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Kaum auffindbar gehalten

Glas
Kaum auffindbar gehalten

Markus Hoeft

Die Tragwerke und Befestigungen von Glasfassaden werden in ihrer optischen Wirkung immer weiter reduziert. Andererseits sind es gerade diese Elemente, die filigrane und elegante Strukturen an, in und gegebenenfalls auch vor den Verglasungen bilden können.
Auflösung der geschlossenen Wand
Die Baugeschichte wird oft als ein Ringen um die Auflösung der geschlossenen Wand dargestellt. Die Gotik oder auch die Moderne mit Kristallpalast und Bauhausarchitektur gelten als besonders erfolgreiche Höhepunkte des Strebens nach der Reduktion des Steins, weil die undurchsichtigen Teilflächen der Wände immer mehr zugunsten großflächiger Verglasungen zurückgedrängt wurden. Insofern sind die modernen Ganzglasfassaden unserer Tage die logische Konsequenz einer kontinuierlichen Entwicklung.
Allerdings muss man wohl mittlerweile das Umschlagen der Quantität in eine neue Qualität konstatieren. Denn Gotik und Bauhaus – um bei diesen prägnanten Beispielen zu bleiben – haben die mehr oder minder transparenten Bauhüllen stets mit einem deutlich sichtbaren Tragwerk in Beziehung gesetzt. Mit den heutigen geometrisch stark minimierten Pfosten-Riegel-Konstruktionen, punktgelagertem Glas, Zugstabsystemen oder Structural-Glazing-Bau-weisen kann hingegen auch das Tragwerk optisch reduziert werden, bis es für den flüchtigen Betrachter faktisch unsichtbar wird. Dies allein ließe sich vielleicht noch als quantitative Entwicklung beschreiben: Im ersten Schritt wurde die massive Wand in ein Skelett-Tragwerk transformiert, ehe im zweiten Schritt nun das Tragwerk zu einer kaum mehr auffindbaren filigranen und transparenten Konstruktion uminterpretiert wird.
Rhythmus und Maßstäblichkeit
Doch damit ändern sich bisher selbstverständliche architektonische Prinzipien grundlegend, also qualitativ.
Wenn der optische Eindruck von Fassaden nur noch von der Verglasung bestimmt wird, steht das Tragwerk beispielsweise nicht mehr als ordnendes Prinzip für die äußere Ansicht des Gebäudes zur Verfügung.
Es gibt dann in der Horizontalen keine Fensterreihen, Gesimse oder ähnlichen Elemente, die Auskunft etwa über die Zahl der Geschosse geben. Die Notwendigkeit für eine markante Ausbildung der Traufe als eindeutig definierter oberer Gebäudeabschluss entfällt ebenso wie eine vertikale Gliederung durch Stützen, Pfeiler, Pilaster o.ä.
Glasfassaden lassen sich – zumal mit farblich getöntem Glas – heute ohne jede von außen sichtbare Befestigungsmittel verwirklichen. Allein die technische Möglichkeit, im Sinne von Machbarkeit, stellt eine Verlockung für viele Planer und Bauherrn dar.
Doch sei hier daran erinnert, dass Architektur eigentlich gestalteter Raum, also auch gestalteter Stadtraum sein soll. Völlig glatte Fassaden ohne jede gestalterische Prägung, ohne strukturgebenden Rhythmus und ohne humane Maßstäblichkeit wirken in der urbanen Umwelt oft beziehungslos und wie ein Fremdkörper. Derartige Gebäude dürften maßgeblich für das Klischee von den ”seelenlosen Glaskästen” verantwortlich sein, das immer wieder einmal in Architekturartikeln der Feuilletons ausgebreitet wird.
Transparenz als spezifisches Mittel
Wer Architektur als Gestaltung versteht, noch genauer: Als Gestalt-Gebung, wird also kaum auf das völlige Verschwinden eben dieser Gestalt hinarbeiten, sondern vielmehr nach zeitgemäßen Möglichkeiten für Maßstäbe und Strukturen von modernen Glasfassaden suchen.
