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Vertrauter Maßstab

Bretter als Fassadenbekleidung
Vertrauter Maßstab

Markus Hoeft

Bretter als Fassadenbekleidungen beziehen einen Teil ihres Charmes aus der hohen Wertschätzung des Werkstoffs.
Holz ist ein natürlicher, nachhaltig zu produzierender Baustoff und in seiner Anwendung baubiologisch vorteilhaft sowie konstruktiv bewährt. Doch diese Argumente gelten auch für großformatige Platten aus Holz und Holzwerkstoffen sowie kleinformatige Holzschindeln.
Das Brett hat offensichtlich darüber hinaus weitere architektonische Eigenschaften, die ihm seine Position neben den Platten und Schindeln sichern. Einen Ansatz zur Erklärung könnte das spezielle Format des Bretts liefern.
So wie Hegel vom Ding an sich sprach, gibt es für manche Materialien offensichtlich auch das Format an sich. Abmessungen also, die sich durch langen Gebrauch jedem Benutzer eingeprägt haben, die vertraut sind und als gewohnte Maßstäblichkeit für den jeweiligen Gegenstand allgemein anerkannt werden.
Typische Beispiele für allgemein akzeptierte Formate sind beispielsweise beim Schreibpapier die DIN A4-Größe oder in der Architektur der Mauerstein im Normalformat. Wobei nicht entscheidend ist, dass den meisten Betrachtern die genauen Maßzahlen dieser Formate gar nicht geläufig sind. Wiedererkannt werden vielmehr die Proportionen, die durch Gewöhnung und Vertrautheit als harmonisch gelten.
„Bretterbude” nicht dem Brett anlasten
Eine solches Format-Phänomen scheint auch bei Brettstrukturen als Wand- bzw. Fassadenbekleidungen zu wirken und für ihre architektonische Faszination von Bedeutung zu sein.
Dabei haben Bretter als Werkstoff für die äußere Gebäudehülle eine durchaus zwiespältige Geschichte. Sie wurden in der Vergangenheit oft für Bootshäuser, Schuppen und andere untergeordnete Gebäude eingesetzt oder auch für schnell zu bauende und eventuell nur temporäre Unterkünfte, etwa Baracken oder Lauben.
Die geringe Wertschätzung für diese Bauten und ihre Bauweise schwingt im abfälligen Gebrauch des Wortes Bretterbude bis heute deutlich mit. Für Baracken und Schuppen wurde allerdings oft Material minderer Qualität verwendet und unter Missachtung der holztechnischen Planungsregeln eher lieblos zusammengenagelt. Die wenig ansprechende Optik solcher Einfachgebäude ist also kaum dem Holz als Werkstoff und ebenso nicht dem Brett als Format anzulasten.
Eine sorgfältig geplante und mit qualitativ hochwertigem Material ausgeführte Brettverkleidung kann über einen langen Zeitraum attraktiv aussehen und zudem in Würde altern.
Die Geometrie der Bretter verleiht auch großen und ansonsten wenig strukturierten Wänden eine prägnante Textur, die in ihrer Ruhe und Solidität als harmonisch empfunden wird. Hinzukommt, dass jeder Mensch – auch der architektonische Laie – im Brett einen bekannten und vertrauten Maßstab wiedererkennt.
Dabei wirkt unterstützend, dass es sich bei den Proportionen nicht um einen Industriestandard handelt, sondern um ein naturgegebenes Format: Im Brett lässt sich der ursprüngliche Baumstamm immer noch erahnen. Dies unterscheidet das Brett deutlich von großformatigen Platten oder kleinen Schindeln.
Und weil es sich um natürliche Maßvorgaben handelt, ist das Format des Bretts keine eindeutig zu definierende Größe. Die Breiten liegen meist zwischen 10 und 30 cm, die Dicken zwischen 2 und 5 cm und die Längen ab 1 m aufwärts. Doch dies sind nur unverbindliche Orientierungswerte, entscheidend für die Harmonie beim Anblick einer Brettverkleidung ist eher die Gesamtheit der Proportionen.
