenfassade aus luftig-leicht wirkenden Betonfertigteilelementen umfasst und durchdrungen wird.

Der Erweiterungsbau beherbergt sämtliche Ausstellungsflächen sowie ein Auditorium, ein Restaurant und den Museumsshop. Im neu strukturierten Altbau sind Büros, Depots und Labore angesiedelt. Den Übergang dazwischen vermittelt eine 36 m hoch aufsteigende Atriumhalle. Im Zusammenspiel konnte die bestehende Fläche von 20 000 m² nahezu verdoppelt werden. Gleichzeitig hat der bislang nur wenig ansehnliche Komplex eine veränderte Außenansicht mit Design und deutlich mehr Leichtigkeit erhalten.

Roter Travertin und weiße Betonelemente

Seit der Erweiterung von 1998 wurde das Ensemble durch das zentral platzierte Hochhaus dominiert, das nach Süden, Westen und Osten hin von drei mächtigen, über einem Wassergraben teilweise aufgeständerten Bestandsbaukörpern eingefasst wird. Die Erschließung erfolgte seitdem über eine freitragende Brücke vom östlich angrenzenden ehemaligen Pesthaus der Stadt. Der jetzt fertiggestellte Erweiterungsbau ergänzt den Bestand nach Norden hin und ermöglicht dabei eine völlig neue Eingangssituation mit fließendem Übergang zwischen Innen und Außen. Auf den ersten Blick scheint es dabei, als hätten die Planer eine abstrakte Raumskulptur geschaffen. Die eigentliche Funktion und der räumliche Gesamtzusammenhang werden erst beim Betreten der zentralen Atriumhalle deutlich.

Der imposante, oberhalb des transparenten Erdgeschosses auf V-förmigen Stützen ruhende „Natursteinstapel“ entpuppt sich dabei als intelligent zusammengefügtes Geflecht aus unregelmäßig übereinander geschichteten Ausstellungsebenen, deren Außenflächen und Deckenansichten ausgehend von der Idee einer geologischen Gesteinsformation mit horizontal untergliederten Fassadenelementen aus rotem Travertin gestaltet wurden. Die Gesamtfläche beträgt dabei 4 800 m², hinzu kommt eine Deckenfläche von 1 100 m².

Vielschichtige Fassade: Geschichtete Beton- und Travertinflächen

„Bei der Suche nach einem geeigneten Stein fiel die Wahl auf einen roten Travertin aus dem Iran, der sich vor allem durch seine besondere Farbgebung und seine raue Oberfläche auszeichnet“, berichtet Projektarchitekt Frank Beelen. „Um diesen natürlichen Charakter des Steins noch zu betonen, wurden die Gesteinsbrocken in einem Werk in Portugal mithilfe einer hydraulischen Steinaufspaltmaschine auf die erforderlichen Formate von 1 080 x 400 bzw. 895 x 330 mm zurechtgeschnitten. Die Dicke der Platten variiert dabei zwischen 40 und 70 mm. Vor Ort wurden die einzelnen Elemente dann auf Profilschienen vorgehängt bzw. unterhalb der Decken mit Stahlankern montiert.“

Unregelmäßig unterbrochen werden die roten Travertinflächen innen wie außen durch unterschiedlich breite Schichten aus weißem Beton. Um die Streifen auszubilden, kamen insgesamt 263 Fertigteilelemente mit einer Gesamtlänge von rund einem Kilometer zum Einsatz. Eine Besonderheit sind dabei die mit seidenweichen Falten gestalteten Oberflächen. „Der Entwurf dazu stammt von der niederländischen Modedesignerin Iris van Herpen, die auch bereits Kleider für Cate Blanchett, Beyoncé oder Lady Gaga kreiert hat“, so Frank Beelen.

Betonelemente gestalten ornamentale Wabenfassade

Als Pendant zu der massiven Gesteinsformation entwickelten Neutelings Riedijk eine luftig gestaltete, aus überlappenden Ovalen und Dreiecken zusammengesetzte Wabenfassade mit integrierten Glaselementen, die gemeinsam mit der nach gleichem Prinzip gestalteten Deckenansicht ein lichtdurchflutetes Innenraumambiente mit bewegten Schattenspielen schafft: „Die ungewöhnliche Hülle setzt sich zusammen aus vorgefertigten Betonelementen, die innenseitig mit Holz verkleidet sind und die in ihrer ornamentalen Struktur an dreidimensional ineinandergreifende Moleküle oder andere organische Formen erinnern und damit sinnfällig die Funktion des Hauses aufgreifen“, erklärt Frank Beelen. Bei Dunkelheit dreht sich der Effekt um: Dann wird der Außenraum durch das von innen kommende Licht auf magische Weise illuminiert.