Es bieten sich hier in erster Linie die Befestigungen bzw. das Tragwerk für die Verglasung an, worüber weiter unten noch zu sprechen sein wird.
Die gläserne Architektur bringt aber auch andere und neue Gestaltungsvarianten hervor, die mit opaken – also undurchsichtigen – Bauteilen eben nicht zu erreichen sind. Für die Lichtarchitektur von im Dunkeln beleuchteten Gebäuden (oder Gebäudeteilen) gibt es schon eine Reihe interessanter Beispiele. Wobei als Lichtquelle einerseits die normale Innenbeleuchtung, andererseits aber auch eigens installierte Leuchten dienen können. Letztere bilden dann abends und nachts eigenständige Lichtskulpturen aus.
Seit auch neutrales Glas, also Glas ohne merkliche Einfärbung und ohne Spiegeleffekt, in guter Qualität zur Verfügung steht, ist die strukturgebende Wirkung des Gebäudeinneren nicht mehr zwangsläufig auf die Nachtstunden begrenzt. Auch tagsüber kann der Innenraum mit einem Lichthof, einem Foyer oder einem Treppenhaus maßgeblich die äußere Ansicht prägen.
Das Verhältnis von außen und innen lässt sich auf diese Weise sehr spannend und neu interpretieren. Ähnliches ist mit dem Verhältnis Bauwerk-Umfeld möglich, wenn ganz bewusst mit Spiegelungen gearbeitet wird (und es eine „spiegelnswerte“ Umgebung gibt).
Gestalten mit der Konstruktion
Allein die transparenten oder auch spiegelnden Eigenschaften des Glases eröffnen also neue Gestaltungsvarianten für Fassaden. Ergänzt werden diese Möglichkeiten durch die schon kurz erwähnte Strukturgebung mit den Tragwerken bzw. Befestigungen der Verglasung.
Ein Klassiker des Glasfassadenbaus ist die Pfosten-Riegel-Bauweise, die einerseits direkt mit dem Gebäudetragwerk zusammen geplant und errichtet, andererseits aber auch auf ein schon vorhandenes und/oder separates Tragwerk aufgesetzt werden kann.
Die Ansicht ist vor allem vom rechteckigen Raster der Deckleisten geprägt, deren Ansichtsbreiten die Hersteller konsequent auf Größenordnungen von 50 mm minimieren. Wobei heute sowohl die senkrechten als auch die waagerechten Deckleisten gleiche Ansichten zeigen können, es also die früher zumeist übliche Betonung der Senkrechten nicht mehr geben muss.
Isoliergläser vor Pfosten-Riegel-Konstruktionen können im Scheibenzwischenraum gehalten werden, wodurch sich die Optik einer Ganzglasfassade annähert.
Statt auf einer Linie können die Gläser auch punktgelagert werden, wobei die Form und Funktionalität der Punkthalter selbst als gestalterisches Mittel begriffen wird. Die Halter können starr oder mit Gelenk eingesetzt werden, wobei das Gelenk entweder an der Glasebene oder an der Unterkonstruktion sitzt. Auch zweigelenkige Ausführungen sind möglich.
Seitliche Distanzen zwischen dem Befestigungspunkt der Verglasung und der Verankerung in der Tragkonstruktion lassen sich mit Spidern überbrücken. Speziell mehrarmige Spider, die also mehrere Verglasungsbefestigungen in einem Punkt der Unterkonstruktion zusammenführen, können als attraktive filigrane Gebilde eine Glasfassade von innen spannend strukturieren.
Die Außenansicht von Punkthaltern variiert mit der Befestigungsart der Verglasung. Neben den in der Regel auch äußerlich gut zu erkennenden Klemmhaltern gibt es auch flächenbündige Lösungen mit Senklöchern. Mit Befestigungen nur in der inneren Scheibe von Isolierglas, Hinterschnittdübeln oder Verklebungen können Punkthalter von außen auch faktisch unsichtbar gestaltet werden.
