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Gründerzeit transformiert

Neubau eines Wohnhauses in Berlin
Gründerzeit transformiert

In der Torstraße haben Graft Architekten ihr erstes mehrgeschossiges Wohnhaus in Berlin realisiert. Das Gebäude fügt sich als klassische Lückenschließung in die vorhandene Zeilenbebauung ein, kann sich darin aber gleichzeitig mit seiner scharfkantig- kristallinen Metallfassade als moderner Solitär behaupten.

Markus Hoeft

Als „mittendrin, aber dennoch unfertig“ beschreibt Projektentwickler Patrick Reich die Torstraße in Berlin-Mitte. Und tatsächlich liegt die Straße nur wenige Gehminuten von berühmten Stadtquartieren wie dem Hackeschen Markt und dem Scheunenviertel entfernt, konnte aber lange Zeit kaum von deren Ausstrahlung und Aufschwung profitieren. Was auch damit zu tun haben dürfte, dass die gut 2 km lange Torstraße eine wichtige Haupt- und Durchgangstraße mit insgesamt sechs Fahr- und Parkspuren ist, die den ganzen Tag über gut besetzt sind. Idyllisch wohnen geht also ganz sicher anders – allerdings dürften auch nur wenige Orte noch urbaner sein als dieser.
Patrick Reich griff deshalb sofort zu, als sich die Gelegenheit bot, eine der wenigen Baulücken in der sonst Berlin-typisch mit geschlossener Blockrandbebauung gefassten Straße zu bebauen: „Die Torstraße polarisiert, trennt sie doch als wichtige Verkehrsader den etablierteren Mitte-Bereich von dem noch mehr ursprünglichen Teil. Uns hat die Aufgabe gereizt, gerade an dieser Stelle ein anspruchsvolles Wohnhaus zu entwickeln.“
Schattenwirkung und Dreheffekte
Den architektonischen Entwurf bis zur Genehmigungsplanung übernahmen Graft Architekten, Berlin, Los Angeles, Beijing. Unter der Bauleitung von Bollinger + Fehlig Architekten, Berlin, entstanden bis 2012 auf dem trapezförmigen Grundstück vier Vollgeschosse mit acht Wohnungen zwischen 106 und 160 m² sowie ein Penthouse im Staffel- und ein Laden im Erdgeschoss. In seiner Blockrandstellung sowie der Größe und Funktionalität orientiert sich das Gebäude weitgehend an der vorhandenen Substanz der Torstraße.
Einen markanten Kontrapunkt setzt jedoch die stark strukturierte Fassade aus schimmerndem Aluminium, das je nach Lichteinfall und Betrachtungswinkel in bronze- bis silberfarbenen Metalltönen changiert. Die kristalline Form der Oberfläche bildet so das Spiel des Lichts sowie scharf gezeichnete Schattenkontraste ab.
Zusätzlich sorgen die fassettierten Fassadenelemente zusammen mit den keilförmig aus der Ebene herausragenden kleinen Austritten/Balkonen für einen besonderen Effekt beim Vorbeigehen: Es scheint, als würde sich das Gebäude mit dem Passanten drehen und sich dann schließlich – sozusagen zur Verabschiedung – vom Betrachter abwenden.
Technische Grundlage für diese Effekte sind gekantete Aluminiumtafeln, die Metallspezialist BSS Metall- u. Schiffsausbau GmbH gekantet, pulverbeschichtet und montiert hat. Auf eine klassische Tragkonstruktion in flächiger Ausbildung wurde dabei verzichtet. Stattdessen sind die Fassadenbleche an den Fenstern befestigt. Auch die Fenster selbst bestehen aus Aluminium und führen das Farbenspiel der Fassadenbleche fort. Der an eloxiertes Material erinnernde Ton entstand auf Basis einer Pulverbeschichtung AnColor von Schüco.
Mit der Fassade ist es Graft Architekten gelungen, ihr Werk eindeutig von der etwas uninspiriert glatt-verputzten Nachbarbebauung abzuheben und ihm Unverwechselbarkeit in der Straßenflucht zu verleihen.
Trotzdem bezeichnet Wolfram Putz von Graft Architekten die Gestaltung als Interpretation und Transformation der umgebenden historischen Gründerzeit-Architektur: „Auf den ersten Blick wirkt das Haus natürlich modern. Aber wenn man genauer hinsieht, merkt man: Das Ordnungsraster der Fassade mit seiner rechtwinkligen Geometrie ist verwandt mit der klassischen Ordnung der Gründerzeitfassaden. Außerdem ist die Fassade optisch in der Vertikale überhöht: Wie bei vielen gründerzeitlichen Gebäuden scheint sie nach oben hin kleiner zu werden. Damit entwickelt der Entwurf bewusst ein klassisches Motiv in die Moderne weiter.“
Wohnen auf drei Ebenen
Die Formensprache der Fassade wird im Inneren auf immer wieder neue Art variiert. Etwa in der Lobby, die mit gestaffelten Bekleidungen wie eine organisch fließende Form den Eintretenden in das Gebäude hineinführt. Oder an den Treppengeländern und Kaminen, die ebenfalls die Materialität der Außenhaut wiederholen. Darüber hinaus richten die Architekten die Wohnungen auf Wunsch auch individuell ein, so dass jeder Raum zum Unikat wird.
Die eigentliche Besonderheit der Bauweise erschließt sich aber erst beim Betreten der Wohnungen im ersten und vierten Stock mit ihrer Split-Level-Bauweise. Die übliche horizontale Etagengliederung, wie sie die Wohnungen im zweiten und dritten Obergeschoss aufweisen, ist hier auf spannende Art aufgebrochen. Die Stahlbetonkonstruktion wurde planerisch in der Vertikalen geteilt und um ein halbes Stockwerk versetzt zusammengefügt. In einer Wohnung entstehen dadurch drei Ebenen, die über Treppen miteinander verbunden sind. Wenn man so will, handelt es sich um Maisonette-Wohnungen, die aber nur zur Hälfte gegeneinander versetzt sind, so dass sich überraschende Durchblicke zwischen den Ebenen öffnen. Die Bauweise schafft zudem mit ihren sehr unterschiedlichen Deckenhöhen von bis zu 3,60 m immer wieder andere Raumeindrücke. Im Zusammenspiel mit den großen Fenstern, den innovativen Grundrissen und den stilsicheren Gestaltungsdetails bietet das Projekt Tor 149 so eine designorientierte Innenarchitektur für individuelle Wohnbedürfnisse.
Architekten: Leistungsphasen 1–4: Graft – Gesellschaft von Architekten, Berlin, Los Angeles, Beijing Leistungsphasen 5–9: Bollinger + Fehlig Architekten, Berlin
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