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Authentisch in Form und Farbe

Sanierung denkmalwerter Ziegeldächer
Authentisch in Form und Farbe

Markus Hoeft

Denkmale als originale Zeugnisse menschlicher Kultur und Entwicklung verkörpern nicht nur die künstlerischen Ideen ihrer jeweiligen Zeit, sondern auch deren handwerkliche und materialtechnische Fähigkeiten.
Schützenswert ist deshalb nicht nur die äußere Ansicht als Beleg früherer Architekturauffassungen. Ebenso sollte die zeitbedingte materielle und technische Ausführung möglichst authentisch erhalten bzw. wiederhergestellt werden.
Letzterer Gedanke findet in der Gesellschaft nicht immer die volle Unterstützung, weil hier Kosten und Mühe für etwas aufgewendet werden, das bei rein äußerlicher Betrachtung des Gebäudes oft nur für Fachleute zu erkennen ist.
Und es gibt natürlich auch Grenzen für den Aufwand bei Erhalt oder Wiederherstellung des technisch-handwerklichen Zeugniswerts eines Gebäudes; Grenzen finanzieller Art und funktionale Einschränkungen.
Denn bei allem Ringen um Authentizität muss ein Denkmal auch bewohn- und benutzbar nach heutigen Vorstellungen sein.
Im Spannungsfeld zwischen Rekonstruktionsaufwand, moderner Funktionalität, technisch-historischem Zeugniswert sowie baukünstlerischer Wiederherstellung muss der Planer bei Denkmalsanierungen oft sensibel abwägen und am Ende ausgewogene Kompromisse finden.
Material und Technik bewahrt
Relativ günstig ist die Situation bei Baudenkmalen mit historischen Ziegeldächern. Denn Dachziegel aus gebranntem Ton werden bis heute aus dem gleichen Material und teilweise in den gleichen Formen hergestellt. Für eine authentische Rekonstruktion können teure Sonderanfertigungen deshalb meist vermieden werden. Und auch die Verarbeitung der Ziegel auf dem Dach gleicht in den Grundzügen noch immer der Technologie früherer Jahrhunderte.
Bei aller Kontinuität rund um die Dachziegel hat es aber auch Veränderungen gegeben, vor allem in der Herstellung. Beim Brand in modernen gasbefeuerten Tunnelöfen entstehen heute gegenüber den historischen Kohlebrandöfen sehr viel gleichmäßigere Qualitäten. Die Ziegel sind einheitlich hochwertig, was im Sinne der Funktionalität und Dauerhaftigkeit ein Vorteil ist.
Homogenität kann irritieren
Neue Dachziegel sind jedoch ebenso in der Farbe weitgehend einheitlich, was bei Denkmalen eventuell nicht immer erwünscht ist.
Eine solche Gleichmäßigkeit entspricht nicht dem historischen Deckungsbild. Frühere Ziegeldächer waren vom ersten Tag an nicht homogen in der Farbe. Die sich bildende Patina hat für weitere Nuancierungen des Farbspiels gesorgt, so dass die Menschen mit dem alten Gebäude ein „lebendiges“, um einen farblichen Grundton herum changierendes Bild des Dachs verbinden. Wird ein solches Dach nun vollflächig mit Ziegeln moderner Produktion erneuert, entsteht eine sehr homogene und offenkundig neue Dachansicht, die nicht immer mit dem ehrwürdigen Charakter des Gesamtgebäudes harmoniert.
Eventuell wirkt das sehr gleichmäßige Dach nun viel dominanter als vorher. In jedem Fall aber stimmt das neue Dach nicht mit den Erinnerungen der Menschen an den Vorzustand überein, was zu Irritationen führen kann.
Es ließe sich an dieser Stelle berechtigt einwenden, dass der Unterschied zwischen Vorzustand und saniertem Bild bei jeder Dacherneuerung, ja bei jeder Bauteilerneuerung auftritt. Baudenkmale wirken jedoch in besonderem Maße stadtbildprägend und identitätsstiftend.
Reparatur als handwerkliche Tradition
Im Vorfeld einer Dachsanierung am Denkmal muss geklärt werden, welchen Wert das historische Dach in Relation zum Gesamtensemble hat.
Im Extremfall kann die Dachdeckung allein schon ein Denkmal, ein originales Zeugnis menschlicher Entwicklung sein, wenn sie sich etwa durch besondere Formen oder Handwerkstechniken auszeichnet. Das rechtfertigt dann auch einen sehr hohen Aufwand bei der Erhaltung.
