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Fassadenintegrierte Photovoltaik als Gestaltungselement

Strom wird Architektur
Fassadenintegrierte Photovoltaik als Gestaltungselement

Photovoltaik-Anlagen an und in Fassaden sind auf dem Sprung von der spektakulären Sonderausführung zur integrierten Systemlösung. Die Planung der Stromerzeugung überschneidet sich dadurch mit allgemeinen Fragen der Fassadenfunktionalität und der Gestaltung.

Markus Hoeft

Neue oder doch zumindest junge Verfahren und Anwendungen, wozu die photovoltaische Stromerzeugung an Gebäuden wie z.B. auch die Fassadenintegrierte Photovoltaik noch zu zählen ist, werden zunächst meist allein unter technischen Aspekten beurteilt: Wie viel Funktionalität und Leistung lassen sich zuverlässig, langfristig und mit vertretbarem Aufwand verwirklichen? Optik und Design spielen in solchen Anfangsphasen keine oder nur eine sehr untergeordnete Rolle. Das war bei den ersten Autos nicht anders als bei den frühen Handys und Computern.
Die moderne Photovoltaik ist nun aber offenbar an einem Wendepunkt angekommen, wie die zunehmenden Lösungsansätze für gebäudeintegrierte bzw. fassadenintegrierte Photovoltaik-Anlagen zeigen. Die architektonisch oft unglücklichen aufgeständerten Module oberhalb einer Dachdeckung gehören bei den Neuinstallationen weitgehend der Vergangenheit an. Stattdessen wird Photovoltaik sowohl technisch als auch gestalterisch als eine zusätzliche Funktion der Gebäudehülle interpretiert.
Diese Funktion soll und darf durchaus am Bauwerk zu sehen und abzulesen sein, gerade deshalb muss sie aber neben der Stromerzeugung auch einen architektonischen Wert haben.
Urbane Photovoltaik
Diese Entwicklung ist eng mit einer Neubeurteilung der Gebäudeteile verbunden, in die PV-Anlagen integriert werden. Ein Aspekt, den man als die sozio-geografische Story der Photovoltaik erzählen kann: Am Anfang waren es vor allem die Dächer, die bei kleineren Gebäuden, wie sie im ländlichen Raum typisch sind, die größten ungenutzten und zudem oft sehr günstig geneigten Flächen boten. Bei mehrgeschossigen städtischen Gebäuden oder gar Hochhäusern sind die Dächer in Relation zum Gebäudevolumen hingegen eher klein, häufig nicht geneigt und zudem oft mit Lüftungsanlagen oder ähnlicher Haustechnik „zugestellt“.
Insofern ist es kein Zufall, dass der erste Boom der Photovoltaik auf dem ländlichen Einfamilienhaus stattfand. Mit den großen Flachdachanlagen fand die Technik ihren Weg auf die Lager- oder Fabrikhallen der Gewerbegebiete und damit immerhin an den Rand der Städte. Doch erst mit den aufkommenden fassadenintegrierten Anlagen wird Photovoltaik wirklich urban. Denn senkrechte Flächen stehen im vielgeschossigen Bauen der Städte reichlich zur Verfügung. Sie gehören oft institutionellen Bauherren mit ausreichender Investitionskraft, für die Umweltbewusstsein und innovative Technik gewichtige Marketing- und Imagefaktoren sind. In den größeren Städten trifft die Photovoltaik zudem auf eine Architektur, die ohnehin eine sehr funktionale, sachliche Formensprache pflegt und vielfach mit Metall oder Glas als Werkstoff arbeitet. Ein Gestaltungskanon, in den sich PV-Module mit ihren gläsernen Oberflächen und ihrer technischen Anmutung sehr harmonisch einfügen.
