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Tageslicht-Lenkung in Gebäuden

Tageslicht-Lenkung
Paradoxon des Zuviel und Zuwenig

Markus Hoeft

Die gezielte Lenkung von Tageslicht bildet neben den Problemen der Verschattung und des Blendschutzes eine wichtige Disziplin im Rahmen der integrierten Tageslicht-Planung.
Mit Tageslicht-Lenkung kann man zwar die Dunkelheit nicht wirklich abschaffen, aber es lassen sich doch Räume und Bereiche in Gebäuden mit Tageslicht versorgen, für die das bisher nicht zu erreichen war.
Die Möglichkeit, Licht (fast) wie Wasser oder Luft durch Rohre an jeden beliebigen Ort zu leiten, dürfte die Fantasie der Planer und Techniker reichlich inspirieren.

Kunst- und Tageslicht

Licht bewirkt die Sichtbarkeit der Dinge. Für diese Grundfunktion des Lichts ist es zunächst egal, ob die Helligkeit von der Sonne oder von einer künstlichen Beleuchtung erzeugt wird. In Zeiten eines ungebremsten technischen Fortschrittsglaubens hat man daraus die Gleichwertigkeit von Kunst- und Tageslicht für die Beleuchtung von Innenräumen abgeleitet, was so einfach aber nicht stimmt.
Kunstlicht steht heute vielmehr im Verdacht, einer der Auslöser des Sick-Building-Syndroms zu sein. Kritisch werden vor allem seine absolute Gleichmäßigkeit gesehen und die zu geringen Beleuchtungsstärken. Letztere liegen für Arbeitsplätze in Deutschland vorschriftsgemäß in Größenordnungen ab 500 lx, die Sonne erzeugt jedoch selbst an einem bedeckten Wintertag im Freien Beleuchtungsstärken ab 3 000 lx.
Im Sommer kann das natürliche Tageslicht unter idealen Bedingungen bis zu 100 000 lx erreichen. Untersuchungen deuten darauf hin, dass gerade die natürlichen Schwankungen in der Lichtintensität zum menschlichen Wohlbefinden beitragen oder eventuell sogar dessen Voraussetzung sind. Die biologischen Systeme des Menschen erkennen eine Situation übrigens erst ab etwa 2500 lx als „Tag“ an, unterhalb dieser Schwelle herrscht aus Sicht der Körperfunktionen Nacht.

Sonnenschutz und Lichtplanung

Das erhöhte Problembewusstsein gegenüber Kunstlicht hat in den letzten Jahren zu einer Renaissance des Tageslichts in der Architektur geführt.
Großzügige Fensterlösungen oder geschosshoch verglaste Fassaden sind seit den neunziger Jahren vor allem im Büro- und Geschäftshausbau zu einem wesentlichen Gestaltungsmittel geworden, das nicht nur architektonisch-künstlerischen Ideen folgt, sondern auch dem Menschen angenehme Licht- und Raumbedingungen schaffen soll. Allein mit der Anordnung großer Glasflächen an bzw. in der Gebäudehülle lässt sich dieses Ziel jedoch kaum erreichen.
Erforderlich ist vielmehr eine fundierte Tageslicht-Planung, die die Vorteile des Tageslichts möglichst für die gesamte Grundfläche eines Geschosses, also auch die fensterabgewandten Bereiche, nutzbar macht und die Nachteile der direkten Sonneneinstrahlung vermeidet oder zumindest in ihren Auswirkungen mindert.
Denn über die großen Glasflächen gelangt mit dem Licht auch ein mehr oder minder hoher Anteil an Wärmestrahlung in das Gebäudeinnere, was zu unangenehmen Überhitzungen führen kann. Außerdem kann das Sonnenlicht in Fensternähe stark blendend wirken und das Arbeiten – besonders an Bildschirmarbeitsplätzen – erschweren.
Eine gute Lichtplanung muss deshalb zur Vermeidung der Tageslicht-Nachteile die Fragen des Sonnenschutzes und der Verschattung berücksichtigen. Dies sind zweifellos die primären Fragen der Tageslicht-Planung und werden es wohl auch bleiben.

