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Klinkerfassade für neuen Hauptsitz der flämischen Regionalregierung

Neubau eines Regionalregierungsbaus in Brüssel
Spiegelung von heute

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Mit dem Herman Teirlinck-Gebäude in Brüssel haben die Rotterdamer Architekten Neutelings Riedijk das größte Passivhaus-Bürogebäude Belgiens fertiggestellt. Um einen repräsentativen neuen Hauptsitz für die flämische Regionalregierung zu schaffen, entwickelten die Planer ein abwechslungsreich komponiertes Ensemble mit ungewöhnlich detaillierter Klinkerfassade und vielschichtig gestaltetem Innenraum.

Robert Uhde

Mit seiner prachtvoll verzierten Backsteinarchitektur gehört der 1910 im Norden der Brüsseler Innenstadt nahe des Binnenhafens errichtete Lagerhaus-Komplex „Tour & Taxis“ zu den bedeutendsten Industriedenkmälern der belgischen Hauptstadt. In direkter Nähe zu dem mächtigen Komplex des ursprünglich tatsächlich aus Brüssel stammenden Adelsgeschlechts wurde nun das beinahe ebenso große „Herman Teirlinck“-Gebäude als „moderne Spiegelung“ des Altbaus fertiggestellt.

Kontrastreiche Nachbarschaft

Das nach einem flämischen Schriftsteller benannte, als Auftakt einer umfangreichen städtebaulichen Quartiersumnutzung realisierte Neubau-Ensemble fungiert als neuer Hauptsitz der flämischen Regionalregierung. Auf einer Bruttogeschossfläche von rund 65 000 m² stehen flexible und modern ausgestattete Büros für die rund 2 600 Mitarbeiter der Behörde zur Verfügung. Als zusätzliche Funktionen wurden öffentlich zugängliche Geschäfts-, Ausstellungs-, Gastronomie- und Event-Räumlichkeiten sowie eine Tiefgarage mit 310 Stellflächen integriert.

Aus dem Wettbewerb für das Projekt waren Neutelings Riedijk Architecten als Sieger hervorgegangen. Mit Projekten wie dem Niederländischen Archiv für Audiovisuelle Medien (NAA) in Hilversum (bba 05|2008), dem Museum aan de Stroom in Antwerpen (bba 11|2010) oder dem Kulturzentrum „Rozet“ in Arnheim (bba 04|2014) gehört das belgisch-niederländische Büro um Willem Jan Neutelings und Michiel Riedijk seit Jahren zu den führenden Architekturbüros in Benelux. Wie kaum jemand anderes verstehen es die beiden Planer, unterschiedliche Funktionen entsprechend ihres jeweiligen städtebaulichen Umfeldes in plastisch differenzierte – teilweise „rubensartige“ – Gebäudehüllen zu kleiden und so zu einem charakteristischen Bestandteil ihrer Umgebung zu machen.

Plastische Formgebung mit luftigen Atrien

Mit dem Neubau des Herman Teirlinck-Gebäudes in Brüssel ist den Architekten jetzt ein weiteres bedeutsames Großprojekt mit viel Gespür für den städtebaulichen Kontext gelungen. Ausgehend von der historischen Backsteinarchitektur des südwestlich angrenzenden Lagerhaus-Komplexes entwickelten die Planer gemeinsam mit dem vor Ort ansässigen Büro Conix RDBM Architecten und dem Bureau Bouwtechniek ein abwechslungsreich verschachteltes sechsgeschossiges Volumen mit streng gerasterter Klinkerfassade. Daraus wurden unter anderem ein offener Eingangsbereich, verschiedene Lichthöfe sowie zwei großformatige, als Pfosten-Riegel-Konstruktion (Viss von Jansen) mit Sonnenschutzverglasung von AGC ausgeführte Atrien als quaderförmige Ausschnitte ausgespart: „Die kraftvoll-moderne, dabei überaus plastische Formgebung besitzt ausreichend Präsenz und Volumen, um mit dem etwa gleich hohen Industriebau in Dialog zu treten, ohne sich dabei anzubiedern oder dominieren zu wollen“ , erklärt der zuständige Projektleiter Dieter De Vos.

Über dem scharfkantig geschnittenen Sockelbau ragt ein achtgeschossiger Turm in gleicher Architektursprache aus der Gebäudemasse hervor. Das rund 60 m hoch aufsteigende Volumen fasst die verschiedenen Gebäudemassen in Richtung Nordwesten ein und fungiert dabei als städtebaulicher Ankerpunkt und gemeinsam mit dem Altbau als markante Torsituation für die weitere Bebauung des Tour & Taxis Quartiers. In Richtung Osten schafft der Turm gleichzeitig einen Bezug zu dem 2014 hier fertiggestellten, insgesamt 140 m hohen Wohnturm Up-Site-Tower, dem höchsten Gebäude der belgischen Hauptstadt.

