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Lückenlos archiviert

Erweiterung einer Bibliothek in Leipzig
Lückenlos archiviert

Der vierte Erweiterungsbau für die Deutsche Nationalbibliothek in Leipzig entstand mit ZSP Architekten und der freien Architektin Gabriele Glöckler, deren Entwurf die historische Lücke zwischen Hauptgebäude und Bücherturm schließt. Gestaltungselemente sind u. a. Aluminiumfassaden als Sonderkonstruktionen, ergänzt von gläsernen Brandschutzwänden.

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Die Deutsche Nationalbibliothek sammelt und archiviert lückenlos deutsche und deutschsprachige Publikationen ab 1913 einschließlich der im Ausland erscheinenden Germanica und Übersetzungen deutschsprachiger Werke sowie der zwischen 1933 und 1945 erschienenen Werke deutschsprachiger Emigranten. Nach der Wiedervereinigung sind die Deutsche Bücherei von 1912 in Leipzig, die Deutsche Bibliothek in Frankfurt a. M. und das seit 2010 in Leipzig angesiedelte Deutsche Musikarchiv vereinigt worden. Diese Institution erhielt 2006 einen erweiterten gesetzlichen Auftrag als Deutsche Nationalbibliothek. Jedem Standort wurden Schwerpunktfunktionen übertragen. In Leipzig befinden sich das Deutsche Buch- und Schriftmuseum, das Deutsche Musikarchiv, die Sammlung ExilLiteratur 1933–45 und Anne-Frank-Shoah-Bibliothek. Der Gesamtbestand der Deutschen Nationalbibliothek umfasste Ende 2012 rund 27,5 Millionen Einheiten.
Im Neubau bieten 10 000 m² klimatisierte Magazin- und 1 500 m² Ausstellungsflächen samt Lesesaal des Buch- und Schriftmuseums Platz für die wertvollen Bestände. Die Räumlichkeiten sollen zugleich die in den kommenden 20 Jahren zu archivierenden deutschsprachigen Veröffentlichungen unter modernen konservatorischen Bedingungen aufnehmen. Im Zusammenhang mit dem Erweiterungsbau sind auch die Fassaden des Bücherturms erneuert worden.
Die Schätze und Leistungen der Deutschen Nationalbibliothek sichtbar machen: Dies sei durch die transparente architektonische Gestaltung gelungen, stellte die Generaldirektorin der Deutschen Nationalbibliothek, Elisabeth Niggemann, fest. Sie betonte die herausragende Bedeutung der Bibliothek in ihrer Doppelfunktion als Archiv und Dienstleistungseinrichtung.
Architektin Gabriele Glöckler: „Der Erweiterungsbau schließt die historische Lücke zwischen dem prachtvollen Hauptgebäude und dem Bücherturm und verbindet sie zu einem Gesamtensemble. Mit dem Konzept Umschlag-Hülle-Inhalt, das der Gestaltung zu Grunde liegt, wird sichtbar auf die Funktion als Büchermagazin aufmerksam gemacht. Mit der gestalterischen Umsetzung der Vierten Goldbergvariation von Bach in abgestuft roten Fassa-denelementen wird zugleich auf das Deutsche Musikarchiv und die Musiktradition der Stadt Leipzig angespielt.“
Komplexe Fassadenaufgabe
Die Architektin Gabriele Glöckler hatte mit ZSP Architekten unter Projektleitung von Christoph Burghardt auch die Ausführungsplanung für die Fassaden des Bibliotheksneubaus detailliert vorangetrieben. Vorgesehen waren sehr verschiedene Fassadentypen für den frei geformten Baukörper, wofür gestalterische, statische und bauphysikalische Gründe vorlagen. Mit der Erfahrung der auf komplizierte Metallbaukonstruktionen spezialisierten MBM aus Dresden gelangen ebenso elegante wie wirtschaftliche Lösungen.
MBM baute 2 140 m² wasserbeheizte Stahl-Pfosten-Riegel-Fassaden, überwiegend aus scharfkantigen Profilen und 2 100 m² Aluminium-Fassaden. Der Magazintrakt ist an seinem „Umschlag“ aus Metall erkennbar und vermittelt den Eindruck eines liegenden Buches. Es handelt sich überwiegend um eine Holzkonstruktion mit angesetzten Kassettenelementen von zweiachsig gekrümmter Form, deren Herstellung wirtschaftlich auf Basis von 3D-Konstruktions-Software möglich ist.
Geschlossen und transparent
Das Magazin erreicht mit 36 cm starker Wärmedämmung fast Passivhausstandard. Hier gibt es keine transparenten Elemente, denn Temperatur und Luftfeuchtigkeit innerhalb der klimatisierten Räume dürfen nur in sehr engen Toleranzen (18°C ≤ 2 K) schwanken. Man betritt das Magazin durch Luftschleusen. Bei den dahinter liegenden Fluren und Büroräumen sind Fensterflächen in den als Stahlkonstruktion gebildeten „Umschlag“ integriert.