Klassische Verlegemuster
Holz ist auch bei freier Bewitterung ein langlebiger Werkstoff, sofern in der Planung die speziellen Eigenschaften des Materials berücksichtigt werden.
Oberster Grundsatz ist, dass sich an keiner Stelle für längere Zeit Feuchtigkeit sammeln darf. Dafür muss erstens das Niederschlagswasser schnell und ohne die Bildung von Wassernestern abfließen können. Und zweitens soll ins Holz eingedrungene Feuchtigkeit ungehindert wieder austrocknen können.
Holz- und damit auch Brettbekleidungen werden deshalb in aller Regel mit einer Hinterlüftung ausgeführt.
Bewährt im Sinne eines schnellen Wasserablaufs haben sich vor allem waagerechte Stülpschalungen und senkrecht orientierte Boden-Deckel-Schalungen.
Für die Stülpschalung werden Bretter waagerecht auf eine Unterkonstruktion so montiert, dass ihre Oberkante stets durch das darüberliegende Brett überdeckt wird und damit gegen Wasseraufschlag geschützt ist.
Die Unterkanten können stumpf belassen werden.
Besser ist es jedoch, sie zu hinterschneiden, weil dann eine wassertechnisch günstige Tropfnase entsteht.
Der Vorteile der waagerechten Bekleidungen liegt in der einzelnen Austauschbarkeit der unteren Bretter.
Im Sockelbereich kann das Spritzwasser die Holzbekleidung im Laufe der Zeit schädigen. Günstig im Sinne des baulichen Holzschutzes wäre ein sehr hoher Spritzwassersockel (in Form von massivem Mauerwerk oder Beton), der aber für die architektonischen Proportionen für manchen Betrachter unglücklich sein dürfte. Mindestens 30 cm sollten in jedem Fall ausgeführt werden. Für Boden-Deckel-Schalungen werden zunächst einmal die Bodenbretter senkrecht und mit Lücke auf der Unterkonstruktion montiert und die Zwischenräume anschließend mit dem Deckelbrett überdeckt.
Statt eines Deckelbretts ist auch eine Deckelleiste verwendbar (Boden-Leisten-Schalung).
Durch Variationen der sichtbaren Breiten von Böden bzw. Deckeln kann die Ansicht der Fassade beeinflusst werden. So wirken etwa breite Deckel mit schmalen Böden sehr massiv und gedrungen. Umgekehrt verleihen schmale Deckelbretter (bzw. Leisten) dem Gebäude eine gewisse Leichtigkeit und zugleich eine stärkere Struktur.
Wenn bei der senkrechten Montage die Fassadenhöhe größer als die Brettlänge ist – das dürfte an Giebelwänden sehr häufig der Fall sein – müssen die oberen Enden mit einem Tropfblech gegen aufschlagendes und stehen bleibendes Niederschlagswasser geschützt werden.
Die untere Kante der Bretter sollte wieder als Tropfnase hinterschnitten sein.
Holzarten und Oberflächen
Die Verhinderung von direkter Wasserbeaufschlagung und die Vermeidung von stehender oder stauender Feuchte ist die wichtigste Forderung des baulichen Holzschutzes für Fassaden. Ihre Nicht-Erfüllung lässt sich auf Dauer nicht mit Anstrichen oder anderen chemischen Behandlungen kompensieren. Einfluss auf das Langzeitverhalten haben außerdem die Holzart und die Oberflächenausbildung.
Für Verbretterungen werden vor allem die Holzsorten Fichte und Lärche verwendet. Möglich sind von den einheimischen Nadelhölzern außerdem Kiefer und Douglastanne (inzwischen hier kultiviert). Auch verschiedene Laubhölzer wären aus technischer Sicht einsetzbar, sie sind allerdings kaum zu bezahlen. Bäume in kälteren Regionen wachsen langsamer und bringen dadurch festeres Holz hervor, weshalb sibirische Lärche und nordische Fichte als besonders hochwertig gelten.
