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Sprechende Architektur

Neubau eines Forschungsgebäudes in Lübeck
Sprechende Architektur

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Beste Arbeitsbedingungen findet die Lübecker Fraunhofer-Einrichtung für marine Biotechnologie in ihrem Neubau vor. Der obere Fassadenteil besteht aus einer unregelmäßigen Anordnung diagonal gefalteter Aluminiumverbund-Lamellen. Ermöglicht hat diese reizvolle Fassadenwirkung der Einsatz von biegesteifen Aluminiumverbundplatten.

Kay Rosansky | be

Die 2008 in Lübeck gegründete Fraunhofer-Einrichtung für marine Biotechnologie (EMB) stieß in ihren alten Räumlichkeiten schnell an Grenzen, so dass rasch erhöhter Platzbedarf angemeldet wurde. Europäische Union, Bund und Land bewilligten für einen Neubau insgesamt Mittel in Höhe von 30 Millionen Euro.
Bereits 2010 erfolgte eine entsprechende Ausschreibung und dreißig Architekturbüros versuchten ihr Glück mit einer Bewerbung; von ihnen kamen fünf in die engere Wahl. Durchsetzen konnte sich das Büro Thomas Müller Ivan Reimann Gesellschaft von Architekten mbH, welches dann im Rahmen eines VOF-Verfahrens (Vergabeordnung für freiberufliche Leistungen) beauftragt wurde. Die Architekten deckten die Leistungsphasen 1 – 8 ab, also das gesamte Spektrum von der Grundlagenermittlung bis zur Bauleitung, und schufen einen vorbildlichen Baukörper mit einer BGF von 8 000 m².
Fassade ohne flachen Symbolismus
Ivan Reimann sagt im Interview, „wir wollten eine sprechende Architektur“. Das Büro entschied sich deshalb für einen Entwurf „aus einem Sockel und einem schwebenden Teil“, der die Funktion des Gebäudes ablesbar machen sollte: „Algen wachsen zum Licht und drehen sich in der Strömung“, erläutert der Architekt den Zusammenhang zwischen Anmutung der Gebäudehülle und maritimer Forschung im Inneren. Dass diese Metapher nicht zum flachen Symbolismus verkommt, spricht für die Qualität des Entwurfs.
Der Gebäudesockel, der im weiteren Verlauf als Mauer die 10  000 m² große Fläche des gesamten Baugrundstücks schützend umfasst, wurde mit Werksteinplatten aus hellem Jura-Kalkstein bekleidet, dessen biogene Entstehungsgeschichte wiederum auf die Meeresforschung verweist.
Der obere, „schwebende“ Teil der Fassade, welcher das zweite und das dritte Obergeschoss vollständig umhüllt, besteht aus einer arhythmischen Aufstellung diagonal gefalteter Aluminiumverbund-Lamellen. Obwohl alle Elemente identische Faltungen aufweisen, sorgt ihre individuelle Positionierung für die oben beschriebene organische Anmutung. Die Kunst, mittels absolut präzise geformter geometrischer Elemente eine derart lebendige Fassade zu entwerfen, ohne dass diese verspielt oder ermüdend wirkt, macht einen Großteil der Faszination dieses Gebäudes aus. Die ungleichmäßige Licht- und Schattenwirkung der Lamellen wird dabei zusätzlich durch deren changierende Oberfläche unterstützt.
Um eine solche Konstruktion mit einem vertretbaren Aufwand herstellen zu können, entschieden sich die Architekten für die Fassadenplatte Alucobond von 3A Composites. Diese verfügt über ein geringes Flächengewicht, so dass die statischen Anforderungen an den oberen wie den unteren Halterahmen überschaubar blieben.
Gleichzeitig ist das Material biegesteif genug, um seine Form auch unter norddeutschen Windlasten beizubehalten. Und schließlich erlaubte der dreischichtige Aufbau in Verbindung mit der Fräskanttechnik die absolut sauberen Kantungen, die für die Umsetzung dieses spektakulären Entwurfs unerlässlich waren.
Höfe und ein Atrium
Nach Betreten des Gebäudes steht man unmittelbar in einem dreigeschossigen, lichtdurchfluteten Atrium, das der Erschießung dient, aber auch den Austausch der Forscher untereinander befördern soll. Aus den umlaufenden Galerien des ersten und zweiten Obergeschosses entwickeln sich formal zwei schmale Treppen mit annähernd gleichförmigen An- und Untersichten. Die weißen Raumelemente und der ebenfalls weiße Boden aus Werkstein reflektieren das durch die großzügig dimensionierten Oberlichter einfallende Tageslicht und lassen den Raum freundlich und weitläufig erscheinen.
Im Bereich einer bestuhlten Wartezone ist ein dekoratives Brandungssimulationsbecken in die Wand integriert, welches tatsächlich zu Forschungszwecken genutzt wird. Die Außenwände des Atriums wurden als farbige Bänder gestaltet, die von oben nach unten von Blau über ein gedecktes Blau zu einem sanften Grünton variieren; ein Farbspiel, wie es auch im Meer bei zunehmender Tiefe und mit abnehmendem Tageslichteinfall zu beobachten ist.
Eine weitere Besonderheit des EMB-Gebäudes sind dessen Höfe. Neben dem bereits erwähnten Wirtschaftshof dient ein weiterer Hof dem Austausch und der Erholung. Stühle und Tische stehen auf Terrassendielen, die um ein Schotterbeet mit Findlingen und sogar zwei Palmen herumführen. Nebenbei versorgt dieser Rückzugsbereich die angrenzenden Büros zusätzlich mit Tageslicht.
Der dritte Hof verfügt über einen bepflanzten Arkadengang. In ihm befindet sich außerdem ein überdachtes Meerwasserbecken, das ebenfalls zu den Forschungseinrichtungen zählt. Die Höfe erlauben vielfältige Blickbeziehungen zwischen innen und außen, schaffen eine komfortable Tageslichtsituation und ermöglichen nicht zuletzt den Luxus angenehmer Freisitze.
Das übrige Raumprogramm lässt sich vereinfacht so beschreiben: unten die Labore, oben Büros und Bibliothek. Sämtliche auf die Forschung bezogenen Räume im Detail zu beschreiben und zu erläutern brächte nicht viel, aber so viel muss gesagt werden: Bei einer umfänglichen Besichtigung während des inzwischen routiniert laufenden Betriebes ließ sich feststellen, dass auch die funktionale Planung der Architekten voll aufgegangen ist. Die Forscher genießen eine räumliche Freiheit und ein helles, sympathisches Umfeld, welches der geistigen Arbeit zuträglich sein dürfte. Dies unterstützt sicher auch die hervorragende bauliche Ausführung, für die im Inneren stellvertretend die Tischler- und Putzarbeiten genannt seien.
Alucobond-Fassadenplatte
Architekten:
Thomas Müller Ivan Reimann Gesellschaft von Architekten mbH, Berlin
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