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Schwebend angegliedert

Büro in Düsseldorf-Benrath
Schwebend angegliedert

Anne Fingerling / red.

In Düsseldorf-Benrath entstand für die PAX-Familienfürsorge Krankenversicherung AG ein Bürokomplex, der den Charme einer alten Villa mit moderner Architektur verknüpft. Ungewöhnlich sind nicht nur Fassadengestaltung und Raumgliederung, sondern auch das ökologisch ganzheitliche Energiekonzept.
Städtebauliche Zielsetzung war es, die ehemals freistehende Villa an der Benrather Schlossallee aus dem Jahre 1913 zu erhalten und an die angrenzenden Neubauten anzugliedern. Der Projektleiter Christof Nolda vom Kasseler Planungsteam Nolda und Jäger wählte eine Staffelung der einzelnen Gebäudekomplexe.
Während die Villa optisch fest mit dem Boden verwurzelt ist, scheinen die angrenzenden Neubauten zu schweben. Sie setzen sich durch einen etwas zurückgesetzten, dunklen Sockel dezent gegen das historische Gebäude ab.
Harmonie der Kontraste
Von der nicht denkmalgeschützten Villa blieben lediglich der Keller und die massiven Außenwände erhalten, die in sehr schlechtem Zustand waren.
Das Gebäude erhielt Stahlbetondecken und ein um 80 cm erhöhtes Dachgeschoss, um so den zuvor schlichten Bau optisch aufzuwerten und in den Höhenverhältnissen an die Neubauten anzugliedern. Eine Stahlträgerkonstruktion überspannt den gesamten Dachraum und schafft so einen stützenfreien, 130 m² großen Sitzungssaal. Auf der Stahlkonstruktion liegt eine Holzpfettenkonstruktion mit Mineralwolledämmung. Die hinterlüftete Dachkonstruktion ist mit Stehfalz-Zinkblechdeckung gedeckt.
Auch ein Gebäude aus den 70er Jahren wurde bis auf den Rohbau entkernt. An der Ostseite schließt der Komplex direkt an die Villa an. Die ursprünglich vorhandenen Erker, Rücksprünge und Balkone sind einer glatten Fassade gewichen, die sich optisch an den Neubau anpasst.
Dieser setzt den spannungsreichen und zugleich homogenen Gebäudekomplex an der Westseite der Villa fort. Eine behutsame Symbiose zwischen Alt und Neu wird in der Gesamtansicht erlebbar.
Kombi-Büro
Der Neubau, wie der gesamte Gebäudekomplex konsequent barrierefrei entwickelt, ist eine Stahlbetonkonstruktion mit durchgehenden Stützen. Die Außenwände sind mit Mineralwolle gedämmt – ebenso wie das Holzpfettendach, das als Kaltdach mit Stehfalz-Zinkblechdeckung ausgeführt ist.
Das stützenfreie Staffelgeschoss verleiht dem Baukörper eine optische Leichtigkeit. Innen wie außen wird der Gebäudekomplex durch sein ungewöhnliches Raumkonzept bestimmt.
Grundprinzip des sogenannten Kombi-Bürohauses ist die Anordnung von Einzelbüros entlang den Außenfassaden um einen zentralen Mittelbereich. Die kompakten Einzelarbeitsplätze mit je 11 m² öffnen sich zum Mittelbereich über eine verglaste Zwischenwand.
Eine Gebäudetiefe von 15 m schafft in der Mittelzone genügend Raum für Besprechungen, fördert die bürointerne Kommunikation und schafft ein offenes, großzügiges Raumgefühl.
„Im Prinzip ist das eine Kombination aus Großraum- und Einzelbüro“, beschreibt Architekt Christof Nolda das Konzept. Durch die verglaste Zwischenwand wird der gesamte Bereich brandschutztechnisch als ein Raum angesehen, entsprechend einem Großraumbüro, und damit entfallen die sonst erforderlichen Erschließungsflure mit F90.
Bei der Umgestaltung des Gebäudekomplexes aus den 70er Jahren bezog der Entwurf des Kasseler Planungsteams die ursprünglich vorhandenen Vor- und Rücksprünge der alten Betonfassade geschickt in das neue Raumkonzept mit ein.
Dort befinden sich heute die einzelnen Büroräume, kleine abgeschlossene Einheiten – ganz im Sinne des Kombi-Bürokonzeptes. Da bei dem bestehenden Gebäude keine ausreichende Raumtiefe vorhanden war, verlegten die Planer den Gemeinschaftskomplex in einen bestehenden, westlich angrenzenden Erker, der nun über ein Treppenhaus mit der Villa verbunden ist.
In der Villa befinden sich Besprechungsräume und der Sitzungssaal im Dachgeschoss, das 1. OG ist dem Vorstand vorbehalten.
„Intelligente“ Fassade
Im Innenbereich haben die Planer ein konsequentes Farbkonzept entwickelt, welches sowohl der Orientierung dienen, als auch eine angenehme Arbeitsatmosphäre schaffen soll. Das gedankliche Raum- und Farbkonzept des Kombibüros überträgt sich auch auf die Gestaltung der Fassade. Die Elementfassade macht jedes einzelne Büro nach außen erkennbar durch die klare Zuordnung einzelner, sich wiederholender Fenster-Element-Kompositionen.
Spannungsreiche Akzente innerhalb der Fassade entstehen durch bunte Glastafeln, die das Sonnenlicht reflektieren, und Terracotta-Platten, die sich mit ihrem warmen Farbton gegen die teilweise verputzten Flächen absetzten.
