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Nachverdichtung im Kontext – Neubau einer Wohnanlage in Berlin-Mitte

Durchatmen in der Stadt
Nachverdichtung im Kontext – Neubau einer Wohnanlage in Berlin-Mitte

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An der Chausseestraße in Berlin-Mitte stand an der ehemaligen Nahtstelle zwischen Ost und West eine Brache zur Nachverdichtung an, die eine kompakte, zum urbanen Umfeld passende Wohnbebauung erhielt. Gleichzeitig blieb Platz für den namensgebenden Grünraum von The Garden.

Markus Hoeft

Hochkompakte Wohnbebauung mitten in lebendiger Urbanität, die aber zugleich der Hektik der Großstadt einen geschützten Gartenhof entgegensetzt – was im ersten Moment wie ein Widerspruch klingt, hat die Mietskasernenstadt Berlin im späten 19. Jahrhundert schon einmal gekonnt: Die heute sehr begehrten Wohnanlagen Riehmers Hofgarten in Kreuzberg oder der Amalienpark in Pankow sind repräsentative Ensemble, bei denen die mehrgeschossigen Mietshäuser gärtnerisch gestaltete Flächen und Wege umschließen.
Mit seinem gerade fertig gestellten Projekt The Garden in der Chausseestraße hat Architekt Eike Becker bewiesen, dass grüne Freiräume auch im 21. Jahrhundert und im Zeichen von hohem Verwertungsdruck bei der Nachverdichtung zentral gelegener Grundstücke möglich sind.
Zumal die Nachverdichtung im Sinne von kompakten Baumassen bei The Garden deutlich ins Auge springt. Die in der Bauflucht der Chausseestraße stehenden Kopfbauten steigen auf acht Geschosse an, dahinter schließen sich Einzelgebäude mit fünf bis sieben Geschossen an. Insgesamt handelt es sich auf rund 12 000 m² Grundstücksfläche um 16 Häuser mit 281 Miet- und Eigentumswohnungen, die allein oberirdisch eine Bruttogeschossfläche von 34 200 m² umfassen.
Die Rede ist also nicht von einer locker bebauten exklusiven Gartenidylle, sondern von einer der innerstädtischen Lage entsprechenden urbanen Architektur und einer für den Investor wirtschaftlich darstellbaren Grundstücksausnutzung. Trotz Nachverdichtung blieb Platz für den Garten, der auf verblüffende Weise weiträumig und großzügig wirkt. Dazu trägt zum einen der glückliche Umstand bei, dass auf der Rückseite ein Friedhof den im zentralen Hof angelegten Grünzug scheinbar unbegrenzt fortsetzt und zugleich mit seiner Kapelle eine spannende Blickbeziehung schafft. Zum anderen hat der Architekt aber auch mit den Baukörpern und Fassaden bewusst ein aufgelockertes, den Eindruck von Enge vermeidendes Freiraumerlebnis geschaffen.
Ineinander greifende Kuben
Die architektonischen Grundmotive, mit denen die Baukörper in The Garden strukturiert werden, um so dem Eindruck (zu) großer und (zu) homogener Massen entgegenzuwirken, lassen sich schon bei einer Annäherung von der Straßenseite ablesen. Der Gebäuderiegel entlang der Chausseestraße ist durch Fassadenversprünge und Staffelgeschosse sowie durch mehrfache Wechsel in Materialität und Farbgebung der Fassade gegliedert, so dass eine Differenzierung in verschiedene Einzelgebäude entsteht. Speziell die markanten Fugenbilder und die Erker spielen mit dem architektonischen Motiv von immer wieder neu und anders gruppierten Kuben. Die Verschachtelung der ineinander greifenden Quader und Rechtecke weckt positive Assoziationen an gestapelte Bauklötzchen oder auch die spezielle Geometrie des Tetris-Spiels.
Beim Eintritt in die Höfe und Gärten setzen sich diese Architekturmotive nicht nur fort, sondern werden durch eine noch größere Klarheit des Entwurfs sogar gesteigert. Denn jedes Einzelgebäude besitzt hier seine eigene Materialität und Farbigkeit, die es als Solitär erlebbar machen und zugleich zur Identifikation der Bewohner mit „ihrem Haus“ einladen. Gleichzeitig zeigen aber speziell die dem Garten zugewandten Fassaden eine gegenüber der Straßenansicht nochmals erhöhte Plastizität: Immer wieder unterbrochene Staffelgeschosse, großzügige Terrassen im Wechsel mit Loggien und unterschiedlich auskragenden Balkone sowie komplett aus dem Gebäudevolumen herausgebaute Wohnräume erzeugen gerade die Leichtigkeit und Lockerheit, die dem begrünten Freiraum jeden Eindruck einer engen Hofschlucht nehmen.