Hochwertig detaillierte Klinkerfassade

Bei der Suche nach einem geeigneten Stein für die Fassade hatten sich die Planer, ausgehend von der vorhandenen Backsteinarchitektur am Standort, für einen hellen Klinker mit lebendig geflammter Oberfläche entschieden. Der Keramikklinker Sussex Multi Gesinterd Fuss von Daas Baksteen wurde auf der Baustelle in einem charakteristischen Zierverband ausgebildet. Zusätzlichen Reiz bietet die ungewöhnliche Zusammenstellung von jeweils drei horizontal verlegten und drei vertikal verlegten Steinen zu einem ungewöhnlichen Blockverband, der sinnfällig die streng gerasterte Fassadenstruktur aufgreift.

„Im Zusammenspiel ist eine abwechslungsreiche Außenhülle entstanden, die trotz des großen Gebäudevolumens überraschend leicht wirkt“ , beschreibt Dieter De Vos den Eindruck.

Komplettiert wird das Bild durch weiß gerahmte horizontale Fenster, die durch graue Aluminium-Jalousien von Reynaers verschattet werden. Für eine optimierte Dämmung der Fassade kamen Kerndämmplatten aus Resol-Hartschaum (Kooltherm K8 von Kingspan Insulation) zum Einsatz.

Vielschichtiger Innenraum

Ebenso überzeugend präsentiert sich der Neubau auch in seinem Innenraum. Ein zentrales Element ist hier die vom zurückliegenden Haupteingang in Richtung Südosten bis zum zweiten Zugang nach Norden quer durch das Gebäude verlaufende Erschließungsachse. Aneinandergereiht wie an einer Perlenschnur schließen sich entlang dieser öffentlich zugänglichen Passage im Erdgeschoss mehrere Läden und Restaurants an. Im ersten Obergeschoss erreichen die Besucher außerdem unterschiedliche Bürgerbüros.

„Wände und Decken der verschiedenen Bereiche haben wir ebenfalls als Klinkerfassade mit dem auch im Außenbereich verwendeten Stein ausgebildet, um so einen fließenden Übergang von außen nach innen zu erzielen“ , erklärt Dieter De Vos das Konzept. „Die üppige Begrünung, die Verlegung heller Natursteinböden sowie die Integration der verschiedenen Atrien und Lichthöfe sorgt dabei für eine angenehme und luftig-helle Atmosphäre der Geschäftszeile.“ Um die auflockernden Innenhofkerne und die Atrien herum wurden für eine optimierte Tageslichtnutzung auch die verschiedenen Büros angeordnet:

„Die verschiedenen Höfe werden nicht klimatisiert und schaffen so einen klimatischen Puffer zwischen innen und außen, der eine deutliche Reduzierung des winterlichen Heiz- bzw. sommerlichen Kühlbedarfs in den Büros ermöglicht“, erklärt Dieter De Vos.

Gemeinsam mit der umfangreichen Tageslichtnutzung, der hocheffektiven Fassadendämmung sowie der Nutzung von Geothermie, Betonkernaktivierung, Photovoltaik, Dachbegrünung und Regenwassernutzung konnte schließlich erreicht werden, dass das Herman Teirlinck-Gebäude souverän die Kriterien des Passivhaus-Standards einhält.

Architektur:
Neutelings Riedijk Architects, Rotterdam (NL), in Zusammenarbeit mit Conix RDBM Architecten, Brüssel (BE)

www.neutelings-riedijk.com

conixrdbm.com

Bauingenieurbüro: Bureau Bouwtechniek,
Antwerpen (BE)

Projektleiter: Dieter De Vos Architecten, Brüssel (BE)

Statik:
Ney + Partners, Brüssel (BE)

Gebäudephysik:
Studiebureau Boydens,
Groot-Bijgaarden (BE)


Robert Uhde

Studium der Kunst und Germanistik in Oldenburg. Erstes Staatsexamen. Ausbildung zum Fachredakteur für Architektur bei der Verlagsgruppe Rudolf Müller in Köln. Seit 1997 freier Autor für Fachzeitschriften und Tageszeitungen. Eigenes Büro in Oldenburg.
www.robert-uhde.de

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