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Unter einem Dach

Neubau eines Seniorenzentrums mit Kita in Hamburg
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Im Rahmen der Internationalen Bauausstellung IBA Hamburg entwarfen Feddersen Architekten für das Quartier Wilhelmsburg Mitte das Seniorenzentrum Am Inselpark. Es bildet einen Teil des Eingangsensembles zum Wilhelmsburger Inselpark und vereint einerseits generationsübergreifende Nutzung und damit soziale, aber auch energetische und architektonische Aspekte.

jb

Auf einer Insel und zugleich zentral im Stadtgebiet gelegen scheint zunächst widersprüchlich, doch trifft auf Hamburg Wilhelmsburg zu: Der Stadtteil ist umschlossen von Flussarmen der Norder- und Süderelbe, nur einen Sprung südlich über die Elbe bzw. zwei S-Bahnstationen von der Innenstadt entfernt sowie durchzogen von Fern- und S-Bahntrassen. Die Elbinsel ist gleichermaßen von Hafen-, wie Industrie- und Bahnanlagen, aber auch Naturschutzgebieten geprägt.
Wilhelmsburg stellt flächenmäßig den größten Hamburger Stadtteil dar, galt aber lange als vernachlässigt und sozialer Brennpunkt. Dieser Stadtteil im Hamburger Süden rückte neben Veddel und dem Harburger Binnenhafen in den Blickpunkt der Stadtentwicklung. Im Kontext der IBA Hamburg 2006–2013 entstanden insgesamt rund 60 bauliche, soziale und kulturelle Projekte unter dem Motto „Entwürfe für die Zukunft der Metropole“, um Impulse für den aktuellen Städtebau unter sozialen und ökologischen Aspekten zu geben. Der Austausch zwischen Menschen verschiedener Nationalitäten und Generationen war dabei ebenso relevant wie Klima- und Umweltschutz.
Nutzungsmischung
Einen Beitrag zum generationsübergreifenden Quartier Wilhelmsburg Mitte leistet das Seniorenzentrum mit Kindertagesstätte Am Inselpark, eines der größten Projekte der IBA Hamburg. Es ist Teil des Gebäudekomplexes am Eingang zum Wilhelmsburger Inselpark und wurde an exponierter Stelle in Blockrandbebauung gemeinsam mit dem angrenzenden Ärztehaus an der Neuenfelder Straße als Kopfbau im Norden sowie dem Haus der InselAkademie auf einer ehemaligen Brachfläche geplant. Der südliche Abschluss vom Eingangskomplex zum Inselpark, Teil der Internationalen Gartenschau igs 2013, ist das Wälderhaus im Süden. Das vom Büro Feddersen Architekten, Berlin, entworfene und von November 2011 bis August 2013 realisierte Seniorenzentrum bildet auf der Ostseite das Rückgrat und schirmt das Ensemble zu den Bahntrassen und der geplanten Bundesfernstraße ab.
Die Gebäude des Eingangskomplexes umschließen einen Gartenhof, der – durch das Seniorenzentrum vom Schall der Bahn abgeschirmt – für verschiedene Zielgruppen konzipiert ist: Einerseits verläuft durch den Hof ein öffentlicher Weg vom Kopfbau zum Inselpark. Aber nicht nur Passanten, sondern andererseits auch Anrainer nutzen den Gartenhof, wie die Bewohner des Seniorenzentrums und Kita-Kinder. Für die Freiraumplanung zeichnen Schoppe + Partner Landschaftsarchitekten, Hamburg verantwortlich.
Haus als Mittler
Die vier bzw. fünf Geschosse des Seniorenzentrums Am Inselpark erheben sich zwischen den angrenzenden Gebäuden auf längsrechteckigem Grundriss – zu den Gleisen hin geradlinig, hofseitig Doppel-S-förmig geschwungen. Mit der mehrfach geknickten Grundrissstruktur wird die Gestaltung des Wälderhauses (Entwurf Andreas Heller Architects & Designers, Hamburg) aufgegriffen sowie der Baukörper optisch verkürzt und Raum für die Wintergärten geschaffen.