Die Dreiecksfenster sind Sonderkonstruktionen, entwickelt aus dem Wicona Fenstersystem Wicline (Aluminiumprofile in Pfosten-Riegel-Technik mit hochisolierendem Dämmprofil). Beheizte Pfosten-Riegel-Stahlfassaden mit Elementen bis zu 3,40 m Höhe im EG begrenzen die Ausstellungsflächen unterhalb des „Umschlags“. Eine Spezial-UV-Schutzfolie in den Glaselementen schützt die Ausstellungsgegenstände. Eine Besonderheit bilden 100 m eines ca. 1,40 m auskragenden Aluminium-Shelfs in dieser Fassade. Er scheint durch sie hindurch zu gehen und dient über seine architektonische Funktion hinaus als Blendschutz. Im Eingangsbereich sind Beleuchtung und Sicherheitstechnik integriert.
Mehr oder weniger farbig
In 15 verschiedenen Farbnuancen zwischen Grau und Rot zeigen sich die Glasflächen der Aluminiumfassaden mit Ausnahme der Fensterflächen. Sie erhielten ihre Farbigkeit durch ein im Siebdruck aufgebrachtes Punktmuster und sind zusätzlich mit Ipachrome-Verfahren verspiegelt. Nach Herstellerangaben entsteht ein chromhaltiges Mehrfachschichtsystem mit einem Lichtreflexionsgrad von mehr als 50 %. Mit dem Wandel der Jahreszeiten, Witterung und Sonneneinstrahlung sowie der Tageszeit erscheint dadurch der Bau mehr oder weniger „farbig“.
Aluminium-Elementfassaden sind nicht nur am Magazintrakt, sondern auch an der Museumsbrücke und einem Verbindungskern genannten Gebäudeteil zu finden, das an den Bücherturm anschließt. Die Fassaden der Museumsbrücke sind durch Loggien unterbrochen und mit Parallelausstellfenstern ausgestattet. Die Mischkonstruktion besteht aus Kassettenwand mit vorgehängter hinterlüfteter Fassade und Elementfassade. Glaselemente sind zweiseitig linienförmig oben und unten fixiert, um sichtbare Halterungen zu vermeiden. Die Parallelausstellfenster werden motorisch betrieben und verschmelzen im geschlossenen Zustand flächenbündig mit der Fassade. Sie sind mit Drei-Scheiben-Sonnenschutzverglasungen ausgestattet. Zwischen den Scheiben laufen Rollos als Sonnen- und Blendschutz, die sich auch bei geöffnetem Fenster bewegen lassen.
Alle Aluminium-Fassadenelemente sind Sonderkonstruktionen, die auf Systemen von Wicona basieren: der Elementfassade Wictec EL und des Fassadensystems Wictec 50, des Fenstersystems Wicline und der Türserie Wicstyle 77. Objektprofile und Sonderlösungen entstanden zusammen mit dem Ingenieurbüro Walter Pietsch aus Ulm und den Ingenieuren des Leipziger Büros der Hydro Building Systems GmbH.
Brandschutzkonzept
Das von der Berliner KMS Beratungs- und Planungsgesellschaft entwickelte Brandschutzkonzept unterteilt diesen vielgestaltigen Baukörper in einzelne Brandsektionen, so dass praktisch jedes Magazin, alle Bürobereiche und der Lesesaal für sich einen eigenen Brandabschnitt bildet. Schwerpunkt wurde auf sichere Rettungswege sowie wirksame Brandbekämpfungsmaßnahmen durch maschinelle Entrauchungsanlagen gelegt.
Für die gewünschte Transparenz des Gebäudes sorgen Glasfassaden ebenso wie Glaswände innen. So sind an der Aussichtstreppe ab dem 1. OG die angrenzenden Flure über 4 bis 6 m Breite durch raumhohe, gläserne F30-Brandschutzwände aus Pyranova Spezialglas zum Atrium hin abgeschottet. Die einzelnen Scheiben sind stumpf aneinander gestoßen und ohne lastabtragende Pfosten mit einer unauffälligen Silikonfuge verbunden. Da die Funktion der Lastabtragung vom Glas selbst übernommen wird, kamen nur geprüfte Spezialgläser von Schott in Frage. Der Lesesaal ist durch eine feuerhemmende Glaswand im Stoßfugensystem mit Pyranova 30 von der öffentlichen Erschließung getrennt: Die cirka 20 m lange Brandschutzverglasung erstreckt sich über die gesamte Höhe des Lesesaals und ist horizontal nur durch einen brandschutzverkleideten Träger unterbrochen.
Architekten: Gabriele Glöcker, Stuttgart und ZSP Architekten, Stuttgart Brandschutzplanung: KMS Beratungs- und Planungsgesellschaft mbH, Berlin
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