Startseite » Boden » Bodenbeläge »

Begehbares Glas

Begehbares Glas
Sechste Dimension

Firmen im Artikel
Glas, das sich betreten lässt, eröffnet überraschende, im Alltag meist nicht gekannte Perspektiven: Der sonst blickdicht gewohnte Fußboden wird transparent oder transluzent; die Konstruktionen von Treppen, Laufstegen oder Brücken können optisch entmaterialisiert werden. Der Einsatz von begehbarem Glas muss jedoch sorgfältig geplant werden und hat auch Anwendungsgrenzen.

Anforderung:

Transparente bzw. transluzente Fußböden und Treppenstufen für ausgefallene Raumwirkung

Lösung:

Begehbares Glas nach DIN 18008–5 – mit Bauartgenehmigung oder mit Zustimmung im Einzelfall


Markus Hoeft

„Zerbrechlich“ ist eine der Assoziationen, die in der menschlichen Vorstellungswelt mit dem Material Glas verbunden sind. Sie ist nicht unbedingt rational begründet, sondern eher emotional geprägt und gerade darum tief in die Bewertungsmuster des Menschen eingeschrieben. Was ja auch nicht verwundert, wenn jedes herunterfallende Weinglas und jede aus hinreichender Höhe abstürzende Glasflasche die Erfahrung neu bestätigt.

Gleichzeitig ist natürlich jedem rein rational klar, dass Glas als Baustoff für Fassaden, Trennwände oder Geländer eine zuverlässige Stabilität und hohe Sicherheit gegen Versagen bietet. Aus diesem Spannungsbogen zwischen Gefühl und Erkenntnis bezieht begehbares Glas in Fußböden oder Treppen seinen besonderen Charme, aber auch seine besondere Überraschung: Es lässt sich mit vollem Körpergewicht ein Material betreten, das eigentlich assoziativ als empfindlich und zerstörbar abgespeichert ist.

Seismisch sicher flanieren

Jenseits der Alltagserfahrung

Begehbares Glas kann aber auch in anderer Hinsicht die gewohnte menschliche Vorstellungswelt durchbrechen, etwa wenn Klarglasböden plötzlich den sonst nicht möglichen Blick in die Welt unter den eigenen Füßen erlauben. Andere überraschende Momente lassen sich mit hinter- oder in diesem Fall genauer gesagt unterleuchteten Glasböden erreichen, mit Durchblicken durch einen Fußboden von unten sowie insgesamt mit der Dematerialisierung von Konstruktionen, zum Beispiel bei repräsentativen Treppen in Foyers oder Atrien.

Diese Abweichungen von Alltagserfahrungen lassen begehbares Glas zu einem besonderen Architekturelement werden: als vollflächig transparenter Fußboden, als einzelnes Fenster in einer ansonsten geschlossenen Decke oder als filigran und leicht wirkende Treppe. Anwendungsmöglichkeiten ergeben sich im Büro- und Objektbau ebenso wie im gehobenen Wohnungsbau oder für spezielle Konstruktionen: Archäologische Ausgrabungen oder Tiergehege in Zoos können überquert und zugleich von oben besichtigt werden. Dachpools mit gläsernem Boden schaffen völlig neue Perspektiven. Auf Aussichtspunkten mit sogenannten Skywalks kann die meist schon für sich allein atemberaubende Perspektive zu einem Voll-Panorama einschließlich des Blicks nach unten erweitert werden.

Es entsteht gewissermaßen eine sechste Dimension neben den gewohnten fünf Blickrichtungen links/rechts, vorne/hinten und oben.

Die Aufzählung der möglichen Anwendungen ergibt eine stattliche Liste. Trotzdem ist Glas in begehbarer Form keine einfache Erweiterung der gängigen Fußbodenbaustoffe wie z.B. Holz, Beton, Fliesen oder Textilbeläge. Es bleibt eine besondere Lösung für spezielle Situationen, was auch an seinen Einsatzgrenzen liegt. So gibt es Menschen, die wegen Schwindel oder Höhenangst derartige Böden in größerer Höhe nicht betreten können oder wollen. Volltransparente Böden bergen außerdem das Problem des Schutzes der Intimsphäre, wenn die darüber laufenden Personen Röcke oder Kleider tragen. Und schließlich kann Glas sehr glatte, jedoch zum Zerkratzen neigende Oberflächen haben, was in technischer Hinsicht bei der Planung berücksichtigt werden muss und den angestrebten architektonischen Eindruck auf Sicht einschränken kann.

