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Dezent eingefärbt

Neubau von Hochschule und Museum unter einem Dach in München
Dezent eingefärbt

Als fugenlose Stahlbeton- bzw. Stahlbetonverbundkonstruktion konzipierten Peter Böhm Architekten den Neubau der Hochschule für Fernsehen und Film (HFF) und das Staatliche Museum für Ägyptische Kunst. Das massive Sockelgeschoss des Gebäuderiegels überzeugt mit einer künstlerisch anmutenden Schichtung aus dezent eingefärbtem Beton.

Dipl. Ing. Marc Nagel

Ein bemerkenswerter Neubau präsentiert sich vis-à-vis der Alten Pinakothek in der neuen Münchner Kulturmeile in der Maxvorstadt. Direkt neben der Pinakothek der Moderne von Stefan Braunfels Architekten, fußläufig zum Museum Brandhorst von Sauerbruch Hutton, hat der Kölner Architekt Peter Böhm nach einem Wettbewerbserfolg einen Entwurf realisiert, der zwei kulturell bedeutende Einrichtungen vereint: Die neue Hochschule für Fernsehen und Film (HFF) und das Staatliche Museum für Ägyptische Kunst sind hier unter einem Dach angeordnet.
Der achtgeschossige Gebäuderiegel überzeugt nicht nur durch seine prominente Lage. Auch die Bauweise des Sichtbetonmonolithen mit aufgesetztem Glaskörper zieht Aufmerksamkeit auf sich. So konzipierten Architekten und Tragwerkplaner das eindrucksvolle Gebäude als fugenlose Stahlbeton- beziehungsweise Stahlbetonverbundkonstruktion.
Anspruchsvolle Tragwerksplanung
Außen kontrastiert der eingefärbte Sichtbetonsockel mit dem darüber schwebenden Glaskörper. Die großen Räume im Sockel werden von dreigeschossigen Verbundfachwerken entlang der Flurwände mit Spannweiten bis zu 30 m stützenfrei überbrückt. Die durchaus anspruchsvolle Tragwerksplanung übernahm das Münchner Ingenieurbüro Sailer Stepan Partner. Dank entsprechender Schal- und Bewehrungsplanung konnten die teilweise geschossübergreifend hergestellten Sichtbetonteile reibungslos umgesetzt werden.
„Auch unser Konzept einer fugenlosen Bauweise mit den entsprechenden Nachweisen zur Gebrauchstauglichkeit unter konsequenter Beachtung baupraktischer Aspekte trägt wesentlich zum Erscheinungsbild bei“, so Dipl. Ing. Stefan M. Schmidt von Sailer Stepan Partner.
Mit seinen Dimensionen von 150 x 18,5 x 20 m nimmt der Neubau zunächst Bezug zur Proportion der Alten Pinakothek und stellt dem Bau von Leo von Klenze genau 175 Jahre nach seiner Eröffnung wieder ein Pendant gegenüber. Entsprechend den seitlichen Betonungen des Bestands mit platzbegrenzenden Risaliten und Baumalleen ordneten Böhm Architekten den Eingang in die Fernseh- und Filmhochschule im Osten an und jenen zum Museum, das unterirdisch angelegt ist, im Westen.
Die Cafeteria, Kinosäle oder Bibliothek der Hochschule sind frei zugänglich. Folgerichtig öffneten die Architekten den ansonsten geschlossenen Betonsockel mit einem verglasten Foyer. Vor dem extrovertierten Eingang setzt sich der öffentliche Raum nun im Gebäude fort. Im Gegensatz hierzu liegen die Studios der HFF im geschützten Betonsockel, um konzentriertes Arbeiten in fensterlosen Räumen mit guter Akustik zu gewährleisten. In den gläsernen Obergeschossen sind u.a. Büros sowie kleinere Seminarräume untergebracht.
Wie eine Ausgrabungsstätte
Das Staatliche Museum Ägyptischer Kunst empfängt durch eine gänzlich andere Eingangssituation. Eine breite Treppe führt hinunter zu einem schmalen Zugang in einer riesigen Portalscheibe aus Sichtbeton. Wie eine Ausgrabungsstätte haben die Kölner Architekten das Museum unter dem wiesenbedeckten Vorplatz komponiert. Und obwohl die Ausstellungsräume unterirdisch angeordnet sind, scheint man, gleichsam beim Hinabsteigen, zum Licht zu kommen. Der versenkte, zweigeschossige Lichthof wird von seitlich einflutendem Tageslicht erhellt, kleine Räume wechseln mit großen sakral anmutenden Hallen ab. So gelang es, für die altägyptischen Exponate adäquate Räume zu schaffen, die ihrem Rang als Bestandteil der Weltkunst entsprechen.
Künstlerischer Auftritt für Sichtbeton
„Keine alltägliche Bauaufgabe, eher ein Unikat, etwas Einmaliges“ – meint Bernd Rösch, der für das Bauunternehmen Leonhard Weiss den gesamten Rohbau als Oberbauleiter betreut hat. Peter Böhm Architekten hatten eine Betonfassade im Sinn, die einer archaischen Außenwand nahe kommt. Allein Form und gläserner Aufbau schreiben das Bauwerk der heutigen Zeit zu. Aber hier ist kein römischer Stampfbeton verarbeitet worden. Vielmehr haben die Betonbauer nach Vorgabe der Architekten „die einzelnen Schichten des Stahlbetonbaus geradezu provoziert“, so Bernd Rösch.
„Jede Schichtung – pro Tag ein Meter in der Höhe – war bis auf wenige Zentimeter präzise vorgegeben, jede farbig leicht variierende Lage wurde frisch in frisch ineinander betoniert.“
Dank der unterschiedlichen Schattierung erzielen die einzelnen Betonierabschnitte eine ästhetische Wirkung, die dem Sichtbeton einen künstlerischen Auftritt verschafft. Quarzporphyr in 8 bis 16 mm Größe trägt als gebrochenes Material neben Sand und Kies zur Farbgebung bei. Außerdem wurden rote und ockerfarbene Pigmente behutsam dosiert; den gewünschten Schichtenaufbau hatte man im Vorfeld anhand von Musterplatten angenähert. So fertigte man die raffinierte Tragschale mittels durchdachter Betonage aus einem konventionellen Transportbeton C30/37. Die massiven 45 und teilweise bis zu 70 cm dicken Sichtbetonfassaden wirken experimentell, wurden aber weitestgehend innerhalb des Teams der Architekten, Tragwerkplaner, Betonproduzenten und Rohbauer abgestimmt. Durch die abschließende Oberflächenbehandlung mittels Stocken, einer Technik, wie sie Steinmetze ausführen, erhielt das authentische Gebäude seinen eindrücklich haptischen Charakter.
Architekten: Peter Böhm Architekten, Köln Tragwerksplaner: Sailer Stepan und Partner GmbH, Beratende Ingenieure für Bauwesen VBI, München
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