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Warm, aber nicht heiß

Isolierverglasungen
Warm, aber nicht heiß

Markus Hoeft

Verglasungen für Fenster und Fassaden müssen stets mehrere Funktionen gleichzeitig erfüllen. Begrifflich eng miteinander verbunden, aber physikalisch deutlich voneinander getrennt sind vor allem drei Kriterien: Wärmeschutz gegen Wärmeverluste im Winter, Hitzeschutz gegen den Wärmeanteil der Sonnenstrahlung sowie Blendschutz gegen den Lichtanteil der Sonnenstrahlung.
Begriffs-Chaos
Sprache ist nicht immer logisch, auch Fachsprache nicht, wie sich u.a. an den Begriffen zur thermischen Schutzwirkung von Verglasungen zeigt. Sonnenschutzverglasungen schützen vor allzu intensiver Sonneneinstrahlung in den Raum und verhindern so unangenehme Überhitzungen.
Wogegen schützen dann Wärmeschutzverglasungen? Jedenfalls nicht vor Wärme! Eher verhindern sie im Winter Kälte, womit sich „Kälteschutzverglasung“ als bessere Bezeichnung anbieten würde. Was aber die Physiker nicht gern hören, denn Kälte ist in ihren Augen keine eigenständige Energieform, sondern nur die Abwesenheit von Wärme. Hyperkorrekt wäre also der reichlich umständliche Begriff „Wärmeverlust-Schutzverglasung“, der sich aber glücklicherweise nicht durchgesetzt hat.
Im Hitzeschutz verbergen sich weitere komplexe Zusammenhänge, die in der Bezeichnung nicht unbedingt zum Ausdruck kommen. Die Gläser für diese Funktion werden auch Sonnenschutzverglasungen genannt. In einfacher Analogie zu Wörtern wie „Sonnenschirm“ oder „Sonnenbrille“ könnte man annehmen, Sonnenschutzverglasungen würden gegen die blendende Wirkung des Sonnenlichts schützen. Tatsächlich geht es aber um den Wärmeanteil der Strahlung, dessen Eintritt in Raum verhindert oder doch zumindest vermindert wird.
Der Lichtanteil soll hingegen möglichst vollständig nach Innen gelangen, um auch die Flächen in der Tiefe des Raums mit Tageslicht zu beleuchten.
Wenn es dadurch in Fensternähe zu unangenehmen Blendwirkungen kommt, können Sonnensegel, Jalousien oder Markisen als Blendschutz eingesetzt werden. Dieser Blendschutz wird umgangssprachlich ebenfalls oft Sonnenschutz genannt – womit das Begriffschaos dann perfekt ist.
Das Chaos liegt allerdings wirklich nur in den landläufig genutzten Bezeichnungen, physikalisch ist die Welt eher wohlgeordnet: Wärmeschutz als Vorsorge gegen Wärmeverluste im Winter, Hitzeschutz als Vorsorge gegen den Wärmeanteil der Sonnenstrahlung sowie Blendschutz gegen den Lichtanteil der Sonnenstrahlung sind eigenständige und grundsätzlich unterschiedliche Funktionalitäten an verglasten Flächen.
Der Planer muss diese Phänomene des Licht- und Wärmeverhaltens bei der Auswahl der Verglasung und des eventuellen Blendschutzes berücksichtigen. Dies gilt bereits für Fenster in Lochfassaden, aber besonders für komplett verglaste Gebäudehüllen, weil hier der Einfluss der Verglasung auf das Raumklima deutlich größer ist.
Wärmeschutz der Verglasung
Glas gehört zu den guten Wärmeleitern und damit zu den schlecht Wärme dämmenden Baustoffen. Schon bei den historischen Kastenfenstern waren deshalb Doppelfenster energetisch deutlich höherwertiger als Einfachfenster, weil der Luftraum zwischen den beiden separat zu öffnenden Fensterflügeln die Wärmeverluste reduzierte.
Das erste Patent für Isolierglas soll aus dem Jahr 1865 stammen, praktische Marktbedeutung erlangte die Technologie erst in den 1960er Jahren.
Die U-Werte von Zwei-Scheiben-Isolierglas lagen zunächst in Größenordnungen von 3,0 W/m²K. Fenster waren damit nach heutigen Vorstellungen immer noch „Energielöcher“.
Es hat jedoch in den vergangenen Jahren erhebliche Verbesserungen gegeben. Erstens durch Beschichtungen, die die Wärmeabstrahlung der Glasoberflächen reduzieren (niedrige Emissivität = Low-E-Gläser).
