Anforderung:
Flexibel, kostengünstig, hochwertig: Modulbauweise für Bauherrengemeinschaft mit Selbstausbaumöglichkeit
Lösung:
Der Bauboom der vergangenen Jahre hat die Eigenheimkosten in vielen Städten unaufhaltsam in die Höhe getrieben. Mancherorts können sich normal verdienende Familien mittlerweile keinen eigenen Wohnraum mehr leisten. Eine erfolgversprechende Gegenbewegung zu dieser Entwicklung sind Baugruppen oder Genossenschaften, die sich kollektiv zusammenschließen, um Kosten zu sparen und individuelle Vorstellungen umsetzen zu können. Exakt für diese Zielgruppe hat der Amsterdamer Architekt Marc Koehler sein Baukastensystem „Superloft“ entwickelt. Das Konzept integriert unterschiedlich große Wohneinheiten, die sich individuell den eigenen Wünschen entsprechend in Selbstorganisation ausbauen lassen. Der zentral platzierte Versorgungsschacht unterstützt dabei eine maximale Flexibilität bei der Grundrissgestaltung.
Erstmalig umgesetzt wurde das Superloft-Konzept zwischen 2013 und 2017 in Amsterdam. In Kooperation mit vier Baugruppen ist ein abwechslungsreich gestalteter, teilweise 11-geschossig ausgebildeter Block mit insgesamt 19 Wohneinheiten entstanden. Das Spektrum an realisierten Grundrissvarianten reicht dabei vom 30 m² großen Mikro-Loft über die 60 m² Studiowohnung bis hin zum 160 m² großen Penthouse. Als zusätzliche Funktionen wurden eine Gemeinschaftsküche sowie mehrere multifunktional nutzbare Ateliers integriert.
Individuell wohnen mit Selbstausbau
Eine weitere Umsetzung des Superloft-Moduls mit insgesamt 30 Einheiten ist jetzt in Utrecht fertiggestellt worden. Ähnlich wie in Amsterdam hatte sich auch hier eine Gruppe von Eigentümern gefunden; die Umsetzung des Projekts erfolgte in Zusammenarbeit mit der Baufirma Vinkbouw und den als Co-Unternehmer auftretenden Architekten.
Als Baugrund hatte die Gruppe 2015 das vorder- und rückseitig jeweils an einen kleinen Wasserlauf angrenzende Grundstück „Blok Y“ in der Siedlung Veemarkt im Nordosten von Utrecht erwerben können. Ausgehend von den vor Ort geltenden Bebauungsvorgaben, den Wünschen der Bewohner und den gestalterischen Möglichkeiten der vorgegebenen Modulbauweise entstand ein schmaler fünfgeschossiger Riegel.
Seine streng gerasterte, in einigen Bereichen leicht zurückspringende Frontfassade wird durch das Zusammenspiel der raumhohen Glasflächen mit den sichtbar gebliebenen Fassadenstützen und -trägern aus lichtweißem Beton geprägt. Deutlich vielschichtiger, aber ebenso transparent präsentiert sich die nach Westen orientierte Rückseite des Baukörpers: Oberhalb eines weit vorgeschobenen, offen einsehbaren und als gemeinschaftliche Gartenfläche genutzten Tiefgaragensockels findet sich hier ein lebendig abgestuftes Zusammenspiel von unregelmäßig vor- und zurückspringenden Volumen, die unterschiedlich große, teilweise privat und teilweise gemeinschaftlich genutzte Dachterrassen integrieren. Optisch zusammengehalten werden die verschiedenen Elemente durch schmale, ebenfalls aus weißem Beton gefertigte Stützen und Träger, welche die Grundkubatur des Gebäudes nachzeichnen und dabei das konzeptuell gewollte Zusammenspiel von serieller Vorgabe und individueller Interpretation sinnfällig auf den Punkt bringen.
Flexible Innenraumaufteilung
Im Inneren des Neubaus wurden insgesamt 30 Einheiten mit einer Höhe von 3 bis 6 m Höhe, einer Breite von 4,6 bis 6,5 m und mit einer Tiefe von zumeist 15 bis 18 m umgesetzt. Je nach Anforderung standen den Bewohner dabei fünf unterschiedliche Wohnungstypen zur Auswahl – vom eingeschossigen und 70 m² großen XS Loft bis hin zum 145 m² großen, drei Ebenen umfassenden Family Loft. Die wohnungstrennenden Wände und die Decken wurden entsprechend dem Modulaufbau aus Beton errichtet, der Innenausbau erfolgte jeweils in Eigenregie. Der Einsatz von Zwischendecken oder flexibel platzierbaren Innenraumwänden sowie individuell gewählten Treppen oder Fassadenausführungen ermöglichte dabei eine maximale Freiheit bei der Grundrissgestaltung und berücksichtigt gleichzeitig künftige Anpassungen bei Änderung der Bewohnerzahl oder bei gewandelten Wohnvorstellungen. Als zusätzliche Gemeinschaftsfunktion steht neben dem bequem erschließbaren Dachgarten über dem vorgelagerten Parkhaus auch ein Ausstellungsraum im Eingangsbereich zur Verfügung.
