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Der Name ist Programm

Erweiterung der Fach- und Berufsoberschule Rosenheim
Der Name ist Programm

Holz spielt in in Rosenheim eine Hauptrolle. Die Fachschule Holz oder die vielen Holz verarbeitenden Unternehmen standen Pate, als sich Rosenheim den Titel „Holzkompetenz-Stadt“ verlieh. Da ist es nur konsequent, wenn an einem solchen Standort ein Schulneubau nicht aus Sichtbeton oder Stahl konstruiert, sondern das Thema Holz in den Mittelpunkt gestellt wird: So wie bei der Fach- und Oberschule des Architekten Richard Kröff.

Marc Nagel /be

Nähert man sich dem Gelände der Fach- und Oberschule Rosenheim, erkennt man sofort den Neubau, die sogenannte Schule aus Holz. Trotzdem weht einem aber auch der Charme der späten 1970er-Jahre entgegen. Denn der ältere und typische Schulbau von 1978 in Sichtbeton mit langen Fensterbändern dominiert eigentlich das Gelände. Schon alleine deshalb, weil das Hauptgebäude ein größeres Volumen vorweist und somit mehr Raum einnimmt. Trotzdem fällt der Neubau nicht ab, vielmehr bildet er einen Kontrast durch die andere Materialität. In direktem Anschluss an den bestehenden Bau wurde so mit dem Holzbau die Fläche der Fach- und Berufsoberschule um 2 100 m² ergänzt.
Die Verbindung zwischen alter und neuer Bausubstanz wird dabei vor allem durch eine Verbindungsbrücke aus Stahl geleistet, die beide erste Obergeschosse miteinander verbindet. Auch fügt sich der neue Baukörper in das Bild des alten Baukörpers gut ein, harmoniert das Holz doch sehr gut mit dem Beton des Bestands. Der Neubau der Schule orientiert sich dabei nach Osten und Westen, wo sich seine Längsseiten befinden, was mit dem Haupteingang im Osten noch einmal betont wird. Er erlaubt den direkten Zugang von der Westerndorfer Straße und dem zwischen Gebäude und Straße liegenden Parkplatz.
Zwischen zwei Scheiben dreigeteilt
Die klare Ost-West-Orientierung des Baukörpers wird durch die Gestalt des Gebäudes unterstrichen. Zwei große Wandscheiben, die den Schulbau im Norden und Süden begrenzen, fassen den länglichen Baukörper und bilden eine zusätzliche optische Verbindung zu den Nachbargebäuden. Sie nehmen die Traufhöhen des Baubestands auf und verleihen dem Neubau ein kompaktes Außenbild. Zwischen den beiden Wandscheiben befinden sich die Räumlichkeiten, die nach außen hin über die Längsfassaden ablesbar sind. Im Osten zeigen die Fensterflächen die Folge der Labor- und Praxis-Räume im EG und der Klassenräume im OG an, während ein großer Rahmen aus Sichtbeton den Eingang klar markiert. Im Westen dominieren die Fenster die Fassade. Beiden Seiten gemeinsam sind die vor der Fassade angebrachten Holzlamellen aus Lerchenholz, die als Sonnenschutz dienen und im Bereich des Obergeschosses die Absturzsicherung für die vor den Klassenzimmern befindlichen Balkone bilden.
Im seinem Aufbau ist das Gebäude klar nach Funktionen gegliedert. Während sich im Kellergeschoss die Lager- und Technikräume befinden, wurden im EG die größeren Raumeinheiten für Musik, Kunst und Chemie angeordnet. Sie gruppieren sich um eine große Eingangshalle, die sich auf einer Fläche von ca. 75 m² über beide Geschosse erstreckt und neben der Erschließungsfunktion auch Pausenhalle ist. Über eine ganz dem Motto „Schule aus Holz“ folgenden Treppe mit Holzstufen, Holzwangen und Holzgeländer gelangt man in den oberen Bereich mit kleineren Klassenräumen und den Praxisräumen. Sie werden durch einen langen Gang erschlossen, der links und rechts vom Luftraum des Foyers verläuft.