341 individuell geformte Betonelemente

Planung und Umsetzung der Wabenfassade erfolgten in enger Kooperation mit dem ABT BV Ingenieursbureau aus Delft und dem Fassadenplaner Lievense Bouw B.V. aus Eindhoven. „Um die komplexe Geometrie ausbilden zu können, kamen insgesamt 341 individuell geformte Betonfertigteilelemente mit einer variablen Dicke zwischen 200 und 600 mm zum Einsatz“, erklärt Frank Beelen. „Die einzelnen Elemente wurden als 3D-Modell geplant, mit Hilfe von individuell geformten Schalungen durch den Groninger Betonfertigteilhersteller Hibex aus weißem Architekturbeton gegossen und auf der Baustelle mit Stahlankern an der Stahlkonstruktion der Atriumhalle aufgehängt.“ Die zuvor in den einzelnen Elementen integrierten Wärmeschutzverglasungen (Gesamtfläche von 2 000 m²) wurden im tschechischen Brünn gefertigt.

Ein weiteres wichtiges Element in der Atriumhalle ist die monumentale Treppe, die in weit ausladenden Bewegungen und in mehreren frei tragenden Abschnitten die nach oben immer kleiner werdenden Geschosse des Travertin-Stapels erschließt. Offene Balkone und innen wie außen eingefügte Aussichtsplattformen sorgen gleichzeitig für überraschende Sichtbezüge und ungewohnte Perspektiven auf die von hier aus einsehbaren Exponate. Im Zusammenspiel ist den Planern eine vielschichtige Erweiterung gelungen, die die unterschiedlichen Funktionen des Museum intelligent unter einem Dach vereint und die gleichzeitig ein einprägsames architektonisches Logo für das rundum erneuerte Haus schafft.


Objekt: Naturkundemuseum

Bauherr: Naturalis Biodiversity Center

Planung: Neutelings Riedijk Architecten, Rotterdam, (NL)

Planungsteam: Michiel Riedijk, Willem Jan Neutelings, Frank Beelen, Kenny Tang, Guillem Colomer Fontanet, Jolien van Bever, Ineìs Escauriaza Otazua, Marie Brabcovaì, Cynthia Deckers
www.neutelings-riedijk.com

Artwork: Iris van Herpen (Betonrelief); Studio Tord Boontje (Grafiken)

Fassadenplanung: ABT BV ingenieursbureau, Delft (NL)

Bauunternehmen: TBI-onderneming J.P. van Eesteren, Gouda (NL)

Fassadenkonstruktion: Lievense Bouw B.V., Eindhoven (NL)

BGF gesamt: 39 000 m²; Neubau: 19 000 m²

Fertigstellung: Mai 2019


Architekt Frank Beelen: „Die ungewöhnliche Hülle setzt sich zusammen aus vorgefertigten Betonelementen, die innenseitig mit Holz verkleidet sind und die in ihrer ornamentalen Struktur an dreidimensional ineinandergreifende Moleküle oder andere organische Formen erinnern und damit sinnfällig die Funktion des Hauses aufgreifen.“


Für die komplexe Geometrie kamen 341 individuell geformte Betonfertigteilelemente (zwischen 200 und 600 mm dick) zum Einsatz. Geplant als 3D-Modell, wurden die Einzelelemente mit individuellen Schalungen aus weißem Architekturbeton gegossen und auf der Baustelle mit Stahlankern an der Stahlkonstruktion des Atriums aufgehängt.


Robert Uhde

Studium der Kunst und Germanistik in Oldenburg. Erstes Staatsexamen. Ausbildung zum Fachredakteur für Architektur bei der Verlagsgruppe Rudolf Müller in Köln. Seit 1997 freier Autor für Fachzeitschriften und Tageszeitungen. Eigenes Büro in Oldenburg.
www.robert-uhde.de


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