Trockenen Fußes im Wasser

Planungsgrundlagen

Begehbares Glas ist ein nach DIN 18008 „Glas im Bauwesen – Bemessungs- und Konstruktionsregeln“ geregeltes Bauprodukt. Teil 5 der Norm enthält die „Zusatzanforderungen an begehbare Verglasungen“, worunter ausschließlich Verglasungen für den planmäßigen Personenverkehr bei üblicher Nutzung und einer lotrechten Nutzlast von höchstens 5 kN/m² zu verstehen sind. Als Beispiele werden in der Norm Treppen, Podeste, Stege und Abdeckungen von Lichtschächten genannt.

Weitergehende Anforderungen sind zu erfüllen, wenn die Verglasungen befahren werden oder anderen hohen Dauerlasten ausgesetzt sind. Auch Gläser, die nur gelegentlich zu Instandhaltungsmaßnahmen betreten werden, gehören nicht zu den begehbaren Verglasungen im Sinne von DIN 18008–5. Hierfür gibt es einen eigenständigen Normenteil 6. Für die Begehbarkeit im Sinne von Teil 5 darf nur Verbundsicherheitsglas (VSG) aus mindestens drei Scheiben verwendet werden. Erforderlich sind außerdem eine ausreichende Rutschsicherheit, die zwängungsarme Montage und Lagerung sowie gegebenenfalls ein Schutz gegen Abheben.

Die Norm beschreibt den rechnerischen Nachweis der Tragfähigkeit und der Gebrauchstauglichkeit von begehbaren Verglasungen und deren Stützkonstruktionen. Nachzuweisen sind außerdem eine ausreichende Stoßsicherheit sowie die Resttragfähigkeit. Dies kann durch Bauteilversuche nach Anhang A der Norm erfolgen, was jedoch einigen Aufwand erfordert. Deutlich einfacher ist der Weg über Anhang B, der Glasaufbauten beschreibt, für die der Nachweis der Stoßsicherheit und Resttragfähigkeit als erbracht gilt.

Für diese Verglasungen nach Anhang B ist also bei Einhaltung der dort genannten Formate und Randbedingungen keine weitere Prüfung oder Zulassung erforderlich. Die Aufbauten umfassen allerdings nur einen kleinen Ausschnitt aus der Vielfalt des begehbaren Glases: Es werden lediglich allseitig linienförmig gelagerte Verglasungen bis zu einem Format von 2 000 × 1 400 mm beschrieben. Größere Scheiben sind mit Zwischenstützungen möglich, sofern jedes Feld die Abmessungen einhält. Konstruktionen mit größeren Formaten bzw. Feldern sowie Verglasungen mit anderen Auflagern, die also etwa nur zweiseitig oder punktförmig gelagert sind, benötigen in Deutschland ein allgemeines bauaufsichtliches Prüfzeugnis bzw. eine allgemeine Bauartgenehmigung vom DIBt. Eventuell hat der Anbieter des Bauprodukts ein solche Prüfung/Genehmigung für bestimmte Aufbauten durchführen lassen, anderenfalls bleibt nur der Weg über die Zustimmung im Einzelfall – was die Anwendung Glasböden in der Praxis sicher einschränkt.

Trotzdem bleibt festzuhalten, dass DIN 18008–5 und speziell deren Anhang B bestimmte Grundanwendungen des begehbaren Glases deutlich vereinfachen.

Begehbares Fenster fürs Flachdach

Oberflächen, Farbe und Licht

Verschiedene Glashersteller führen in ihren Sortimenten zum Begehen geeignetes Glas auf, teilweise mit eigenständigen Produktnamen wie Step oder Floor – wobei Eignung (des Glases) nicht automatisch Zulassung (der Konstruktion) bedeutet. Bei der Auswahl sollte der Planer die Verschleißfestigkeit sowie die in der Norm geforderte Rutschsicherheit berücksichtigen. Bei offen und sichtbar bleibenden Kanten sind zudem die Ausbildung der Kanten sowie ein eventueller Kantenschutz zu beachten.