Wenn der bauliche Holzschutz korrekt geplant wurde, können alle Hölzer unbehandelt an der Fassade eingesetzt werden. Unter dem Einfluss der UV-Strahlung bildet sich allmählich eine silbergraue Patina, deren genaues Aussehen von den konkreten Bedingungen des Standorts abhängt. Bei diesem Prozess entsteht allerdings nicht immer ein attraktiver Farbton. Zudem ist die Patinabildung mit einer Zersetzung des holzeigenen Lignins verbunden, wodurch langfristig die Festigkeit herabgesetzt wird.
Der Prozess lässt sich verlangsamen, indem sägeraue statt gehobelter Bretter verwendet werden oder die Fassade mit pigmentreicher Farbe oder Lasur gestrichen wird.
Dafür stehen heute eine Vielzahl wasserlöslicher Anstriche zur Verfügung. Die Lasuren bieten den speziellen Vorteil, dass ein erneuter Anstrich in späteren Jahren ohne aufwändiges Abschleifen der Fassade vorgenommen werden kann.
Profile statt Bretter
Ursprünglich wurden für die Fassadenbekleidungen einfache Bretter mit allseits stumpf gesägten Kanten verwendet. Diese lassen sich auch heute noch beim regionalen Sägewerk oder im Holzfachhandel beziehen.
Daneben gibt es aber auch Anbieter, die profilierte und oft mit Nut und Feder verbundene Bekleidungen als Systeme entwickelt haben. Hier erhält der Planer also nicht nur den Werkstoff Holz, sondern zusätzlich Fassaden-Know-how.
Bei der Montage mit Nut und Feder liegen die Profile alle in einer Ebene. Es handelt sich also nicht um echte Stülp- oder Boden-Deckel-Schalungen, durch die Profilierung wird aber der gleiche optische Eindruck bei höherer Stabilität in der Fläche erreicht. Außerdem sind neue, mit klassischen Glattkantbrettern nicht zu erzielende Gebäudeansichten möglich.
Meist stehen in den Sortimenten verschiedene Oberflächen zur Auswahl, neben sägerau oder gehobelt beispielsweise auch gerillt oder an den Kanten gefast. Die Systemangebote umfassen in der Regel naturbelassene, aber auch mit Lasuren oder Anstrichen endbehandelte Profile.
Weitere Informationen
Osmo bba 532
MocoPinus bba 533
Kombinationsfassaden und Holzwerkstoffe
Für ein- und zweigeschossige Gebäude werden Holz- bzw. Brettfassaden oft auf allen vier Außenwänden vollflächig vom Sockel bis zum Dach eingesetzt. Es wirkt hier die Architekturtradition des Einfamilienhausbaus in holzreichen Gebieten nach. Mehrgeschossige komplett mit Brettern bekleidete Fassaden entsprechen hingegen nicht den traditionellen Sehgewohnheiten und werden deshalb auch eher selten ausgeführt.
Dafür können bei größeren Gebäuden Fassadenkombinationen aus Brettern und beispielsweise Putzflächen interessant sein. Einerseits lassen sich mit den Holzverkleidungen bestimmte Bauteile gestalterisch absetzen, etwa Erker, Staffelgeschosse, Treppenhäuser oder Eingangssituationen.
Andererseits kann der Planer bei den Kombinationsfassaden bewusst mit den Strukturen und Texturen spielen. Etwa indem Fassadenflächen, die durch ihr Fensterraster bereits stark strukturiert sind, eine zurückhaltende Putzoberfläche bekommen, während die fensterlosen und dadurch gestaltarmen Teilflächen die prägnante Textur einer Brettverkleidung erhalten.
Fassaden, die Holzflächen mit anderen Materialien kombinieren, können mit einfachen Sägewerksbrettern oder den schon genannten Brettprofilsystemen geplant werden.
Holzfassaden, die speziell auf die Kombination mit den Putzoberflächen von Wärmedämm-Verbundsystemen abgestimmt sind, bietet außerdem alsecco an.
Der Planer hat dabei den Vorteil, für die sensiblen Übergänge und Anschlussdetails zwischen den unterschiedlichen Materialien ausgereifte Lösungen zu erhalten, die er ansonsten selbst entwickeln müsste.
