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Vorbildlich ökologisch

Neubau eines Gemeindezentrums in Vorarlberg
Vorbildlich ökologisch

Das Gemeindezentrum Ludesch erhielt den Vorarlberger Holzbaupreis 2007 in der Kategorie „Öffentlicher Bau“. Zum Einsatz kamen ökologische Materialien sowie eine PV-Anlage.

Jörg Pfäffinger

Professor Hermann Kaufmann ist als Architekt für neues Bauen in Vorarlberg bekannt. In Ludesch plante er das Gemeindezentrum nicht nur als Holzbau mit hohen ökologischen Anforderungen, sondern auch mit einem Heizwärmebedarf von 15 kWh/(m2a).
Ludesch ist eine „e 5“-Gemeinde und hat sich damit diversen Energieeffizienzmaßnahmen verschrieben, beispielsweise kommen heute auf jeden der 3 300 Einwohner ein Quadratmeter thermische Solarzellen. Für die Gemeindebauten werden schon seit Jahren ökologische Richtlinien vorgegeben, u. a. gilt hier bereits seit 1992 ein Verbot für den Einsatz von PVC. Neu, und dies auch für die Vorarlberger Bauwirtschaft, so der Architekt, sei die konsequente Materialumsetzung gewesen, die vor Ort durch ein Controlling sichergestellt worden sei.
„Es ist eigentlich eine Rückbesinnung auf ehemalige Technologien, wie z. B. das Fensterausstopfen mit Schafwolle. Das war früher doch gar kein Thema. Heute meint man, ohne Schaum nicht auskommen zu können. Wir haben in Ludesch jedoch festgestellt, dass es fast derselbe Aufwand ist, Fenster auszustopfen statt sie auszuschäumen“, sagte Kaufmann.
Holzbau mit sehr geringer Innenraumbelastung
Der Holzbau umfasst drei Gebäudeteile mit einer Nettonutzfläche von 3 135 m2 und einen umbauten Raum von 14 500 m3, alles in Weißtanne. Aufgrund der Anforderungen an ein Passivhaus und wegen Einsatz der kontrollierten Lüftung war eine dichte Gebäudehülle Pflicht. Ein abschließender Blower-Door-Test ergab einen n50-Wert von 0,531/h. Da auf Klebstoffe weitestgehend verzichtet wurde, benutzte man Diagonalschalung in Weißtanne statt OSB-Platten. Für die Holzauswahl wurde eine hohe Qualitätsforderung aufgestellt: markfrei, gerad-wüchsig, baumkantenfrei und spezieller, sogenannter Riftschnitt. Die gleichmäßige und natürliche Verfärbung der Holzoberflächen im Laufe der Jahre ist Teil von Kaufmanns Bauphilosophie.
Der Endbericht des Zentrums für Umwelttechnik & -management Gesellschaft mbH in Dornbirn stellte zur Formaldehyd- und VOC-Messung fest, dass im untersuchten Raum des fertig gestellten Gemeindezentrums eine Formaldehyd-Raumluftkonzentration von 0,04 ppm gemessen wurde. Das entspricht der Immissionsgrenzkonzentration der Österreichischen Akademie der Wissenschaften für besonders empfindliche Gruppen. Der Wert bei üblichen Neubauten liegt bei 0,12 bis 0,05 ppm, der WHO-Wert bei 0,083 ppm. Bei den VOC-Messungen wurde ein Wert von 60 µg/m3 festgestellt, der durchschnittlich in normal gebauten Innenräumen anzutreffende Wert liegt dagegen bei 1 000 – 3 000 µg/m3.
Innovative Haustechnik
Der zweigeschossige Bau besteht aus drei Baukörpern, die den neuen Dorfplatz umschließen. Neben den Diensträumen der Gemeinde gibt der Bau Platz für Säle, Vereinsräumlichkeiten, die Poststelle, ein Café, die Bücherei, eine Spielgruppe sowie Büros und Geschäfte. Das multifunktionale Haus soll zum dörflichen Zentrum werden, der umschlossene Dorfplatz zur kommunikativen Mitte.
Dieser Platz ist überdeckt von transluzenten Photovoltaikelementen, die als Solaranlage für die Warmwasserbereitung kaum sichtbar, im energetisch anspruchsvollen Heizsystem jedoch sehr wohl vertreten sind. Dort sorgen fünf kontrollierte Lüftungsanlagen (wegen ineffizienter Leitungslänge mit entsprehcender Verluste wurde der Einsatz nur einer Anlage verworfen) einerseits für Frischluft in allen Räumen, andererseits für Wärme oder Kühlung je nach Bedarf. Dazu erwärmt die Abwärme der Räume und besonders die der Gastronomieküche über Wärmetauscher die Zuluft, andererseits kann Grundwasser aus 35 m Tiefe in der Sommerzeit in gleicher Weise eine Abkühlung erreichen.
Im Winter wirkt das Grundwasser als ergänzende Wärmequelle. Zusätzlich zur gebäudeeigenen 30 m2 Solaranlage, die mit Paraffin-Latentspeichern optimiert wird, sorgt die Anbindung an das Fernwärmenetz der örtlichen Agrargemeinschaft für bedarfsgerechte Zuluft-Erwärmung. Die 850 kW-Anlage der Gemeinschaft, die auch die 221 m3 Schnittholz als Baumaterial lieferte, erzeugt pro Jahr 1,5 Mio. kWh Energie aus Hackschnitzeln und wird gerade auf eine Leistung von 2 000 kW erweitert.
Zusätzlich wird der neue Dorfplatz durch die transluzente PV-Anlage mit einer Fläche von 350 m² und einer Leistung von 16 000 kWh verschattet. Die 120 individuell gefertigten PV-Module in Sicherheitsglas stellen eine Innovation der ertex solar GmbH dar.