Zweitens durch das Gas im Scheibenzwischenraum. Edelgase wie Argon und Krypton oder bestimmte Mischgase verbessern die Wärmedämmung eines Isolierglases gegenüber einer Füllung mit Luft. Einfluss hat neben der Art des Gases auch sein Füllgrad.
Drittens schließlich ist die Größe und Anzahl der Scheibenzwischenräume (SZR) für die Wärmedämmung von Bedeutung. Bis etwa 16 mm erhöhen große SZR den Wärmeschutz, oberhalb dieses Wertes tritt dann allerdings nach Angaben der Industrie kaum noch eine nennenswerte Verbesserung ein.
Wärmeschutz des Fensters
Unter Ausnutzung aller wärmetechnischen Optimierungen erreichen die Spitzenprodukte in den Sortimenten der Hersteller heute Wärmedurchgangskoeffizienten Ug = 1,0 W/m²K bei zwei Scheiben und Ug = 0,5 W/m²K bei drei Scheiben.
Wie der Index g schon andeutet, gelten diese nach DIN 673/674 ermittelten Werte nur für die Verglasung.
Der Planer benötigt für seine Wärmeschutzberechnung jedoch den Wert für das gesamte Fenster (Uw), der nach DIN EN ISO 10077 errechnet wird.
In die Formel gehen die Flächenanteile und die wärmetechnische Qualität sowohl der Verglasung als auch des Rahmens (Uf) ein. Außerdem berücksichtigt der lineare Wärmedurchgangskoeffizient c (Psi-Wert) die Wärmebrückenwirkung am Übergang vom Rahmen zum Glasverbund.
Mit der so genannten Warmen Kante (warm edge) haben die Anbieter die Wärmeverluste an diesem Punkt deutlich reduziert, vor allem durch den Austausch der früheren Aluminium-Abstandhalter gegen solche aus Edelstahl oder Kunststoff. Die Warme Kante verbessert nicht nur den Wärmeschutz des Fensters als Ganzes, sie entschärft auch die Tauwasserproblematik am nun nicht mehr kalten Rand des Isolierglases.
Zwar muss heute – im Vergleich zu den früheren Rahmenmaterialgruppen – für die Ermittlung von Uw etwas mehr gerechnet werden, trotzdem bleibt die Planung des winterlichen Wärmeschutzes von Fenstern relativ einfach. Denn ein „zu viel“ an Wärmeschutz verursacht, abgesehen von den erhöhten Kosten, keine Probleme. Dies kann beim Hitzeschutz, der auch sommerlicher Wärmeschutz genannt wird, anders sein.
Kennwerte der Licht- und Wärmestrahlung
Der Gesamtenergiedurchlassgrad g kennzeichnet den prozentualen Anteil der eingestrahlten Sonnenenergie, der durch die Verglasung hindurch in den Raum gelangt.
Ein hoher Zahlenwert bedeutet einen großen Energiedurchgang, der einen ebenfalls hohen Gewinn an passiver solarer Wärme zur Folge hat. Im Sommer sind dann – je nach Himmelsrichtung, Jahreszeit und Raumnutzung – unangenehme Überhitzungen möglich.
Bei großzügigem Glaseinsatz an der Fassade wird man sich unter diesem Aspekt deshalb eher um einen kleinen Energiedurchlassgrad bemühen, wie er für die Sonnenschutzverglasungen typisch ist. Während normale Isoliergläser meist g-Werte zwischen 50 und 60 Prozent haben, können Sonnenschutzgläser bis in Größenordnungen von 20 Prozent hinabreichen.
Gegen sommerliche Überhitzung leisten solche Verglasungen das derzeit technisch machbare Maximum. Jedoch gehört zur eingestrahlten Gesamtenergie auch der Anteil des sichtbaren Tageslichts, das – anders als die Wärme – gerade nicht „ausgesperrt“, sondern meist in möglichst großer Menge eingelassen werden soll. Für diesen Lichtanteil der durch die Verglasung durchgehenden Strahlung gibt es einen eigenen Kennwert: Den Lichttransmissionsgrad tL in Prozent.
Für die Qualität von Sonnenschutzglas ist also nicht der Gesamtenergiedurchlass allein entscheidend, sondern ebenso sein Verhältnis zum Lichttransmissionsgrad. Das Verhältnis tL/g wird Selektivitätskennzahl S genannt. Ein hoher Wert ist günstig, weil er viel Lichtdurchgang bei relativ wenig Wärmeanfall ausdrückt.
