Startseite » Fassaden »

Auferstanden aus Ruinen

Rekonstruktion eines Quartiers am Dresdner Neumarkt
Auferstanden aus Ruinen

Rekonstruktion historischer Bauwerke und Stadtensembles ist in Deutschland umstritten – für die einen architektonisches Disneyland, für die anderen Wiederherstellung bzw. Bewahrung der kulturellen Seele. Im Falle Dresden stellt die Wiedererrichtung der Dresdner Frauenkirche die Weichen neu: Mit historischen Fassaden im Spannungsfeld moderner Architektur und modernen Tondachziegeln im historischen Design.

HS / be

Der Wiederaufbau der Dresdner Frauenkirche war nur der erste Schritt. Der zweite, die Wiederherstellung der Altstadt am Neumarkt rund um die Frauenkirche, ist ein in jeder Hinsicht gewaltiges Projekt – und architektonische Drahtseilwanderung zwischen vollständiger Rekonstruktion, stadtplanerischer Wiederherstellung des urbanen Umfelds der Frauenkirche auf gewachsenen Straßenfluchten und einem vernünftigen Kosten-/Nutzenverhältnis sowie für die Nutzer einem Wohnstandard der Gegenwart. Acht „Quartiere“ waren wiederzuerrichten. Das sensibelste, weil unmittelbar neben der Frauenkirche gelegen, ist das Quartier 1, auch QF (Quartier an der Frauenkirche) genannt, ein Ensemble von ehemals 20 Einzelparzellen, heute neun Gebäuden, das vom Neumarkt, der Frauenkirche, Töpfergasse und Augustusstraße eingerahmt wird.
Leitbauten
Für die Planung zeichnete das Architekturbüro von Döring verantwortlich. Es löste die Historismus-Kontroverse mit einem eleganten Kompromiss nach dem Vorbild des Leitbautenprinzips, das seit Ende der 80er Jahre in der DDR-Architektur die organische Verbindung von Altem und Neuem sichern sollte. An den optisch sensiblen Bereichen, vor allem an der Front zum Neumarkt und dem Kopfbau an der Sichtachse, die der Fürstenzug bildet, stellen vier Leitbauten mit dem Weigelschen Haus in der Mitte das historische Fassadenbild wieder her.
Es liegt in der Natur der Sache, dass eben diese Fronten auch fotografisch am besten dokumentiert sind. Diese historischen Fassaden wurden in Zusammenarbeit mit dem Landesamt für Denkmalpflege detailgetreu als Mauerwerkskonstruktion wiedererrichtet. An weniger sensiblen Stellen oder da, wo die ursprüngliche Bebauung entweder schlecht dokumentiert oder von architektonisch geringerem Wert war – vor allem entlang der Töpfergasse – akzentuiert Gegenwartsarchitektur das Bild.
So gelang ein Ensemble aus einem Guss, das aber aussieht wie in Jahrhunderten gewachsen. Im Wechsel von denkmalgeschützten Fassaden und moderner Formensprache, von Dächern mit traditionellen sächsischen Biber-Ziegeln und modern designten Glattziegeln bis zu Flachdächern auf Glasstufengiebeln – ein gelungener, scheinbar kleinteiliger Kontrapunkt zum Koloss der Frauenkirche.
Traditionelles Material
Die bürgerliche Stadtarchitektur im Stil des Dresdner Barock war gekennzeichnet durch eine im Schnitt fünfgeschossige Bebauung mit einem ein- bis zweigeschossigen Mansarddach mit Dachgauben. Das traditionelle Bedachungsmaterial war der sächsische Biber im Segmentschnitt mit drei Rillen. Auf der Suche nach einem Modell, das den historischen Ziegeln am nächsten kam, stieß Architekt Kai von Döring auf den „Kera-Biber“ von Creaton, der nach wie vor in einem sächsischen Tondachziegelwerk in Guttau hergestellt wird.
Wie alle „Kera“-Produkte aus Guttau sind auch diese durchgefärbt, also auch optisch robust. Die Schnittkanten sehen nicht anders aus als die Oberfläche, und selbst eine mechanische Beschädigung würde das Farbbild nicht verändern. Doch gegen mechanische Beschädigungen schützt den Ziegel ohnehin zusätzlich der Hochbrandfaktor, also Brand im Sinterverfahren bei Temperaturen bis 1 120° C ohne zusätzliche Brennhilfsmittel, der das Produkt besonders hart und widerstandsfähig macht.