Die Fassadenstruktur im Norden ist geprägt von Keramikfliesen „Alphaton“ in Grüntönen von Moeding Keramikfassaden GmbH. Die Verwendung des robusten Materials Keramik als Fassadenverkleidung ist nicht nur ein auffälliges Gestaltungsmerkmal, sondern entspricht durch seine Langlebigkeit und tonmineralhaltigen Stoffe auch dem Nachhaltigkeitsaspekt. Vor allem wird aber durch die grüne, horizontal profilierte Keramikfassade ein einheitlicher Übergang zu Ärztehaus und InselAkademie (Entwurf und Gesamtplanung: Architekturbüro Bolles+Wilson, Münster) geschaffen.
Architekt Eckhard Feddersen: „Ich verstehe das Haus als Mittler zwischen den beiden Nachbargebäuden am Eingang zum Inselpark. In der Mischung aus ruhiger Wirkung zur Straße und bewegter Struktur zum Hof reagiert das Haus auf diesen in jeder Hinsicht exponierten Ort.“
Das vom Büro Feddersen Architekten, das jahrzehntelange Erfahrung im Planen und Bauen im sozialen Bereich hat, entworfene Gebäude ist nicht nur als Teil des Eingangsensembles ein Mittler, sondern vereint nach der Idee des „Universal Design“ auch verschiedene Nutzungen und Generationen unter einem Dach. Es bietet – beruhend u. a. auf den Prinzipien der breiten und flexiblen Nutzbarkeit – auf insgesamt 9 200 m² Bruttogeschossfläche und verschiedenen Etagen Platz für 141 Seniorenpflegeplätze, beherbergt eine Kita mit 60 Plätzen sowie sieben Appartements für Mutter-Kind-Wohnen.
Die verschiedenen Funktionen der Gebäudeteile sind an der Fassade, insbesondere der bahnzugewandten Ostseite, ablesbar. Wohnräume sind in dem ruhenden Baukörper hinter der horizontal gegliederten Lochfassade angeordnet, Gemeinschaftsbereiche befinden sich hinter den feingliedrigen, vertikalen Strukturen der Glasfassade.
Schallschutzlösung
Die zentrale Lage mitten auf der Elbinsel Wilhelmsburg und die Nähe zum S-Bahnhof bieten zwar eine gute Anbindung und Erreichbarkeit für die Nutzer und Bewohner, stellten aber auch eine Herausforderung bezüglich des Schallschutzes bei der Planung dar. Die Lösung für diese östliche Gebäudeseite fanden Feddersen Architekten in gebäudehohen Wintergärten mit innenliegenden Balkonen. Sie schirmen einerseits vom Lärm der nahegelegenen Verkehrsmittel ab, unterbrechen die horizontale Gliederung der Lochfassade und strukturieren vertikal, verbinden also Funktionalität und Ästhetik. Im Gebäudeinneren werden an dieser Stelle Aufenthaltsbereiche mit Wohnküchen und Gemeinschaftsräumen als Treffpunkte ausgebildet.
Die beiden Wintergärten sind als Pfosten-Riegel-Konstruktion ausgeführt und entsprechen der Schallschutzklasse 3–5, wodurch die Lärmbelastung um 35 bis 49 db reduziert werden kann. Die Profile bestehen aus einer Konstruktion von sowohl Industrie- als auch Individualprofilen. Drei verschiedene Fensterarten beim Wintergarten erforderten unterschiedliche Fenstersysteme: Die Verglasung der Pfosten-Riegel-Fassadenfenster erfolgte mit dem Multi-System FW50 von Schüco, ein vielseitig einsetzbares, wärmegedämmtes Standard-System aus Aluminium für Vertikalfassaden, und einfachem Verbundsicherheitsglas. Zur Belüftung des Wintergartens kamen zum einen im unteren Bereich offen arretierte Lamellenfenster von Glasbau Hahn, Typ S9, zum Einsatz. Die Glaslamellen sind mittig in thermisch ungetrennten Aluminiumprofilen gelagert. Das Lamellenfenster S9 ist als natürliches Rauch- und Wärmeabzugsgerät gem. DIN EN 12101–2 zertifiziert.