Über die optische Wirkung eines Glasbodens oder einer Glastreppe entscheidet neben der Konstruktion auch die Glasoberfläche. Klarglas wirkt im Sinne der Dematerialisierung und der optischen Reduktion des Bauteils sicher am überzeugendsten. Es kann aber auch die meisten Irritationen hervorrufen, weil der auf dem Glas Gehende scheinbar ins Nichts tritt. Auch die schon angesprochenen Probleme mit Höhenangst, Schwindel oder dem Schutz der Intimsphäre treten bei volltransparentem Glas am stärksten auf.

Je nach Situation sollten darum bedruckte oder satinierte (mit Säure mattierte) Oberflächen geprüft werden. Das Bedrucken oder die Verwendung durchgefärbter Gläser öffnen außerdem den Weg zu farbigen Glasgestaltungen.

Ein weiteres Gestaltungdmittel sind die Verbundfolien im Aufbau des Verbundsicherheitsglases, die sich komplett transparent, aber auch durchscheinend (transluzent) oder gefärbt einsetzen lassen.

Einen besonderen gestalterischen Effekt können zudem hinterleuchtete Glasböden erzeugen, die der Konstruktion Tiefe geben und ihren dreidimensionalen oder gegebenenfalls auch skulpturalen Charakter unterstreichen. Farbig hinterleuchtete Böden sind zudem ein Marketing- und Werbemittel im Ladenbau. Sie werden oft als Doppelboden mit geringer Höhe errichtet und profitieren dadurch von einer Ausnahme in DIN 18008–5: Bei nicht mehr als 50 cm Abstand zum tragenden Fußboden ist für die Verglasung kein Nachweis der Stoßsicherheit und Resttragfähigkeit erforderlich, was den Planungsprozess deutlich vereinfacht.

Sicher hoch hinaus

Auch mit Brand- und Wärmeschutz

Begehbare Verglasungen können über ihr mechanisches Verhalten hinaus weitere Anforderungen erfüllen. So bilden Geschossdecken in vielen Gebäuden die Grenzen von Brandabschnitten, sodass in den Boden eingefügte Verglasungen ebenfalls mit Brandschutzanforderungen zu planen sind. Spezielle Glashersteller wie Schott oder Vetrotech Saint-Gobain bieten hierfür Lösungen.

Das Haupteinsatzgebiet von Glasböden und -treppen liegt im Gebäudeinneren, doch sind auch Lösungen im Außenbereich möglich. Als Bestandteil der Gebäudehülle muss das begehbare Glas im Sinne des Wärmeschutzes als Isolierglas ausgeführt werden. Fakro hat diese Idee zum begehbaren Flachdachfenster weiterentwickelt, das bündig in die Böden von Dachterrassen eingelassen werden kann und Licht in die darunter liegenden Räume leitet.

Die hier angedeuteten Einsatzmöglichkeiten von begehbarem Glas sind sicherlich nur ein Ausschnitt des Möglichen. Selbst bei einer einfachen Ausführung im Rahmen von Anhang B der DIN 18008–5 lassen sich besondere architektonische Spannungseffekte erzielen. Darüber hinaus gehende Planungen erfordern einen höheren Genehmigungsaufwand, erlauben aber auch sehr überraschende und einzigartige Inszenierungen von transparenten Fußböden bzw. Treppen.


Für die Begehbarkeit im Sinne von Teil 5 der DIN 18008 darf nur Verbundsicherheitsglas (VSG) aus mindestens drei Scheiben verwendet werden. Erforderlich sind außerdem eine ausreichende Rutschsicherheit, die zwängungsarme Montage und Lagerung sowie gegebenenfalls ein Schutz gegen Abheben.


Firmen im Artikel
Unsere Top-3-Projekte des Monats
MeistgelesenNeueste Artikel

Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der bba-Infoservice? Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Medien GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum bba-Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des bba-Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de