Selektivität und Farbe bei Sonnenschutzgläsern
In den Sortimentslisten und Tabellen der Hersteller bekommt die Selektivitätskennzahl S meist keine eigene Spalte, sondern wird bei Sonnenschutzgläsern – und nur dort ist die Angabe sinnvoll – schon im Produktnamen ausgedrückt. „Isolierglas 54/27“ bedeutet dann beispielsweise einen Lichttransmissionsgrad tL von 54 Prozent bei einem Gesamtenergiedurchlassgrad g von 27 Prozent. Das Verhältnis (die Selektivitätskennzahl) beträgt 2,0 und liegt damit im Spitzenbereich für neutrale Verglasungen. Der Begriff der Neutralität bezieht sich dabei auf die Farbigkeit des Glases. Denn dessen Sonnenschutzeigenschaften entstehen durch Beschichtungen und/oder Einfärbungen, die jedoch die Farbwiedergabe nur möglichst wenig verfälschen sollen. Kennwert hierfür ist der Farbwiedergabeindex Ra nach DIN 6169, abermals eine Prozentzahl. Im Bereich von etwa 90 bis 99 Prozent wirken Verglasungen neutral, darunter farbig.
In der Architektur kann die Unterscheidung von Ra,R und Ra,D wichtig sein.
Der Index R bezeichnet die Farbwiedergabe in der Ansicht, wie sie bei einer Betrachtung der Glasfassade von außen erlebt wird. Ein gewisse Farbigkeit ist dabei durchaus vertretbar oder sogar erwünscht, der Wert Ra,R kann also problemlos unter 90 Prozent sinken. Der Index D bezieht sich zum einen auf die Farbwiedergabe bei Durchsicht durch die Scheibe und zum anderen auf das Farbklima im Raum. Veränderte Farben würden hier sehr irritierend wirken, weshalb Sonnenschutzgläser bei diesem Parameter 90 Prozent in der Regel nicht unterschreiten.
Kühllast und Blendung minimieren
Wenn Hitze- und Wärmeschutz von Verglasungen auch eigenständige Funktionen darstellen, gibt es doch inhaltliche Zusammenhänge unter dem Aspekt der solaren Wärmegewinne.
Der im Sommer meist wünschenswerte geringe Energiedurchlass hat im Winter den Nachteil, dass wenig solare Wärme für den Raum nutzbar ist. Umgekehrt kann der im Winter eventuell erwünschte hohe Energiedurchlass zu einem extremen Bedarf an Kühlung im Sommer führen. Bei der Berechnung der Kühllast in klimatisierten Bürogebäuden ist der b-Faktor nach VDI 2078 maßgeblich, der auch shading coeffizient genannt wird. Er wird mit b = g/0,8 aus dem Gesamtenergiedurchlass abgeleitet, ein hoher shading coeffizient hat eine hohe Kühllast zur Folge.
Den Widerspruch zwischen positiven solaren Wärmegewinnen und negativen Überhitzungen lässt sich künftig eventuell mit schaltbaren Verglasungen beherrschen, die durch elektrische Anregung spezieller Beschichtungen ihren Gesamtenergiedurchlassgrad verändern können. Daran wird in der Glasindustrie geforscht, doch der gegenwärtige Stand der Technik ist noch von fixen g-Werten geprägt.
Deshalb sollte bei großflächigen Verglasungen unbedingt der zusätzliche Einsatz von Verschattungen geprüft werden. Starre oder bewegliche Lamellen, Jalousien oder Markisen verhindern nicht nur die optische Blendung, sondern können bei fachgerechter Planung auch den Wärmeeintrag deutlich reduzieren.
Anders als der Wärmeschutz, bei dem es hauptsächlich um einen möglichst kleinen U-Wert geht, muss der Sonnen-, Hitze- und Blendschutz als Optimierung verschiedener Faktoren geplant werden. Es gibt deshalb nicht das absolut beste Sonnenschutzglas, vielmehr muss aus den teilweise sehr umfangreichen Sortimentslisten der Hersteller das für die jeweilige Situation und die individuellen Rahmenbedingungen günstigste ermittelt werden. Neben den hier beschriebenen licht- und wärmetechnischen Parametern sind dabei auch die weiteren eventuell erforderlichen Schutzfunktionen der Verglasung zu berücksichtigen, etwa beim Schall-, Brand- oder Einbruchschutz.
Weitere Informationen
Flachglas bba 514
Interpane bba 515
Isolar-Glas bba 516
Sanco/Glas Trösch bba 517
Saint-Gobain bba 518
Uniglas bba 519
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