Holz im sichtbaren Mittelpunkt
Neben den Fassaden mit Holzlamellen aus Lerchenholz bestehen auch die beiden Wandscheiben mit ihrer Längslattung aus Lerchenholz. Dass man hier mit einer Längslattung die Gefahr der größeren Verwitterung eingegangen ist, weil sich die Latten mit ihren Stirnseiten zeitweise in stehendem Wasser befinden und so Schaden nehmen könnten, scheint der Optik geschuldet zu sein, wird dadurch doch die Höhe und nicht die Breite des Baus betont. Ansonsten wurde bei der Fassade auf Holz verzichtet. Wären Eingangsbogen und Fenster ebenfalls in Holz ausgeführt, könnte man schnell den Eindruck bekommen, es wäre des Guten zu viel. Ein Eindruck, der bei der Schule aus Holz aber glücklicherweise nicht aufkommt. Innen findet sich das Thema Holz erneut wieder. Große Holzflächen, vor allem im Bereich der Decken und in der Eingangshalle, wechseln sich aber auch hier gekonnt mit weißen Putzflächen ab und erzeugen nicht das Gefühl der Überbetonung eines Konzepts. Lediglich die Treppe zum Obergeschoss wirkt auf den ersten Blick ein wenig mit Holz überladen. Betrachtet man aber die schönen Details wie den in die Wand eingelassenen Handlauf, dann kann man darüber ohne Weiteres hinweg sehen.
Ein schöner Kontrast zum Holz stellt dabei der rötliche Boden dar. Er stammt von Bitu-Terazzo: Der sehr strapazierfähige und fugenlos verlegbare Boden ist dabei aufgrund seiner hohen Oberflächengüte für den Einsatz in einer Schule mit viel Publikumsverkehr sehr gut geeignet. Seine angenehm rötliche Färbung erhielt der mit Bitumen gebundene Natursteinboden durch die Beimischung von Eisenoxid und Liparit, einem rötliche Stein.
Konstruktion
Aber der Name „Schule aus Holz“ hat beim Entwurf von Richard Kröff nicht nur beim sichtbaren Material seine Berechtigung. Auch die Konstruktion des Hauses baut auf den nachwachsenden Rohstoff. Während die Längsseiten des Baus in einer klassischen Pfosten-Riegel-Konstruktion ausgeführt wurden, bei der die Fassadenpfosten eine tragende Funktion übernehmen, wurden die Stirnseiten aus Kreuzlagenholz erstellt. Hierbei werden Vollholz-Lamellen kreuzweise zusammengebracht und ergeben so sehr stabile Wandscheiben. Ein so überzeugendes Bauteil, dass es der Architekt auch noch bei den aussteifenden Flurwänden und bei der Decke im OG einsetzte.
Weiteres Merkmal ist die Decke im Bereich des Foyers. Hier wurde eine Fertigdecke des Typs Ligno Rippe Q3 von Lignotrend verbaut, die vor allem die in einem solch heiklen Bereich wichtigen Schallschutzeigenschaften mitbringt. Die weiteren Tragelemente sind vor allem die Brettschichtholz-Stützen, die einen Großteil der Lasten abtragen. Die Trennwände der Zimmer dagegen haben keine statische Funktion und sind, auch der höheren Flexibilität wegen, in Leichtbauweise ausgeführt.
Die eigentliche konstruktive Besonderheit des Gebäudes ist aber die Decke über den Klassenräumen. Als neuartige Verbunddecke aus Beton und Holz erlaubt sie im Gebäude eine stützen- und unterzuglose Spannweite von über 8 m. Dies ist möglich, weil bei der Fertigdecke die Eigenschaften der verwendeten Baustoffe ideal zusammen spielen. Während die Betonbalken als Druckgurt wirken, übernimmt eine Fläche aus Brettsperrholz die Funktion des Zuggurtes. Dass dabei auch die akustischen Werte hervorragend sind, liegt vor allem daran, dass der Hersteller bei der Ligno HBF Decke bereits im vorgefertigten Bauteil eine Tritt- und Bauteilschalldämmung eingebracht hat. Sie wird durch die ab Werk auf der Unterseite der Decke montierten Akustik-Leistenprofile „alpha“ aus massivem und astreinem Tannenholz mit hinterlegter Holzweichfaser-Absorberplatte unterstützt. Das Ergebnis kann sich sehen lassen, kommt die Decke doch auf Werte von Ln,w,R bis zu 35 dB bei Trittschalldämmung und Rw,R bis 79 dB als Luftschalldämmmaß, die jeweils unter den Grenzwerten der DIN 4109 liegen.