Fassadenintegrierte Stromerzeugung führt den schon vorhandenen Trend zur Funktionsfassade nahtlos fort. Was sich hier so harmlos liest, hat in Wirklichkeit einige Konsequenzen für den Planer. Denn PV-Anlagen an Fassaden können eben nicht allein unter dem Aspekt des maximalen Energieertrags optimiert werden. Zu berücksichtigen sind auch die anderen Fassadenfunktionen: Belichtung und eventuell gleichzeitige Verschattung der Innenräume sowie Wärmeschutz und Witterungsschutz für das Gebäude.
Die Fassadenmontage muss auch mit der photovoltaischen Funktionserweiterung technologisch beherrschbar bleiben; und schließlich – wenn man das Aussehen mit unter die „Funktionen“ der Fassade rechnen will – soll am Ende ein geschlossene gestalterische Idee erkennbar sein. In diesem Sinne wird Stromerzeugung sozusagen Architektur – in einem viel höheren Maß, als dies für herkömmliche Dachanlagen je zutraf.
Kaltfassaden für kühle PV-Zellen
Dass die energetische Effizienz nicht das einzige Planungskriterium für Solarfassaden ist, zeigt die schon angedeutete Problematik der Neigung. Der Ertrag einer PV-Anlage hängt u.a. von ihrer Ausrichtung zur Sonne ab, die in unseren geografischen Breiten mit vertikalen Neigungen um etwa 30° optimal ist. Senkrechte Systeme sind von diesem Optimum um einiges entfernt, werden aber trotzdem verwendet.
Positiv auf den Gesamtertrag wirken sich die gerade an höheren Häusern teilweise sehr großen verfügbaren Flächen aus. Die Krux mit der Neigung lässt sich außerdem durch die gute Kühlung kompensieren, die die PV-Module in einer Kaltfassade erfahren. Die Module werden dabei als Bekleidung vor die tragende Konstruktion gehängt. Wie bei Kaltfassaden generell können sehr elegant Wärmedämmschichten und eine Hinterlüftung in die Unterkonstruktion integriert werden.
Die Hinterlüftung sorgt für eine gute Abführung der Wärme, die bei der Stromerzeugung in den PV-Zellen entsteht. Die Zellen bleiben vergleichsweise kühl und arbeiten damit in einem günstigen, weil effizienten Temperaturbereich.
Kaltfassaden sind bewährte Bausysteme, für deren Planung und Montage mit anderen Bekleidungen, etwas aus Metall, Keramik oder Faserzement, reichlich Erfahrungen vorliegen. Die Stromerzeugung findet in einer eigenständigen Bauteilschicht statt, wodurch eine eindeutige Funktions- und Gewerkegrenze definiert ist.
Als Nachteile der photovoltaischen Kaltfassaden kann man ansehen, dass stets ein eigenständiges Bauteil mit Unterkonstruktion vor die tragende Konstruktion zu setzen ist und dass die Lösung hauptsächlich für opake Fassadenbereiche geeignet ist. Sofern eine etwas technisch anmutende Innenansicht akzeptiert wird, z.B. bei Parkhäusern oder gewerblich-industriellen Bauten, lassen sich mit den heute verfügbaren semitransparenten PV-Modulen allerdings auch offene Fassadenabschnitte „kalt“ gestalten.
Nicht nur in der Senkrechten
Einen anderen Ausweg aus der Krux mit der Neigung bietet die Positionierung der PV-Module als Vordächer, in geneigten Fassadenflächen über Atrien oder Foyers sowie auf starren oder beweglichen Sonnenschutzlamellen.