Farbraum mit mehreren Materialitäten
Konstruktiv verbergen sich hinter den architektonischen Solitären sowohl der Straßenseite als auch des Hofensembles durchgängige Betonkonstruktionen. Im Sinne eines vereinfachten Gewerkeablaufs wurden auch die auskragenden Gebäudeformen aus Beton hergestellt: die Balkone mit thermisch getrennten und darum ungedämmten Bodenplatten, die herausgebauten geschlossenen Kuben hingegen als Teil der wärmegedämmten Betonkonstruktion.
Ihre Individualität erhalten die Gebäudeansichten neben der Plastizität maßgeblich durch die Materialien und Farben ihrer Fassaden. An den Mietwohnhäusern handelt es sich um das Wärmedämm-Verbundsystem Alsecco basic, deren weiße, graue und olivgrüne Putzoberflächen mit Alsicolor-Siliconharzfarben bis zum sehr dunklen HBW 19 entstanden. Rein technisch gesehen handelt es sich also um fugenlose Oberflächen, in die jedoch Sichtfugen eingeschnitten wurden, um auch hier die Optik der ineinander gestapelten Tetris-Figuren umzusetzen.
Die Fugen verweisen gleichzeitig auf das Fassadenbild der Häuser mit Eigentumswohnungen, wo vorgehängte hinterlüftete Fassaden mit einer Bekleidung aus unterschiedlich beschichtetem Aluminium eingesetzt wurden. Die rückseitig in Agraffen eingehängten Blechkassetten aus 3 mm dickem Aluminium betonen mit ihrer Scharfkantigkeit und den glatten Oberflächen die Markanz der Einzelkuben. Sie bilden im Grundsatz den gleichen Farbraum ab wie die Putzfassaden, der jedoch durch die andere Materialität und die variierenden Farbsysteme hier auch anders wirkt. Weiße Flächen (RAL 9016) kontrastieren dunkle Pulverbeschichtungen mit Eisenglimmer-Effektpigmenten (DB 702/703) und steingraue Teilflächen in RAL 7030.
Die Fassaden aus Aluminiumblech bilden den Übergang zur letzten Fassadenvariante. In direkter Nachbarschaft zum Friedhof wurden Aluminium-Sandwichelemente Alucobond Ligno mit aufgedrucktem Holzdekor Europäische Walnuss montiert. Helle Bänder aus Aluminiumblech (pulverbeschichtet, Argento 620) visualisieren hier die im ganzen Ensemble immer wieder betonte horizontale Schichtung der Geschosse.
Es sind vor allem die Fassaden, die einerseits die Geschlossenheit des Ensembles, aber gleichzeitig auch seine plastische Auflockerung bewirken. Dem Team von Eike Becker Architekten gelang damit ein zeitgemäß interpretierter Nachfolger von Riehmers Hofgarten oder dem Amalienpark – zwei historischen Vorbildern, auf die sich Eike Becker bei The Garden explizit beruft.
Architekt Eike Becker über die architektonische Idee von The Garden: „Wer in der Stadt wohnt, sucht Freiheit, will inspiriert werden und am Leben der Großstadt teilhaben. Die eigene Wohnung wird dagegen mehr und mehr als Rückzugsort wahrgenommen. Ein Raum der Sicherheit, an dem man einfach mal sagen kann: ,Hey, ich steige jetzt mal kurz aus aus dem geschäftigen Treiben!‘ Eine Oase für den Blick nach innen. Wie ein Sonntag auf dem Lande: Vögel zwitschern, Blätter rauschen, Bienen summen – durchatmen.“
WDVS
Alsicolor Siliconharzfarbe
Alu-Sandwichelement Alucobond Ligno
Aluminiumblech Argento 620
Balkonverglasung SL 25
Architekturplanung:
Eike Becker Architekten, Berlin
Fachplanung:
HHP Hosser, Hass + Partner Ingenieurgesellschaft für Bauwesen und Brandschutz GmbH (Brandschutz), Machleidt + Partner Büro für Städtebau (Städtebau), AWD Ingenieure (Tragwerk), RM Ridder und Meyn Ingenieurgesellschaft mbH (Haustechnik), Topotek 1 Gesellschaft von Landschaftsarchitekten mbH (Außenanlage)
Ausführungsplanung:
BAM Deutschland AG, Stuttgart
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