Ein sturzfreier Oberlichtbereich, unterstützt durch lichtlenkende Elemente innerhalb und außerhalb der Fassade, sorgt entsprechend den Anforderungen dafür, dass möglichst viel Tageslicht ungehindert und blendfrei in das Gebäude gelangt.
Die Nord-Süd-Ausrichtung des Gebäudes ermöglicht den Einsatz eines feststehenden horizontalen Sonnenschutzes, dessen obere Seite als Lichtreflektor entwickelt wurde. Im Zusammenspiel mit einem innen liegenden weißen Reflexionsblech wird das Tageslicht selbst bei bedecktem Himmel blendfrei in die Tiefe des Raumes gelenkt.
Der weiß verputzte Rahmen, der bei den Neubauten jeweils das 1. und 2. OG umfasst, gliedert nicht nur als Architekturelement die Fassade, sondern sorgt auch bei hohem Sonnenstand für Verschattung der Oberlichtbereiche. An der Südfassade läuft im 1. OG über den Oberlichtern ein 40 cm tiefer Rost entlang, der ebenfalls einen Verschattungseffekt erzielt. Jedes Einzelbüro verfügt über einen einfachen Blendschutz in Form einer Jalousie.
Die Fassade ist ein vom Büro Nolda und Jäger in Modulbauweise neu entwickeltes System. Alle großflächigen Bereiche wie Treppenhäuser, EG und Bistro sind als Pfosten-Riegel-Fassade ausgeführt, zu 80% festverglast.Die Fenster sind von außen vor die Betonschale des Rohbaus gesetzt und komplett abgeklebt. Vor diese einfachen Fassadenelemente sind Zusatzfunktionen appliziert, die sich aus dem ausgeklügelten Energiekonzept ergeben.
Ganzheitliche Haustechnik
Das Planungsteam setzte bewusst auf technisch einfache Lösungen – auch bei der Haustechnik. Gemeinsam mit dem Haustechnikplaner entwickelten die Architekten für den insgesamt 6800 m² großen Gebäudekomplex ein einfaches wie überzeugendes System für natürliche Belüftung, Kühlung und Beheizung.
Jedes Einzelbüro an der Südfassade verfügt über eine schallgedämmte Lüftungsöffnung, die sich jeweils hinter den farbigen Glaselementen befindet. Die Außenluft strömt über die Lüftungsöffnungen in den Zwischenraum der Doppelfassade, und gelangt dann bei geöffnetem Fenster in den Raum.
Im Bereich der Oberlichter sind Lamellen angebracht, über die die Luft wieder nach draußen transportiert wird, so dass in diesem Bereich eine konstante Luftbewegung stattfindet. Im EG und DG befinden sich schallgedämmte Schlitzlüftungen.
Grundsätzlich sind alle Büroräume natürlich belüftet. Das bedeutet, dass jeder Mitarbeiter durch das Öffnen der Fenster selbst über die Luftqualität im Raum bestimmt. Um Lüftungswärmeverluste weitgehend zu minimieren, sind die Fenster mit entsprechenden Kontakten versehen, damit sich bei geöffnetem Fenster im Winter automatisch die Heizung in dem betreffenden Raum abschaltet.
Im Bistro und im Foyerbereich sind Flächen innerhalb der Pfosten-Riegel-Konstruktion mit offenen Klappen ausgestattet, um für ausreichend Luftzufuhr zu sorgen. In den Konferenz- und Besprechungsräumen und im Vorstandsbereich in der Villa sichert eine mechanische Quelllüftung den hygienischen Frischluftbedarf.
Dieses System basiert auf einem minimalen Luftwechsel bei geringer Leistung und geringer Strömungsgeschwindigkeit. Die Temperierung der Räume erfolgt im Winter über Heizkörper.
Prinzip der Kühlung
Das Lüftungskonzept geht einher mit dem System der Kühlung, welches über die nächtliche Bauteilkühlung funktioniert. Im Sommer öffnen sich nachts in allen Büroräumen einbruchgeschützte Klappen, die über eine Querlüftung das Durchströmen des Gebäudes mit kühler Nachtluft gewährleisten.
Sämtliche massiven Bauteile wurden unverkleidet geplant und hergestellt, so dass sie die tagsüber gespeicherte Wärmeenergie an die kühle Nachtluft abgeben können. Am nächsten Tag wirken die so abgekühlten Bauteile als Kühlelemente und entziehen der warmen Luft ihre Wärmeenergie. In Simulationen wurden für dieses Konzept Innenraumtemperaturen errechnet, die ansonsten nur unter Vollklimatisierung mit erheblichem Energieaufwand erzeugt werden können.
Verbindung von Ökologie und Ökonomie
Das Gebäude verfügt über ein Blockheizkraftwerk (BHKW), bestehend aus zwei Dieselmotoren, die über Generatoren aus kaltgepresstem Rapsöl elektrische Energie erzeugen. Das BHKW speist nicht nur die Warmwasserzentralheizung, sondern deckt auch die Kälteleistung der Quelllüftung über eine Absorptionskältemaschine. Durch die Erzeugung elektrischer Energie mit einem CO2-neutralen Brennstoff erreicht die Energiebilanz des gesamten Gebäudes ein positives Endergebnis. Der angestrebte Primärenergieeinsatz von 100 kWh/(m²a) konnte durch die konsequente Umsetzung des Gesamtkonzeptes um 136% unterschritten werden.
Vergleichbare Standardbüro-Neubauten liegen bei einem Primärenergieeinsatz von 260 kWh/(m²a). Damit entstehende Überschüsse werden in Form elektrischer Energie ins Netz eingespeist.
Architekt: Nolda Jäger, Gebäudestrategen + Architekten, Kassel
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