Durchdachtes Energiekonzept
Doch es wurde nicht nur in Schallschutz investiert. So wird die hoch wärmedämmende Holzfassade im Bereich der Längsseiten von einer Dreifach-Wärmeschutzverglasung ergänzt. Die dabei verwendeten Gläser Sanco Plus VN-3-fach haben einen sehr guten Ug-Wert von 0,7 bis 0,9 W/m²K und wurden in Fenster des Typs Holz Alu System Uniform Complanare von Max Perras aus Riedenburg eingebaut. Einziger Nachteil dieser Fenster: Durch die sehr guten Wärmedämm-Eigenschaften der Gläser mit ihrem dichten Rahmenaufbau kommt es zu einer nicht ausreichenden Durchlüftung der Räume. Diesem Umstand wurde aber entgegengewirkt und, wie bei einem Niedrigenergiehaus üblich, mit einer technischen Be- und Entlüftung gearbeitete. So konnte neben der kompakten Bauform und der dichten Hülle für die thermische Situation auch ein sehr gutes Gesamtklima gewährleistet werden.
Mit einer individuell geplanten Be- und Entlüftungsanlage mit Wärmerückgewinnung von Wolf Klimatechnik gelingt es so, im Gebäude Energie zu sparen und eine sauerstoffreiche und CO2-arme Raumluft zur Verfügung zu stellen. Der dabei in der DIN 1946, Teil 2, Tabelle 3 vorgegebene Mindestluftwechsel von 30 m³/h und Person wurde bei der Planung zugrunde gelegt. Auf diese Weise wird ein ideales Lernumfeld geschaffen. Ein Anliegen, dass dem Architekten Kröff vom Netzwerk Q5 sehr am Herzen liegt.
Konventionelle Möblierung
Doch im Gebäude findet man durchaus auch konventionelle Lösungen. Die Möblierungen der Klassenzimmer sowie der Labor- und Praxisräume unterscheiden sich nicht von anderen Schulen. Wenn auch völlig nachvollziehbar, ist es trotzdem schade, dass dieser Bau, der mit seiner Holz-Beton-Verbunddecke und den großen Stirnfassaden mit den markanten Wandscheiben ungewöhnliche Wege geht, bei der Einrichtung der Räume keine Konsequenz zeigt. Aber das wird mit Sicherheit mehr dem Umstand geschuldet sein, dass es sich um einen Auftrag im Bereich Öffentliche Bauten handelte als der Tatsache, dass der Architekt nichts anderes wollte. Schließlich bleibt der Bauherr eine Kommune, auch wenn es, wie im Falle Rosenheims, eine Kommune ist, die sich den Beinamen Holzkompetenz-Stadt gegeben hat.
Richard Kröff: „Technisch war es eine Herausforderung, die Tragstruktur des ca. 1 000 m² großen Gebäudes, bestehend aus vielen Stützen, wenigen Wänden und den Deckenscheiben komplett aus Holz herzustellen – und das bei über 8 m weit gespannten Decken! Und die hohen Schallschutzanforderungen im Schulhausbau mit einem Holzbau zu erfüllen… Wirtschaftlich konnte der Holzbau – trotz der hohen technischen Anforderungen – im Kostenrahmen eines Massivbaus realisiert werden.“
Architekten:
Q5 Architekten-Netzwerk
Ausführender Architekt: Richard Kröff, Wasserburg/Inn
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