Des Weiteren gewährleisten im oberen Bereich des Wintergartens Klappfenster von Schüco sowie Abströmöffnungen einen permanenten Luftwechsel. Mit dem Aluminium-System AWS 50.NI (Non Insulation) bietet Schüco eine ungedämmte Fensterkonstruktion mit 50 mm Grundbautiefe. Die Klappfenster können mechanisch per Hand- und Zeitsteuerung geöffnet werden. Die Belüftung der dahinterliegenden Räume ist nicht über die Wintergärten vorgesehen.
Um die Belichtung der hinter dem Wintergarten liegenden Räume nicht einzuschränken, wurde von einer Sonnenschutzverglasung oder Glasbedruckung abgesehen. Stattdessen fiel die Wahl auf einen außenliegenden Sonnenschutz für die Fenster hinter dem Wintergarten. Der Schallschutz der angrenzenden Räume hinter der Vorhangfassade aus Faserzement mit hohem Fugenanteil erfolgt durch den Wintergarten selbst, die Fenster entsprechen der SSK 3.
Auch die bündig in der Fassade liegenden Fenster müssen den hohen Schallschutzanforderungen genügen. Dafür entschieden sich die Architekten für ein Fenstersystem des Herstellers EGE Fenster. Prallscheiben vor den Kunststoff-Kastenfenstern mit auf 4 cm öffnungsbegrenzter Klappfunktion entsprechen SSK 3–5. Die Zwei- bis Dreifachverglasung, und bei geforderter SSK 5, dämmende Schwerfolie über den Fensterprofilen außen sowie Steinfensterbänke tragen ebenso zum Schallschutz der Bewohner und Nutzer bei. Der Sonnenschutz ist außenliegend und dennoch unauffällig: Senkrechtmarkisen der Firma Warema mit kleinen Kastenabmessungen wurden eingesetzt. Die eckigen Kästen aus Aluminium sind farblich an die Fensterprofile angepasst und schützen vor zu viel Licht- und Wärme im Gebäudeinneren.
Nicht nur Schall-, sondern auch Brandschutz musste bei der Planung berücksichtigt werden. Die Multifunktionsküche der Kita beispielsweise wurde mit einem Brandschutzvorhang der Firma Stöbich ausgestattet.
Energiestandard mehr als erfüllt
Eine weitere Besonderheit ist außer dem Schallschutz sowie dem als Demenzgarten gestalteten Dachgarten, dass der umweltfreundliche Bau nicht nur dem Energiestandard EnEV 2009 genügt, sondern die Energieeinsparverordnung sogar um 30 % unterschreitet. Dafür sorgen eine Solaranlage auf dem Dach sowie gute Dämmung und Lüftung mit Wärmerückgewinnung. Das Gebäude ist zudem beteiligt beim Energieverbund Wilhelmsburg Mitte für Nahwärmeversorgung.
Der IBA-Geschäftsführer Uli Hellweg sagte anlässlich der Eröffnung: „Das Seniorenzentrum ist
ein wichtiger Baustein für die soziale Infrastruktur und bereichert mit seiner Nutzungsmischung den Stadtteil. Durch die exponierte Lage nahe der Bahnstrecke und der künftigen Trasse der Wilhelmsburger Reichsstraße hatten die Architekten eine besondere Herausforderung. Mit gebäudehohen Wintergärten hat das Büro Feddersen Architekten aus Berlin dafür nicht nur eine effektive Schallschutzlösung, sondern einen ästhetischen Mehrwert geschaffen. Hier ist ein architektonisch, energetisch und sozial vorbildliches Gebäude entstanden.“
Gesamtplanung und Entwurf Ärztehaus: Bolles + Wilson, Münster
Planung und Entwurf Seniorenzentrum: Feddersen Architekten, Berlin
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