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Aerodynamische Kurven

Neubau eines Bürohochhauses in Groningen
Aerodynamische Kurven

Im niederländischen Groningen überzeugt der Neubau des Amsterdamer UNStudios nicht nur durch organische Formgebung, sondern auch durch intelligente Gebäudetechnik. Einen Beitrag zur Reduzierung des Energieverbrauches leistet die geschwungene Fassade, die Sonnenschutz, geringere Windlasten und optimierte Tageslichtnutzung ermöglicht.

Robert Uhde

Die Bauaufgabe „Verwaltungshochhaus“ klingt in den meisten Ohren noch immer etwas verstaubt. Schnell fühlt man sich an stickige 1960er-Jahre-Bauten mit endlos langen Gängen erinnert. Dabei lassen moderne technische Lösungen wie doppelschalige Glasfassaden oder andere innovative Klimakonzepte längst völlig andere Lösungen zu. Ein gelungenes Beispiel dafür bietet das nach Plänen des Amsterdamer UNStudios fertig gestellte Verwaltungshochhaus Education Executive Agency & Tax offices, kurz EEA & tax office, im niederländischen Groningen.
Der 92 m hoch aufsteigende Neubau überzeugt nicht nur durch seine asymmetrisch aufsteigende, dabei weich abgerundete Silhouette, sondern er bietet auch eine hohe Energieeffizienz sowie Nutzer- bzw. Besucherfreundlichkeit. Denn hinter der elegant gestalteten Fassade steht den rund 2 500 Mitarbeitern der beiden Häuser auf einer Fläche von 48 000 m² eine abwechslungsreich gestaltete Bürolandschaft mit offenen Räumen und Verkehrsflächen zur Verfügung.
Mit Public Private Partnership
Das Projekt wurde als eines der ersten Gebäude in den Niederlanden in Public Private Partnership realisiert. Und es beweist dabei, dass sich der Einsatz privaten Kapitals zur Erfüllung staatlicher Aufgaben durchaus lohnen kann, wenn alle Seiten kooperativ zusammenarbeiten und ihre unterschiedlichen Stärken Gewinn bringend einbringen. Auf Basis der 2005 durchgeführten Ausschreibungswettbewerbes hatte die Dutch Government Buildings Agency (RGD) als Bauherr des Projekts die gesamte Gestaltung, Fertigstellung, Finanzierung sowie den Betrieb des Gebäudes an das Konsortium DUO2 vergeben, bestehend aus den Unternehmen Strukton, Ballast Nedam und John Laing.
Für die Planung und Ausführung des Gebäude hatte das Konsortium vorab bereits das UNStudio ausgewählt. Ausgehend von den Anforderungen der Nutzer entwickelten die renommierten Planer den Neubau als 12-geschossigen, in sich geschwungenen Sockelbau mit einer darüber aufsteigenden, insgesamt 24-geschossigen Hochhausscheibe, die beide zu einem organisch fließenden Ganzen verbunden wurden. Die biomorph geschwungene aerodynamische Silhouette schafft nicht nur einen markanten Blickfang im Stadtbild von Groningen, sondern sie hält selbst nach mehrmaligen Umlaufen noch überraschende Perspektiven bereit.
Die ungewöhnliche Form des Neubaus ist allerdings nicht nur ästhetisches Beiwerk zur Schaffung eines freundlichen und bürgernahen Images der beiden Behörden, sondern sie sorgt auch für deutlich reduzierte Windlasten und Fallwinde: „Das war uns insbesondere aufgrund des direkt angrenzenden Waldgebietes wichtig“, erklärt Seniorarchitekt Gerard Loozekoot. „Die endgültige Form des Gebäudes haben wir dabei anhand von Windkanalversuchen berechnet.“
Flossenartige Brüstungselemente