Weitere Informationen bba 534
Was für ein zeitloser Klassiker das Brettformat ist, zeigt sich auch bei der Entwicklung der Holzwerkstoffe. Bei ihrer Herstellung werden Holzspäne zusammen mit Harzen unter Hochdruck zu sehr stabilen Platten verpresst, die im Produktionsprozess zudem sehr harte und dauerhafte Oberflächen – meist ebenfalls auf Harzbasis – erhalten. Das Material ist witterungsresistent und wartungsärmer als “gewachsenes” Holz, lässt sich aber wie dieses be- und verarbeiten. Die farblich variabel gestaltbaren Oberflächen sind lichtecht und faktisch patinafrei, behalten also für lange Zeit die einmal gewählte Optik.
Neben den dauerhaften Oberflächen unterscheiden sich die Hochdruck-Holzformteile vom Holz durch ihre Formatfreiheit. Während die Breite eines Holzbretts naturgemäß durch die Dicke des Baumstamms begrenzt ist, finden Holzwerkstoffplatten ihre Formatgrenze allein in der Anlagentechnik des Herstellers. Das Material ist deshalb vor allem für großformatige Fassadenplatten prädestiniert. Trotzdem bieten eine Reihe von Herstellern Holzwerkstoffe auch als Fassadenbekleidung im Brettformat an. Möglich sind klassische Verlegemuster als senkrechte Boden-Deckel-Schalung oder waagerechte Stülpschalung. Wegen der geringeren Wasserempfindlichkeit lassen sich aber auch andere Strukturen verwirklichen, etwa weitgehend ebene Oberflächen oder diagonal orientierte Bekleidungen.
Senkrechte, waagerechte oder eben diagonale Verlegungen können beispielsweise mit dem Sortiment Selekta von Werzalit ausgeführt werden. Unter dem Namen Siding gibt es bei diesem Hersteller zudem eine Lösung für die waagerechte Stülpschalung mit Holzwerkstoffen.
Weitere Informationen bba 535
Robuste Stulpschalungspaneele aus duromeren Hochdrucklaminaten (HPL) mit einer Oberfläche aus doppelt gehärteten Acryl-Polyurethan-Harzen bietet außerdem Isomax in seinem Fassadenplattenprogramm Max Exterior an.
Weitere Informationen bba 536
Ein weiteres Sortiment für Fassadenbekleidungen mit brettförmigen Tafeln aus gepressten Holzfasern ist Canexel. Es wird vom französischen Unternehmen SCB produziert, das in Deutschland eine Vertriebsorganisation aufgebaut hat. Unter dem Namen Duraplan bietet der Hersteller außerdem farbige Faserzement-Sidings mit Brettgeometrie und Holzstruktur-Oberfläche als Fassadenbekleidung an.
Weitere Informationen bba 537
Eine rein mineralische Lösung für die Fassadenbekleidung mit brettförmigen Strukturen stellen Fassadenpaneele auf der Basis von Kalziumsilikat dar, wie sie Eternit unter dem Namen Sidings naturgrau oder farbig beschichtet anbietet. In die Oberfläche der unbrennbaren Paneele (Baustoffklasse A2) ist eine Holzstruktur eingeprägt. Sie können wie Bretter mit der Optik einer waagerechten Stülpschalung oder der senkrechten Boden-Deckel-Schalung verlegt werden.
Weitere Informationen bba 538
Die zuletzt genannten Sidings aus Faserzement oder Kalziumsilikat sprengen streng genommen den Rahmen dieses Artikels, weil sie nicht aus Holz oder Holzwerkstoff bestehen und damit nicht als Bretter zu bezeichnen sind. Sie belegen aber noch einmal anschaulich die eingangs diskutierte These, dass Brettverkleidungen ihren architektonischen Erfolg nicht allein dem positiven Image des Werkstoffs Holz verdanken. Die aus dem Baumstamm hervorgegangene Proportion des Bretts ist inzwischen ein so bewährter und vertrauter architektonische Maßstab, dass sie den Sprung über die Materialgrenze hinweg geschafft hat.
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