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Glänzend herausgehoben

Neubau eines Auto-Museums in Stuttgart
Glänzend herausgehoben

Rund 100 Millionen Euro und vier Jahre später ist es geschafft: Das neue Porsche-Museum in Stuttgart ist eröffnet. In Zuffenhausen, wo auch der berühmte 911er vom Band läuft, steht ein repräsentativer Neubau nach den Plänen von Delugan Meissl. Ein enormer Baukörper in Weiß ruht elegant und unterseitig verspiegelt auf drei Stahlbeton-Kernen.

Wer schon einmal von der Autobahn nach Stuttgart-Zuffenhausen gefahren ist, der kennt den Charme dieses Stadtteils. Geprägt von Industrie und Verkehr, leuchtet hier kein Stern über der Straße und prägen keine architektonische Meisterleistungen das Bild – bis jetzt. Denn nun ist es gelandet, das Raumschiff Porsche-Museum. Fährt man unter dem Transportband des Porsche-Werks hindurch, das sich als Brücke über die vielbefahrene Straße nach Zuffenhausen legt, dann definiert eine neue Raumkante den Porscheplatz, bislang nur als Kreisverkehr wahrgenommen.

Wie ein großes Etwas aus einer unbekannten Welt, erhebt es sich vor einem und wirkt in seiner dekonstruktivistischen Art faszinierend auf den Betrachter, nicht zuletzt wegen seiner makellosen weißen Färbung und der spiegelnden Unterseite. Denn bei diesem Bauwerk gibt es eine echte Unterseite, schwebt es schließlich und steht nicht nur.
Delugan Meissl setzten beim Porsche-Museum nämlich nicht einfach einen Baukörper auf den Bauplatz, sondern hoben den wichtigsten Bereich eines Museums, den Ausstellungsbereich, in die Höhe. So ruht der große Teil des Baukörpers elegant auf drei Kernen aus hochfestem Stahlbeton, der von Godel Beton aus Stuttgart geliefert wurde und aufgrund der hohen statischen Anforderungen jede Menge Lasten abtragen muss. Drei Kerne, die als Stützen und Technik- wie Erschließungszugänge zum oberen Ausstellungsbereich von einem Sockelgeschoss umgeben sind.
Hier finden sich Foyer, Café, Shop und vor allem die Schauwerkstatt als eines der interessanten Elemente des Museums. Wer möchte, kann hier den Porsche-Mechanikern bei Reparatur, Wartung oder Restaurierung der Museums-Stücke oder sogar des eigenen Porsches zusehen. Hemdsärmliche Museumspädagogik, wie sie für einen Tüftler wie Ferdinand Porsche passender nicht sein könnte.
Meisterleistung Stahlkonstruktion
Neben den Betonkernen, die die Last abtragen, verbirgt der obere Teil eine weitere konstruktive Herausforderung. Roman Delugan selbst meinte zur Eröffnung, dass dieser Bau so vor ein paar Jahre nicht denkbar gewesen sei. Denn mit nahezu derselben Menge Stahl wie beim Eiffelturm, immerhin 6 000 t, und Spannweiten von bis zu 60 m und Auskragungen von bis zu 50 m, wurde an die Grenze des Machbaren gegangen.
Dass ein solches Projekt überhaupt möglich wurde, ist nicht zuletzt der Arbeitsgemeinschaft aus Architekten, Tragwerksplanern und Stahlbauern zu verdanken. Denn mit Delugan Meissl als mutige Entwerfer, dem Büro Leonhardt, Andrä und Partner für Tragwerksplanung sowie mit den Stahlspezialisten von Stahlbau Queck, Stahlbau Donges und Stahlbau Bühler wurde ein erfahrenes und zuverlässiges Team zusammen gestellt. Das Ergebnis ist beeindruckend, wenn es auch angebracht ist, die Frage nach der Nachhaltigkeit zu stellen angesichts solcher Mengen Stahl in Zeiten von Rohstoffmangel.
Doch die Konstruktion bleibt in jedem Fall richtungweisend, gelang es doch, die Baumasse von über 35 000 t Gewicht, die der obere Gebäudeteil auf die Waage bringt, auf nur drei Betonkerne abzuleiten. Als diese sowie der Sockelbau fertig waren, wurden zunächst an den Stützenpunkten große Stahlplatten angebracht, die die Durchstoßpunkte stabilisieren und so eine flächige Kraftaufnahme ermöglichen. Eine Maßnahme, die ebenso wie die besondere Behandlung der Kerne nötig war. Denn einer der Kerne wurde als flache Y-Stütze ausgeführt und mit einer stark vorgespannten Armierung versehen. Diese besteht aus acht daumendicken Stahllitzen, die 22 m lang sind und mit 300 t vorgespannt wurden. So wird verhindert, dass der Beton in den Stützen reißen kann.
Über diesen Konstruktionen erhebt sich schließlich der Ausstellungsbereich, ebenfalls in Stahl ausgeführt. Große Fachwerkträger aus Stählen in Doppel-T-Träger-Form und mit Profilquerschnitten von 80 bis 1 000 mm nehmen dabei alle anfallenden Kräfte auf und leiten sie an die Betonkerne weiter. Anleihen nahm man bei Leonhardt, Andrä und Partner beim Entwurf des Tragwerks übrigens im Brückenbau, wo das Ingenieursbüro jede Menge Erfahrung vorweisen kann.
Gut in die Wirklichkeit umgesetzt
Wie gut die Arbeitsgemeinschaft in punkto Tragwerk und Umsetzung gearbeitet hat, das sieht man auch daran, dass sich Rendering und gebaute Wirklichkeit beim Porsche-Museum kaum voneinander unterscheiden – was bei spektakulären Bauten leider nicht immer der Fall ist. Selbst die Farbgebung in hellem Weiß, bestehend aus über 30 000 Stahlblech-Rauten, wurde gut umgesetzt. So kamen bei der „Fliegerbauchuntersicht“ hochpolierte Edelstahlrauten (Niroblech Oberfläche No.7) von Lummel zum Einsatz, während die übrigen Metallrauten von Ebener gefertigt wurden.