Als Unterkonstruktion für die Befestigung der Punkthalter können konventionelle Tragwerke dienen, die das Gewicht der Verglasung aufnehmen und ableiten.
Möglich ist aber auch die Kombination von Glasklemmhaltern und Zugstabsystemen. Die fachwerkartigen Vor- und Hinterspannungen erlauben größere und/oder dünnere Glastafeln, weil sie Kräfte aus Windsog und -druck sowie aus Verformungen aufnehmen können. Vor allem aber reduzieren sie die optisch wirkende Massigkeit des Trag-skeletts deutlich.
Bei Zugstabsystemen hängt die Verglasung nicht nur passiv an ihren Befestigungen, sondern trägt je nach Konstruktion und Belastung selbst mit. Die Lösung ist insofern schon Teil des noch jungen Gebiets des konstruktiven Glasbaus.
Punkthalterungen für Verglasungen gibt es auch als Structural-Glazing-Lösung. Die Teller der Halter werden dabei werkseitig mit der Scheibe verklebt, wodurch ein Durchbohren des Glases, ja selbst ein Anbohren entfällt. Von außen ergeben sich völlig homogene Glasflächen ohne erkennbare Befestigungselemente.
Structural Glazing, als Technik der werkseitigen statischen Verklebung, kommt ebenso für liniengelagertes Glas zum Einsatz. Die Verglasungen werden dabei beim Hersteller randumlaufend auf Adapterrahmen geklebt. Die Komplettelemente aus Rahmen und Glas lassen sich dann auf beliebige Unterkonstruktionen montieren.
Sowohl beim punkt- als auch beim liniengelagerten Structural Glazing kann aber in den meisten Fällen aus genehmigungsrechtlichen Gründen nicht auf eine zusätzliche mechanische Sicherung verzichtet werden. Gerade die oft auch als Ganzglasfassade bezeichneten Systeme müssen dadurch mit nicht-gläsernen Haltesystemen ergänzt werden. Die Anbieter haben jedoch sehr dezente und unauffällige Lösungen entwickelt.
Produkte
Ohne Anspruch auf Vollständigkeit werden im folgenden verschiedene Produkte und Systeme für Glasfassaden mit betont filigraner bzw. eleganter Optik beschrieben.
Im Sinne des Artikels werden vor allem die gestalterischen Gesichtspunkte erwähnt, während auf die natürlich ebenfalls wichtigen konstruktiven, bauphysikalischen und genehmigungsrechtlichen Aspekte hier nicht eingegangen wird.
Raicotherm ist eine Pfosten-Riegel-Fassade, bei der die Pfosten und Riegel wahlweise aus Aluminium, Stahl oder Holz bestehen können. Auch Materialmischungen sind möglich. Die Ansichtsbreiten der Press- und Deckleisten aus Aluminium oder Edelstahl beginnen bei 50 mm. Neu im System sind Deckleisten, die nur 4 mm über die Glasebene hinausragen. Sie lassen sich mit den herkömmlichen Deckleisten kombinieren, so dass an der Fassade ein Rhythmus aus betonten und dezenten Leistenansichten hergestellt werden kann.
Der Hersteller bietet außerdem Stahlprofile für filigrane und elegante Pfosten- bzw. Riegelausbildungen an.
Weitere Informationen bba 534
Stahlfassaden mit betont transparenter und filigraner Optik bieten die Pfosten-Riegel-Systeme der Baureihe RP-ISO-Hermetic 45, deren Profilansichtsbreiten bei 45 mm beginnen.
Sie können als Komplettfassade bezogen werden, bei der die systemeigenen Riegel in die Pfosten gesteckt werden, wodurch Schweiß- und Schraubarbeiten entfallen.
Außerdem gibt es die Omega-Fassaden, die auf beliebig ausgeführte Unterkonstruktionen geschweißt oder geschraubt werden können.
Weitere Informationen bba 535
Hueck/Hartmann hat sein Fassadenangebot um eine Riegel-Riegel-Fassade erweitert.