In den meisten Fällen dürfte das Dach aber nur Teil eines insgesamt denkmalwerten Gebäudes oder auch Gebäudeensembles sein. Dann ist bei der Auswahl zwischen Reparatur, Teilflächenerneuerung und vollständiger Neudeckung der Aufwand im Verhältnis zum angestrebten Nutzen für das Gesamtdenkmal abzuwägen.
Die Möglichkeit der kleinteiligen Reparatur ist ein wichtiger Vorteil von Ziegeldächern, den unsere Vorfahren auch beabsichtigten und intensiv nutzten. Insofern drückt diese Sanierungsmethode den größten Respekt vor dem handwerklichen Zeugniswert der Dachdeckung aus. Voraussetzung ist allerdings, dass die Ziegel noch weitgehend intakt sind. Das ist nur sehr selten auf dem gesamten Dach der Fall. Meist ist der Erhaltungszustand an der Traufe, am First oder an anderen Details schlechter als in der ungestörten Fläche. Dann bietet die Umdeckung mit teilweiser Erneuerung eine sehr authentische Sanierungsmöglichkeit. Der Aufwand ist nicht ganz klein, weil jeder Ziegel in die Hand genommen und geprüft werden muss. Für die nicht mehr verwendbaren Stücke sind in Form und Farbe angepasste Ziegel zu beschaffen. Für das Wiederverlegen der weiter benutzbaren historischen Ziegel gibt es verschiedene Möglichkeiten. Erstens lassen sich neue und alte Ziegel in der Fläche mischen. Zweitens können die neuen Ziegel für bestimmte Details eingesetzt werden, etwa für Streifen an Traufe und First. Die dritte und oft harmonischste Lösung ist die Konzentration der historischen Ziegel komplett auf einer Teilfläche und die Neudeckung der anderen Teilflächen.
Gerade bei klassischen Satteldächern können die beiden Seiten verschieden ausgeführt werden, ohne das der Kontrast zwischen alt und neu offenkundig ins Auge fällt.
Voraussetzung für alle Reparaturen oder Umdeckungen ist freilich stets eine hinreichende Anzahl noch verwendbarer alter Ziegel. Außerdem geht die Teilerneuerung nicht der Frage aus dem Weg, welche Ziegel als Ersatz für die verschlissenen verwendet werden sollen.
Neue oder zweitverwertete Dachziegel
Die zu ersetzenden Ziegel bei der Rekonstruktion von Denkmälern müssen nicht unbedingt neu sein. Eventuell lassen sich Dachdeckungen in identischer Form von Abrissgebäuden aufkaufen.
Oder der Planer wird bei Händlern historischer Baumaterialien fündig. Beide Möglichkeiten haben einen hohen authentischen Wert für das Denkmal.
Für beide Methoden muss man allerdings einen ausreichenden zeitlichen Vorlauf haben. Denn nur mit sehr großem Glück lässt sich das passende Material gleich im ersten Anlauf finden. Praktiker berichten durchaus auch von mehrjähriger Suche oder von langwierigen Terminverhandlungen mit den Eigentümern von potenziell abzureißenden Häusern.
Doch ob eigenes oder fremdes Gebäude oder historischer Baustoffhandel, Dachziegel in Zweitverwendung bieten nie die gleiche technische Sicherheit wie neu produzierte Stücke. Oft verlangt der Bauherr Zusagen über eine bestimmte Lebensdauer der erneuerten Deckung und der Planer muss dann auf neue Ziegel ausweichen.
In diesem Fall sind handgefertigte Dachziegel aus heutigen Manufakturen eine dem Original sehr nahe kommende Lösung.
Diese Manufakturen pflegen bewusst die alten Techniken des Handstrichs und des Kohlebrands. Gearbeitet wird meist nur auftragsbezogen, es gibt also keine Standardware.
Dafür bekommt der Planer in Maßen, Formen und Farben genau auf sein Vorhaben abgestimmte Dachziegel. Die auftragsbezogene Handarbeit hat freilich auch ihren Preis und erfordert ebenfalls lange Vorlaufzeiten.