Für die besondere Ziegel-Qualität sorgen darüber hinaus zum einen das besonders reine Tonvorkommen in der Oberlausitz, zum anderen das Herstellverfahren, bei dem ein sehr feines staubtrockenes Tonmehl nach exakt gesteuerter Anfeuchtung zur homogenen Tonmasse wird – Basis einer fast feinkeramischen Qualität. Dadurch hat auch Feuchtigkeit keine Chance mehr, in die Oberfläche der Ziegel einzudringen, so dass keine Risse durch Wasser entstehen, das sich – erst einmal eingedrungen – bei Frost ausdehnt. Auch Algen- und Moosbefall können nach Herstelleraussage gar nicht erst entstehen. Eventuelle Schmutzablagerungen werden ganz einfach mit dem nächsten Regenschauer weggewaschen.
Tradtionelles Dachbild mit modernen Kontrasten
Was vollständige Rekonstruktionen historischer Bauten bei aller Detailgenauigkeit häufig unecht aussehen lässt, ist das Fehlen der historischen Patina. Echte historische Dächer leben vom Wechsel der Farbnuancen, wie er einst für die handwerklichen Zieglertechniken typisch war. Heute steckt hinter den lebendig geflammten Biberdächern der Neumarkt-Leitbauten, zum Beispiel des „Goldenen Rings“ am Eck Neumarkt/An der Frauenkirche, mit ihren reizvollen, rotbunt nuancierten Musterungen moderner Tondachziegel-Hightech.
Die gewollt unregelmäßige, natürlich wirkende Farbnuancierung „rotbunt geflammt“ mit ihrem historischen Charakter entsteht durch ein speziell entwickeltes Brennverfahren. So gibt es den „Kera-Biber“ in zahlreichen Farben und Oberflächenvarianten. Kupferrot ist das Dach des Hotels Stadt Berlin, andere Dächer sind in Mangan oder Braun gehalten.
Ein Kontrastprogramm zur barocken Formensprache der Schaufront zum Neumarkt bieten die schlichteren Häuser der Töpfergasse in zeitgenössischer Architektursprache. Dieser Gegensatz zieht sich bis zum Dach und bis zur Wahl des Ziegels durch.
Hier fiel die Wahl auf den Glattziegel „Domino“ in der Ausführung „Nuance“ grau engobiert, der sich durch die schlichte, schnörkellose Eleganz seiner geradlinigen, auf das Wesentliche reduzierten Form auszeichnet. Neben seiner Design-Qualität, von der Dachterrasse aus auch für die Bewohner erlebbar, tritt die technische Qualität: Aufgrund seiner besonders guten Wasserführung und ebensolchen Cw-Wertes kann dieser zur Zeit in seiner Form schlichteste und geradlinigste Glattziegel schon ab einer Dachneigung von 25° verlegt werden.
Architekt Dipl.-Ing. Kai von Döring: „Die weltweit beachtete Wiedererrichtung der Frauenkirche wäre auf halbem Wege stehen geblieben, wenn man beim Blick von der Kuppel nur auf einen kahlen Platz hätte sehen müssen. Es war uns wichtig, der umliegenden Bebauung eine Dachlandschaft zu geben, die mit ihren Tondachziegeln in unterschiedlichen Farbnuancen der historischen Vielfalt des im Krieg zerstörten Vorbildes Rechnung trägt.“
bba-Infoservice Biberziegel 537 Glattziegel 538 www.vondoering.com
Generalplanung: Architekturbüro Kai von Döring, Dresden
Unsere Top-3-Projekte des Monats
MeistgelesenNeueste Artikel

Infoservice
Vielen Dank für Ihre Bestellung!
Sie erhalten in Kürze eine Bestätigung per E-Mail.
Von Ihnen ausgesucht:
Weitere Informationen gewünscht?
Einfach neue Dokumente auswählen
und zuletzt Adresse eingeben.
Wie funktioniert der bba-Infoservice? Zur Hilfeseite »
Ihre Adresse:














Die Konradin Medien GmbH erhebt, verarbeitet und nutzt die Daten, die der Nutzer bei der Registrierung zum bba-Infoservice freiwillig zur Verfügung stellt, zum Zwecke der Erfüllung dieses Nutzungsverhältnisses. Der Nutzer erhält damit Zugang zu den Dokumenten des bba-Infoservice.
AGB
datenschutz-online@konradin.de