Gerade Vordächer und Verschattungen müssen für ihre primäre Funktion möglichst genau gegen die Sonne ausgerichtet sein, wodurch ihre Außenseiten in einem optimalen Winkel für die sekundäre Nutzung der solaren Stromerzeugung stehen. Wenn man es etwas architektur-philosophisch betrachten will, kommt die Lösung einer absoluten funktionalen Harmonie schon recht nahe: Die Sonnenenergie wird durch die Verschattung bzw. das Vordach nicht einfach nur ausgesperrt, sondern umweltschonend und gewinnbringend genutzt. Ganz nüchtern-realistisch lässt sich allerdings einwenden, dass die Flächen von Vordächern und Verschattungslamellen in Relation zum Gesamtgebäude meist klein sind und dadurch nur geringe absolute Erträge bringen. Aber wie schon mehrfach betont, geht es bei solar genutzten Fassaden nicht allein um Effizienz und Ertrag, sondern auch um Architektur, um Image sowie um Umweltbewusstsein und Modernität, die ein Bauherr mit dieser Technik demonstrieren kann.
Doch wie auch immer man diese Frage für sich entscheidet, die  fassadenintegrierte Photovoltaik -Anlage umfasst mehr als nur die reinen senkrechten Außenwände, sondern auch geneigte Teilflächen sowie ggf. Dächer oder Brüstungen und Geländer. Als übergreifende Bezeichnung hat sich deshalb Gebäudeintegrierte Photovoltaik (GIPV) durchgesetzt, was bei manchen Anbietern auch neudeutsch Building Integrated Photovoltaic (BIPV) heißt.
Ein bereits vorliegender Normentwurf DIN VDE 0126–21 zum Thema trägt den schlichten Titel Photovoltaik im Bauwesen. Auch auf europäischer Ebene wird an einem BIPV-Normenentwurf gearbeitet.
Warmfassade
Den stärksten Grad der Gebäudeintegration erreicht Photovoltaik in Warmfassaden, bei denen die stromerzeugenden Funktionsschichten unmittelbarer Bestandteil der Gebäudehülle sind. PV-Module in Kombination mit Isolierglas und Verbundsicherheitsglas werden dann etwa in die Felder von Pfosten-Riegel-Fassaden montiert. Opake, also undurchsichtige Module erfüllen dabei die Funktion herkömmlicher Brüstungselemente oder anderer geschlossener Fassadenteile.
Noch einen Schritt weiter gehen semi-transparente Module, wie sie vor allem mit der Dünnschicht-Technologie möglich wurden. Sie können Fenster oder andere für die Belichtung des Gebäudes erforderliche Glasflächen ersetzen, wodurch deutlich mehr Fassadenanteile für eine photovoltaische Nutzung verfügbar werden. Je nach Lichtdurchlässigkeit der semitransparenten Module entstehen auf der Innenseite unterschiedliche, mehr oder minder gedämpfte Lichtstimmungen. Stärker als jede klare Verglasung bilden die Module dadurch eine Schnittstelle zwischen innen und außen, verbinden auf eine völlig neue Weise Innenraum- und Fassadenarchitektur.
In funktionaler Hinsicht kommt es zu einer veränderten Interpretation von Belichtung und Sonnenschutz bei den photovoltaisch genutzten Glasflächen. Durch semitransparente Module gelangt weniger Tageslicht in die Räume, zugleich sinkt aber auch der g-Wert, so dass sich die innere Aufheizung auf den südorientierten Glasfronten verringert. Wie schon bei den Sonnenschutzlamellen „fehlt“ genau die Hitze, die für die Stromerzeugung genutzt wird.
Bei Photovoltaik in Fassaden und speziell bei semitransparenten Modulen in Verglasungen sehen wir momentan erst den Anfang einer Entwicklung, die für kreative Planer sicher noch einiges an gestalterischem Entwicklungspotenzial bereit hält. Neben dem Transparenzgrad sowie den Formen und Mustern, mit denen die Zellen in die Verglasung eingearbeitet sind, gehört beispielsweise auch die Farbe der Module zu den gestalterischen Möglichkeiten. Zwar bieten monokristalline Zellen mit ihren typischen blau-schwarzen Grundtönen den höheren Wirkungsgrad, aber polykristalline mit ihrer Farbvielfalt ein Mehr an Gestaltung. Und in Zukunft wird es eben um beides gehen.
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