Ein Kompromiss kann eventuell die Sonderanfertigung bei industriellen Dachziegelherstellern sein, die die Herstellung individueller Ziegelmodelle teilweise anbieten. Wenn der Bauherr bereit ist, die Kosten zu tragen, kann auch hier ggf. Handstrich vereinbart werden, also die Formung des Ziegels per Hand. Gebrannt wird in den Ziegelwerken jedoch in modernen Gasöfen.
Sortimente mit historischen Modellen
So vielfältig und interessant die beschriebenen Möglichkeiten bei der Beschaffung von historischen oder angepassten neuen Ziegeln auch sind: Der Aufwand an Zeit und Geld ist in jedem Fall hoch. Nicht jeder Bauherr kann oder will ihn tragen – und nicht jedes Denkmal rechtfertigt diesen Aufwand. Für die meisten Baudenkmäler kommen deshalb Ziegel aus der modernen Serienproduktion zum Einsatz.
Die Hersteller haben sich auf diese Nachfrage eingerichtet und bieten historische Formen oder früher gebräuchliche Ziegelmodelle bis heute an.
Ein erster Schritt bei der Planung einer denkmalgerechten Dacherneuerung sollte deshalb sein, den Hersteller der alten Deckung zu ermitteln und zu prüfen, ob dieses Werk noch arbeitet bzw. ob es das alte Ziegelmodell noch produziert.
Andernfalls müssen die Sortimente der Ziegelhersteller nach einem dem Original angenähert entsprechenden Modell durchsucht werden.
Bei Biberschwanzziegeln ist das Angebot an Formen und Maßen sehr groß, so dass ein passendes und auch von der Denkmalpflege akzeptiertes Format meist gefunden werden kann. Gute Erfolgsaussichten gibt es auch für Hohlpfannen, Krempziegel sowie Mönch-Nonne-Ziegel.
Falzziegel gibt es erst rund einhundert Jahre, für mittelalterliche oder andere frühe Denkmäler spielen sie also keine Rolle. Doch auch hochwertige Gebäude aus dem Industriezeitalter stehen teilweise schon unter Denkmalschutz, für die dann Herzziegel oder Doppelmuldenfalzziegel auf dem Markt zu finden sind.
Eng mit der Entscheidung über das Modell verbunden ist das wählbare Angebot an Farben und Oberflächen. Die Problematik der anfänglich sehr homogenen Farbgebung wurde oben schon erwähnt.
Doch auch moderne Ziegel bilden unter den Einflüssen der Umwelt im Laufe der Zeit eine Patina aus. Man kann deshalb argumentieren, dass ein neu gedecktes Dach im Sinne der Materialehrlichkeit am Anfang eben neu aussehen muss und ein authentisch patiniertes Bild erst nach Jahren erreicht. Denkmalpflege beinhaltet schließlich unter anderem, die Bau- und Umbaugeschichte des Gebäudes nicht zu unterschlagen.
Farbgebung mit Nuancen
Je nach Bauwerk, Situation und Auftraggeber ist aber auch eine andere Vorgehensweise möglich. Nämlich Ziegeloberflächen zu wählen, die bereits ab Werk Farbnuancen enthalten.
Es handelt sich dabei nicht um „bunte” oder „unnatürlich“ gefärbte Ziegel, sondern um Oberflächen, bei denen historisch tradierte Methoden der Gestaltung in die moderne Produktion überführt wurden. Die Materialehrlichkeit bleibt also erhalten.
Solche tradierten Methoden sind beispielsweise das Dämpfen, das chemisch gesehen ein reduzierter Brand ist. Früher wurde der Sauerstoffentzug für die Reduktion durch die Zugabe von Laub und Zweigen in den Ofen erreicht. Heute kann der gleiche Prozess durch gezielte Reduzierung des Sauerstoffangebots nachvollzogen werden.
Das Resultat sind beiden Fällen sehr attraktiv ungleichmäßige Farbgebungen.
Der umgekehrte Fall ist das Brennen mit Sauerstoffüberschuss, das ebenfalls zur historischen Tradition gehört. Es bilden sich Oberflächen mit intensiven Farben aus dem gelb-roten Bereich.
Eine weitere Möglichkeit der Farbgebung sind Engoben, bei denen Tonschlämme vor dem Brennen auf die Oberfläche durch Tauchen, Übergießen, Schleudern oder Spritzen aufgebracht werden. Je nach Zusammensetzung der Schlämme entstehen im Brand dann verschiedene Farbgebungen.