Vorgefertigte Decken aus Beton
Bei der Erstellung des Rohbaus kamen 2,4 m breite, 4,7 m lange und dabei 60 mm dicke Deckenelemente aus Stahlbeton zum Einsatz, die auf der Baustelle mithilfe eines Krans an den vorgesehenen Stellen montiert und anschließend bewehrt und mit Ortbeton ergänzt wurden. Die wohnungstrennenden Wände wurden demgegenüber als 250 mm dicke Ortbetonwände ausgebildet (lediglich im Bereich des Liftschachtes wurden 3 x 3 m große und 30 cm dicke Betonfertigteilwände eingesetzt).
Die hohe Festigkeit des dabei gewählten weißen Betons ermöglicht ein geringes Quadratmetergewicht und eine signifikante Reduzierung der Gesamtwandstärke. Den gleichen weißen Beton verwendete das beteiligte Betonwerk Vlassak auch für die Herstellung der filigranen, jeweils 28 x 28 cm dicken und bis zu 6 m langen Fassadenelemente. Eine große Herausforderung bedeutete dabei die gewünschte Flexibilität: „Denn letztlich sollte es ja möglich sein, dass die Eigentümer ihre Wohnungen nach eigenem Ermessen gestalten können“, erklärt Thijs Sonnemans, Projektleiter von Vlassak.
Energieeffiziente Umsetzung
Komplettiert wird das Konzept durch eine hochwertig gedämmte Gebäudehülle mit dreifach verglasten Fenstern, durch die Integration einer Photovoltaikanlage mit 180 Paneelen auf dem Dach sowie durch eine Fußbodenheizung und -kühlung in Kombination mit Erdwärmepumpen mit Wärmerückgewinnung. Im Zusammenspiel der unterschiedlichen Bausteine gelang den Architekten ein spannendes Vorzeigeprojekt, das nicht nur hinsichtlich seiner hohen Flexibilität und der kostengünstigen, aber dennoch hochwertigen Umsetzung, sondern auch in puncto Nachhaltigkeit überzeugt.
- Betonfertigteile in Lichtweiß
- Sichtbeton für Innenwände/Ortbeton
Bauherr: Private Initiative in Zusammenarbeit mit Stichting Blok Y, einer Kooperation von Bewohnern und Vinkbouw, Utrecht
Planung: Marc Koehler Architects, Amsterdam, in Kooperation mit der Initiatiefgroep Blok Y
Projektarchitekt: Roel van der Zeeuw
Projektteam: Mitchel Ovens, Marc Verhoef, Dirk Overduin, Mariana Rebelo Fernandes, Marijn Luijmes
Prozessmanager: Martijn van Sluijters
Bruttogeschossfläche: 5 150 m²
Fertigstellung: 2018
Architekt Marc Koehler: „Die Aussicht auf eine individuell nach eigenen Anforderungen und Wünschen auszubauende Wohnung hat dabei Interessenten unterschiedlichen Alters und aus unterschiedlichen Kontexten zusammengebracht.“
Projektleiter Thijs Sonnemans: „Die Elemente mussten nicht nur ausreichend schlank und biegesteif ausgebildet sein und ästhetisch möglichst kleine Fugen haben, sondern gleichzeitig auch unterschiedlichste Verbindungen zu Balkonen oder Balkonbrüstungen aufnehmen können. Um dabei die Verschraubungen im Bereich der Befestigungspunkte zu den Jalousien von außen nicht sehen zu können, wurde eigens eine kleine Abdeckplatte entwickelt und vorgesetzt.“
Die hohe Festigkeit des weißen Betons ermöglicht ein geringes Quadratmetergewicht und eine signifikante Reduzierung der Gesamtwandstärke.
Robert Uhde
Studium der Kunst und Germanistik in Oldenburg. Erstes Staatsexamen. Ausbildung zum Fachredakteur für Architektur bei der Verlagsgruppe Rudolf Müller in Köln. Seit 1997 freier Autor für Fachzeitschriften und Tageszeitungen. Eigenes Büro in Oldenburg.
www.robert-uhde.de