Der ökologische Anspruch ist im Gemeindezentrum durchaus mit Benutzerkomfort verbunden: Die Lüftungsanlagen sind mit Luftfeuchtigkeitsmessung und -regelung in den einzelnen Räumen ausgestattet, sowie mit individuellen Raumtemperaturregelungen. Dreifach-Wärmeschutzverglaste Fenster sind mit dem U-Wert von 0,60 W/(m2K) in Vollholz-Rahmen, U-Wert 0,92 W/(m2K), ausgeführt, die auf holzfremde Dämmstoffe verzichten.
Programm „Haus der Zukunft“
Vom Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie gibt es die Programmlinie „Haus der Zukunft“, die Neubauten und sanierte Altbauten umfasst, die im Vergleich zur derzeitigen Bau- und Sanierungspraxis in Österreich folgende Kriterien erfüllen:
  • erhöhte Energieeffizienz hinsichtlich des gesamten Lebenszyklus
  • verstärkter Einsatz erneuerbarer Energieträger, insbesondere Solarenergie
  • erhöhte Nutzung nachwachsender Rohstoffe und effizienter Materialeinsatz
  • vermehrte Berücksichtigung von Service- und Nutzungsaspekten für die Benutzer von Wohn- und Bürogebäuden
  • vergleichbare Kosten gemessen an herkömmlichen Bauweisen.
Auch das Gemeindezentrum in Ludesch konnte in das Programm „Haus der Zukunft“ aufgenommen werden. Die damit verbundene Unterstützung von 265 000 Euro wurde größtenteils in Planungs- und baubegleitende Prüfungen und Dokumentation investiert.
Ziel des Demoprojektes sei es, heißt es in einem Bericht des Ministeriums, neben der Realisierung eines Passivhauses, den spezifischen Primärenergieeinsatz der Primärkonstruktion (verbaute Energie) gegenüber vergleichbaren, herkömmlichen Passivhäusern auf weniger als 18 kWh/(m2a) zu halbieren. Gleichzeitig solle der ökologische Herstellungsaufwand des Gebäudes ebenso auf zumindest die Hälfte gegenüber nicht optimierten Bauten gesenkt werden und zusätzlich würden weitere ökologische Entscheidungskriterien wie Ozonabbau-, Photooxidations- und Versäuerungs-Potenzial berücksichtigt.
Der gesamte Planungs- und Umsetzungsprozess wurde durch ein interdisziplinäres Team begleitet, dessen Mitglieder aus Vertretern der Gemeinde, Vertretern des Umweltverbandes Vorarlberg, Vertreter des Österreichischen Instituts für Baubiologie und -ökologie und Vertretern des Architekturbüros bestand sowie ein Ökoberatungsbüro für die Qualitätssicherung bei der Bauausführung.
Ökologische Materialien
Ein besonderes Anliegen der Gemeinde Ludesch wie auch des Programms „Haus der Zukunft“ sind eine ökologisch orientierte Baumaterialwahl, die durch mehrere Institutionen bzw. beratende Büros von der Baustoff-Lieferung bis zum fertigen Gebäude überwacht wurde. Einige der Details:
  • Es wurde keinerlei PVC verwendet; beim Rohbau des massiven Kellers z. B. wurden die Fugenbänder für die wasserdichte Verbindung der Betonbauteile eigens entwickelt.
  • Verzicht auf HFKWs und formaldehydhaltige Werkstoffe.
  • Kein chemischer Holzschutz, Verzicht auf lösungsmittelhaltige und weichmacherhaltige Farben, Lacke, Anstriche und Kleber.
  • Vordächer und Hofüberdachung als konstruktiver Witterungsschutz für die meist großflächigen Fenster.
  • Fenster mit Dreifach-Wärmeschutzverglasung und hochgedämmte, passivhaus-taugliche Nur-Holz-Rahmen (System Sigg), deren Dämmung durch eingearbeitete Luftkammern erfolgt.
  • Außentüren und Eingangstüranlage ebenfalls in Nur-Holz-Passivhaus-Qualität vom Hersteller der Fenster.
  • Außenwände mit 300 mm Zellulose-Dämmung und 40 mm Schafwolle, Vertikallattung in Weißtanne sägerau.
  • Schallentkoppelte Innenwände mit 140 mm Zellstoff und 40 mm Schafwolle, wovon insgesamt 5 607 kg in Fensterbänken, Decken und Zwischenwänden verarbeitet wurden.
Zu den Mehrkosten für den ökolo- gischen Standard befragt, sagte Architekt Kaufmann: „Für das Förderprogramm ‚Haus der Zukunft‘ muss-ten wir nachvollziehbar dokumentieren, wie sich alle Entscheidungen, die aufgrund von ökologischen An- forderungen getroffen wurden, auf die Kosten ausgewirkt haben. Die entsprechenden Produkte haben wir in beiden Varianten ausgeschrieben und konnten damit eine Preis- differenz von 1,9% dokumentieren.“
Planung mit Projektleitung: Dipl.-Ing. Hermann Kaufmann ZT GmbH, Schwarzach Bauleitung: Albrecht Bau- und Projekt- management, Dornbirn Ökologische Beratung: Dipl.-Ing.Dr. Karl Torhele, Institut für Baubiologie, Wien Heizungs-, Sanitär-, Lüftungsplanung: Synergy Consulting & Engineering GmbH, Dornbirn Bauphysik: Dipl.-Ing. Bernhard Weihas, Höchst
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