Mit speziellen Verfahren kann heute der frühere, nicht immer gleichmäßige Auftrag nachempfunden werden, wodurch es, wie beim oxidierenden oder reduzierenden Brand, zu nuancenreichen Ziegeln kommt.
Kein Stück gleicht dabei dem anderen, aber alle changieren harmonisch um einen gemeinsamen Grundfarbton herum.
Im Idealfall kann mit den genannten Methoden ein Verlegebild erreicht werden, das mit dem gewohnten Anblick des Baudenkmals vollständig übereinstimmt. Gleichzeitig bleibt der technisch-handwerkliche Zeugniswert erhalten, weil es sich eben um dem Ton natürlicherweise innewohnende Farben handelt. Sie werden heute genauso wie früher aus dem keramischen Scherben heraus entwickelt und verändern im Verlauf ihrer Liegedauer durch Patinabildung ihr Farbspiel.
In Einzelfällen kann es übrigens sein, dass tatsächlich bunte Ziegeloberflächen bei Sanierungen in der Denkmalpflege benötigt werden. Denn das Prinzip der farbigen Glasur ist ebenfalls eine überlieferte Technik und bei manchen (Denkmal-)Dächern ein ursprüngliches und wesentlich mitbestimmendes Gestaltungsmittel.
Eine Patinierung tritt bei Glasuren seltener bzw. weniger intensiv auf als bei naturbelassenen oder engobierten Oberflächen.
Angebote
Wegen der vielfältigen Dachziegelmodelle, die je nach Objekt in der Denkmalpflege von Interesse sind, kann die nachfolgende Auflistung von Herstellern naturgemäß nur unvollständig sein. Es wurde ein Schwerpunkt auf neue Dachziegel ohne Verfalzung gelegt.
Ein Sortiment von Biberschwanzziegeln in verschiedenen Formaten und Schnitten bietet Creaton an.
Neben naturbelassenen und engobierten Oberflächen steht mit der Collection Nuance auch eine umfangreiche Auswahl an farbigen Glasuren zur Verfügung.
Weitere Informationen bba 529
Hohlpfannen mit zwei verschiedenen Schnitten sowie die in manchen Regionen tradierten Krempziegel stellen die Jacobi Tonwerke her, die außerdem Biber in sechs Standardfarben sowie in einer Collection Biberbunt anbieten.
Weitere Informationen bba 530
Die Dachziegelwerke Jungmeier bieten ebenfalls ein Bibersortiment an, außerdem Mönche und Nonnen (einzeln). Diese vor allem im Kirchenbau verwendeten Ziegel stehen naturrot sowie in vier engobierten Tönen zur Auswahl.
Weitere Informationen bba 531
Biber, darunter auch solche mit changierenden Oberflächen, gehören zum Programm von Koramic Dachprodukte in Langenzenn. Vom Schwesterunternehmen in Brüggen kann außerdem eine Flämische Hohlpfanne naturrot, engobiert oder gedämpft bezogen werden.
Weitere Informationen bba 532
Im Produktprogramm Opal von Braas gibt es Biber mit matter, seidenmatter und glänzender Oberfläche sowie farblich abgestimmte Turmbiber, die speziell für kleinere und ggf. auch gekrümmte Dachflächen vorgesehen sind.
Weitere Informationen bba 533
Die Klosterpfanne Antico ist ein in vier Farben lieferbarer kombinierter Mönch-Nonne-Ziegel, zu dem aber auch einzelne Mönche bzw. Nonnen angeboten werden. Zum Programm des Herstellers Meindl gehören außerdem Biberschwanzziegel.
Weitere Informationen bba 534
Die F. von Müller Dachziegelwerke fertigen für denkmalwerte Objekte Ziegel originalgetreu nach historischen Vorlagen an, bei Bedarf auch in einer Handformabteilung und mit einem historischen Maschinenpark.
Zum Lieferprogramm gehören außerdem verschiedene Modelle von Mönch-Nonne-Ziegeln (einzeln oder kombiniert), ein Linkskremper sowie ein Sortiment an Biberschwanzziegeln.
Weitere Informationen bba 535
Ein Bibersortiment mit verschiedenen Schnitten, Größen und Oberflächen, darunter auch changierende Farbgebungen, gehört zum Angebot von Walther Dachziegel. Als regionale Besonderheit hat das Unternehmen außerdem einen Fränkischen Rinnenziegel im Programm.
Weitere Informationen bba 536
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