Für Pfosten und Riegel werden hier die gleichen Profile verwendet, was den Aufwand für Logistik und Lagerhaltung vermindert und die Montage vereinfacht. Es ergibt sich durch die identischen senkrechten und waagerechten Profile eine feingliedrige und dezent zurückhaltende Optik an der Fassade. Die Aluminiumprofile haben 50 mm Ansichtsbreite.
Weitere Informationen bba 536
Ohne sichtbare Pressleisten kommt das Fassadensystem SGG Vario von Saint-Gobain Glass aus.
Die Glaselemente werden hier über integrierte System-Einschubstücke im Randverbund des Isolierglases auf der Fassadenkonstruktion befestigt. Es entsteht die Optik einer Ganzglasfassade, bei der die Einschubstücke die mechanische Befestigung und die Absturzsicherung der Außenscheiben bewirken.
Das Unternehmen bietet außerdem eine Reihe verschiedener Systeme für punktgelagerte Verglasungen an.
Weitere Informationen bba 537
Ein umfangreiches Sortiment von Punkthaltesystemen für rahmenlose Verglasungen bietet Glassline an.
Zum Grundangebot gehören zehn verschiedene Standardsysteme von Punkthaltern aus Edelstahl, den Großteil der Produktion machen jedoch nach Unternehmensangaben die objektbezogenen Sonderlösungen für Fassaden, Glasdächer, Aufzugsverglasungen u.ä. aus.
Weitere Informationen bba 538
Die Fischerwerke haben ihre bisher schon für Naturstein und andere Materialien eingesetzte Technologie der Hinterschnitt-Verankerung weiterentwickelt und bieten den Zykon-Plattenanker jetzt auch für die Befestigung von Glas an.
Die Scheibe muss also nicht vollständig durchbohrt werden, sie bleibt auf der Außenseite vielmehr völlig glatt. Eine maximale Transparenz der Glasfläche wird durch kleine Befestigungspunkte von 20 mm Durchmesser erreicht. Die speziellen Hinterschnittbohrungen sind bei Glasdicken ab 10 mm möglich.
Weitere Informationen bba 539
Glasklemmhalter in verschiedenen konstruktiven und gestalterischen Ausführungen bietet Dorma mit den Sortimenten Rodan, Manet oder Loop an.
Zum Halter Rodan gibt es außerdem das in Serie produzierte gleichnamige Zugstabsystem, das eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung besitzt. Mit kleinen Querschnitten können große Stützweiten überbrückt werden, wodurch besonders filigrane Fachwerke möglich werden.
Weitere Informationen bba 540
Steindl SGPunkt ist ein Structural-Glazing-Fassadensystem mit punktgelagerten Verglasungen.
Die Halter werden in der Vorfertigung mit der Verglasung statisch verklebt. Anschließend können die Elemente auf Unterkonstruktionen aus Holz, Aluminium oder Stahl montiert werden. Der gleiche Hersteller bietet außerdem eine Structural-Glazing-Fassade mit liniengelagertem Glas an. An den Ecken der Scheiben sind Viertelkreise eingeschliffen, die den absturzsichernden Draht aufnehmen.
Weitere Informationen bba 541
SG 50 N und FW 50 SG sind zwei bauaufsichtlich zugelassene Schüco-Fassadensysteme mit Ganzglasoptik. Bei FW 50 SG greift eine mechanische Befestigung in den Scheibenzwischenraum des Isolierglases, die Außenscheibe hält nur durch ihre Verklebung im Glasrandbereich. SG 50 N ist ein klassisches Structural-Glazing-System, bei dem das Isolierglas komplett durch die Verklebung in der Vorfertigung gehalten wird.
Als zusätzliche mechanische Sicherung beim Einsatz über 8 m Höhe stehen für dieses System umlaufende Aluminium-Halteprofile mit 10 mm Ansichtsbreite zur Verfügung.
Weitere Informationen bba 542
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