Ebenso innovativ wie die äußere Hülle präsentiert sich auch das gebäudetechnische Konzept des Neubaus. Um eine natürliche Klimatisierung der unterschiedlichen Räume zu ermöglichen, verfügt das Gebäude über eine effiziente Lüftungsanlage im 11. OG. Eine zusätzliche Verbesserung des Arbeitsklimas sowie eine weitere Verbesserung der Energiebilanz des Gebäudes ermöglichen die flossenartig um bis zu 1,50 m zwischen sämtlichen Geschossen auskragenden Brüstungselemente (Fassadenpaneele von Sorba Projects). Die Alpolic Paneele wurden mit 6 mm dicken, in Weißmetallic beschichteten Aluminiumverbundplatten gefertigt und oben und unten mit Reflektoren ausgestattet.
Alpolic ist eine ebene, spannungsfreie Aluminiumverbundplatte für vorgehängte hinterlüftete Fassaden, hergestellt von Mitsubishi Chemicals in Japan. Die Sandwich Platte besteht aus zwei Schichten Aluminium und einem feuerfesten mineralischen Kernmaterial. Der Herstellungsprozess ermöglicht eine spannungsfreie Oberfläche, wodurch ein sehr hohes Maß an Ebenheit erreicht wird.
„Im Sommer sorgen sie durch eine Reflexion des auftreffenden Lichtes nach oben für eine Reduzierung der Wärmelasten, im Winter unterstützen sie dagegen den Lichteinfall ins Gebäude und ermöglichen so eine optimierte passive Nutzung der Sonnenenergie“, erklärt Gerard Loozekoot das verblüffend einfache Prinzip. „Gleichzeitig schaffen sie eine Sichtbarriere zur angrenzenden Straße, so dass der Neubau trotz seiner großen Glasflächen ausreichend Privatheit bietet.“
Weitere Maßnahmen zur Reduzierung des Energiebedarfs sind die Nutzung von Erdwärme und Betonkernaktivierung, eine nutzungsabhängige Gebäudesteuerung sowie eine über Luftklappen realisierte Überdruckbelüftung im elften Obergeschoss. Durch die Integration der gesamten Anlagentechnik in der Büro-Bodenkonstruktionen konnte außerdem eine von 3,60 m auf 3,30 m verringerte Geschosshöhe realisiert werden, die in der Konsequenz zu einem geringeren Flächenverbrauch führt. „Im Zusammenspiel der unterschiedlichen Maßnahmen konnte schließlich erreicht werden, dass der Neubau zu den energieeffizientesten Gebäuden in den Niederlanden zählt“, so Gerard Loozekoot. Ein speziell niederländischer Beitrag zum Klimaschutz ist außerdem die ökologische Erschließung des Neubaus: Denn den insgesamt 675 Pkw-Stellplätzen stehen hier 1 500 Fahrradstellplätze gegenüber.
Fließende Bürolandschaft
Ein weiterer Schwerpunkt der Planung des Neubaus war die Schaffung eines modernen und freundlichen Innenraumkonzepts mit flexiblen und offenen Büro- und Verkehrsflächen. Und damit im Innenraum auch ja nichts an die muffige Verwaltungsatmosphäre von einst erinnert, haben die Planer des UNStudios in enger Zusammenarbeit mit den Innenarchitekten des Amsterdamer Studio Linse auf frische Farbkontraste mit Orange-, Purpur- und Grüntönen gesetzt. Zusätzlich betont wird das mutige Gestaltungskonzept durch zahlreiche 70er-Jahre-Retro-Details. Die Eingangslobby mit ihrem organisch geschwungenen Empfangsmöbel und den kreisförmigen Deckenelementen oder der Cafébereich mit seinen farbigen Polstermöbeln wirken dabei, als befände man sich mitten in einer Lounge. Ein erstaunlicher Befund, der sämtliche Klischees der Bauaufgabe vollends auf den Kopf stellt. Ein ziemlicher Erfolg, denn Besseres lässt sich von einem Verwaltungsgebäude eigentlich kaum sagen.
Architekten: UNStudio, Amsterdam Planungsteam: Ben van Berkel, Caroline Bos, Gerard Loozekoot Statik und Gebäudetechnik: Arup, Amsterdam Innenarchitekten: Studio Linse, Amsterdam/UNStudio
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