Man musste an der Fassade Änderungen zu den ursprünglichen Plänen vornehmen: Denn Porsche wollte die große Glasfassade, hinter der sich Restaurant und Veranstaltungsräume verbergen, weiter geöffnet sehen, als es geplant war. Eine gute Maßnahme, wie sich heute zeigt, weil das Museum so einen Blickbezug zu Porsche-Niederlassung und Werk zulässt und klare Offenheit vermittelt. Eine Geste, die auch durch den eleganten und freien Vorplatz des Museums geleistet wird, der sanft zum etwas unter Straßenniveau liegendem Foyer abfällt und den Besucher so hinein führt ins Museum.
Raum gekonnt inszeniert
Geht man die paar Schritte vom Vorplatz hinein in den Empfangsbereich, dann erkennt man sofort, dass die helle Außenfarbe auch innen fortgeführt wird. Weiße Wände, ein weißer Boden und lediglich ein dunkler Erschließungskern bilden den Farbrahmen für Kasse, Information, Shop und Café. Bewegt man sich vorbei an Ticketverkauf und Audio-Guide-Ausgabe, dann kommt man zum Kreuzungspunkt, an dem es zur Schauwerkstatt oder hinauf zur Ausstellung geht. Denn richtet man den Blick entlang den Rolltreppen und der Treppe dazwischen hinauf, dann erkennt man, dass das niedrige und tatsächlich etwas unspektakuläre Foyer nur der Anfang ist. Denn über die Erschließung gelangt man durch die Glasdecke, die das Rautenmuster der Außenhaut aufnimmt, in den eigentlichen Hauptbereich des Museums: die Ausstellung. Sie befindet sich im aufgeständerten Bereich des Gebäudes, der, wie Roman Delugan das bezeichnet, den Kosmos Porsche auf ein Tablett nach oben hebt.
Und auch die Ausstellung ist ganz in Weiß gehalten und lässt auf diese Weise den Hauptdarstellern des Ganzen die Bühne. So können die einzelnen Porsche-Exponate in diesem Museum für sich wirken – ganz gleich, in welchen Farben sie lackiert oder, wie die Rennwagen, beklebt sind. Platziert sind sie dabei übrigens auf weißen Bodenplatten Crystal White von Witex, die erstmals in diesem großen Format verbaut wurden. Diese Platten mit einem Deckbelag aus Glas-Quarz-Mischung verleihen dem Raum seine typische monochrome Eleganz.
Didaktik in der Spirale
Diese Zurücknahme der begleitenden Elemente ist auch die Besonderheit des Museums: Hier werden keine Geschichten über die Fahrzeuge erzählt, es wird kein Infotainment-Feuerwerk gezündet, hier wird das Automobil, wird der Sportwagen, wird Porsche präsentiert. HG Merz, der Museumsgestalter aus Stuttgart, der bereits das Mercedes-Museum konzipierte, machte dabei in Absprache mit Porsche bereits bei der Ausschreibung enge Vorgaben an die Architekten, die Delugan Meissl wohl am besten umsetzten. Neben der reinen und monochromen Farbgebung waren dies vor allem die Voraussetzungen, ein lebendiges Museum zu schaffen, in dem die Exponate jederzeit ausgetauscht werden können. Schließlich gilt auch im neuen Porsche-Museum das Prinzip des rollenden Museums, bei dem das ein oder andere Ausstellungsstück durchaus einmal auf ein Rennen geschickt wird.
Darüber hinaus war es HG Merz wichtig, die Geschichte von Porsche in einem Rundgang zu erzählen, hier in Form einer Spirale. Unten beginnt man mit der Geschichte von Porsche vor 1948, also der Zeit, in der das Unternehmen als Ingenieursbüro vor allem fremde Aufträge übernahm – man denke an den VW Käfer. Weiter geht es vorbei an den Ideen Porsche – wie die Leichtbauidee um den 356, Studien oder Ideen um den 911 Turbo 3.0 mit 1 200 PS. Auch die Motorsport-Geschichte und Fremdentwicklungen Porsches kommen nicht zu kurz, ganz zu schweigen vom legendären und aktuellen 911er. Im Zentrum der Spirale steht dabei das Entstehen eines Porsches: In drei Schritten wird anhand eines längs geschnittenen 911 der Prozess dargestellt, vom Modell zum fertigen Fahrzeug. Beim Blick von der Dachterrasse erkennt man spätestens, wie wahr die Aussage von Roman Delugan ist, der meinte, dass man Zuffenhausen ebenso wie Porsche mit diesem Bauwerk eine architektonische Identität verliehen habe – eine Identität mitten im von Industriebauten geprägten Stuttgarter Stadtteil. mn
Roman Delugan: „Wir wollten den Kosmos Porsche zeigen und ihn wie auf einem Tablett nach oben heben. Deshalb steht der Ausstellungsbereich auf den drei Kernen. Und der Foyerzugang sollte den Eintritt erleichtern, heran führen. Auch wenn am Anfang Skepsis herrschte, natürlich nicht bei uns, ist diese Geste gelungen. Es war uns wichtig, das unter dem Baukörper kein Unort entsteht.“
Architekten: Delugan Meissl Associated Architects ZT Gesellschaft mbh, Wien Museumsgestaltung: Prof HG Merz Museumsgestalter, Stuttgart Tragwerksplaner: Leonhard, Andrä und Partner beratende Ingenieure, Stuttgart
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