Zuviel und Zuwenig

Während man bei den vorgenannten Tageslichtaspekten vor allem mit einem Zuviel an Licht- und Wärmestrahlung zu kämpfen hat, muss man sich paradoxerweise gleichzeitig mit dem zu geringen Tageslicht-Einfall in der Tiefe der Fläche auseinandersetzen.
Denn schon wenige Meter hinter dem Fenster oder der Fassade können die Beleuchtungsstärken deutlich abnehmen, so dass sich die inneren Flächen des Geschosses eventuell nicht mehr ohne zusätzliches Kunstlicht vernünftig nutzen lassen.
Es entsteht dann ein unglücklicher Unterschied in der Wertigkeit der einzelnen Bereiche: In größeren Büros oder auch Gewerberäumen werden beispielsweise die Arbeitsplätze am Fenster meist beliebter sein als diejenigen in der Tiefe des Raums.
Bei eingeschossigen (Hallen-)Bauten lösen Oberlichter im Flachdach das Problem der gleichmäßigen Beleuchtung mit Tageslicht über den gesamten Grundriss.
Für mehrgeschossige Bauten kann eine gezielte Tageslichtlenkung erwogen werden, bei der das durch die seitlichen Fenster oder das Dach gewonnene Licht über reflektierende Körper/Materialien weitergeleitet wird. Ein häufiger Anwendungsfall der Tageslicht-Lenkung dürfte die Ausleuchtung größerer Räume auch im fensterfernen Bereich sein. Lichtlenkung kann aber auch schon für Räume eingesetzt werden, die gar keinen unmittelbaren Zugang zum Tageslicht haben, weil sie beispielsweise unter dem Erdniveau liegen oder sich im Kern eines Gebäudes befinden.
Eine andere Einsatzmöglichkeit ist die indirekte „Besonnung” von Räumen, die wegen störender Umgebungsbebauung oder der Ausrichtung nach Norden sonst niemals in den Genuss direkter Sonnenstrahlung kommen können.
Neben dem Gewinn für die Architektur- und Lebensqualität können lichtlenkende Systeme auch einen Beitrag zur Energieeinsparung leisten, weil sie den Bedarf an Lichtstrom senken. Sie haben also durchaus ein Potenzial im Sinne des nachhaltigen Bauens. Unter günstigen Bedingungen amortisiert sich der zusätzliche Aufwand für die Tageslicht-Technik zudem über die Stromrechnung.
Da die Tageslicht-Lenkung innerhalb der Tageslicht-Planung noch eine eher junge Disziplin ist, dürfte mit einer ständigen Weiterentwicklung der Einsatzvarianten zu rechnen sein. Bisher lassen sich vor allem zwei grundsätzliche Formen der Lichtlenkung erkennen:
  1. Die diffuse Weiterleitung von Licht über die Decke von Räumen mit Fenstern und
  2. die konzentrierte Weiterleitung über Rohre, Schächte o.ä. in Räume, die keine oder keine ausreichende eigene Tageslichtzufuhr haben.

Tageslicht-Leitung über die Decke

Sonnen- und Blendschutz einerseits und Lichtlenkung andererseits sollten als jeweils eigenständige Fragestellung verstanden werden, auch wenn sie natürlich eng miteinander verknüpft sind. Zum Beispiel bei den Jalousien, die primär als einfache und wirtschaftliche Lösung für die Verschattung dienen, heute aber auch schon bei vielen Herstellern mit lichtlenkender Funktion angeboten werden.
Die einzelnen Horizontallamellen weisen dann eine spezielle Form auf und sind ggf. zusätzlich reflektierend beschichtet. Sie können im herabgelassenen Zustand so gedreht werden, dass die Lichtstrahlung nicht direkt in den Raum fällt, sondern von den Lamellen zur Decke geleitet wird und von dort diffus in den Raum zurückstrahlt. Das Sonnenlicht wird sozusagen an die Decke geschaufelt, was die Beleuchtung in der Raumtiefe verbessert.
Der Grundwiderspruch einer Jalousienlösung kann damit gemindert, wenn auch nicht gelöst werden: Dem erwünschten Blendschutz in Fensternähe bei herabgelassener Jalousie steht in der Regel die unerwünschte Verdunklung in Fensterferne und der weitgehende Verlust der Aussicht aus dem Fenster gegenüber.
Günstiger im Sinne der Transparenz und der Aussicht sind Großlamellen, die vor die Fassade montiert werden und neben ihrer Funktion auch eine prägnante architektonische Aussage ermöglichen. Doch auch hier gilt wie bei den Jalousien: Lamellen sind in erster Linie Sonnenschutzeinrichtungen, die gegebenenfalls zusätzlich lichtlenkende Funktion übernehmen können. Die wirtschaftlichste Lösung sind sicher starre Großlamellen, für die Lichtlenkung bringen jedoch bewegliche und automatisch mit dem Sonnenstand veränderliche Lamellen den deutlich größeren Effekt.
Großlamellen aus (Sonnenschutz-)Glas oder Aluminium bietet beispielsweise Schüco in der Baureihe SunTec an. Die Systeme können in das Steuerungssystem e-Sun integriert werden, womit sich der Anstellwinkel dem jeweiligen Sonnenstand nachführen lässt.
Dank des konstruktiven Aufbaus der Lamellen wird dabei ein maximaler Anteil des Tageslichts über die Raumdecke in den Raum gelenkt.
In der lichtlenkenden Wirkung den Lamellen ähnlich ist die Systemlösung Inglas Y. Sie besteht aus einer speziellen Plexiglasplatte, die als Inlet im Scheibenzwischenraum von Isolierglas liegt. Das Plexiglas bietet mit seiner Transparenz eine weitgehend klare Durchsicht. Feine eingearbeitete Kavernen reflektieren jedoch das Licht der hoch stehenden Sonne an die Decke und leiten es so in die Tiefe des Raums. Bei nordorientierten Fenstern oder sehr enger Nachbarbebauung kann man so einen erhöhten Anteil des Zenitlichts für die Beleuchtung ausnutzen. Für nach Süden zeigende Fenster bietet sich z.B. eine Zweiteilung des Fensters an: Der untere Teil wird mit normalem Isolierglas ausgeführt und bei Bedarf verschattet (beliebig mit Jalousie, Vorhang o.a.). Der obere Teil mit Inglas Y sorgt hingegen unverschattet für eine blendfreie Beleuchtung.

Konzentrierte Weiterleitung von Tageslicht

Der Talis-Lichtkamin kann Licht vom Dach in das Gebäudeinnere leiten, auch wenn die zu beleuchtenden Räume nicht unmittelbar unter dem Dach liegen.
Auf dem Dach (auch geneigtes Dach möglich) wird dafür eine durchsichtige Acrylglaskuppel montiert, an die sich eine Röhre anschließt, die innen mit einer hochreflektierenden Schicht versehen ist. An dieser Schicht wird der Lichtstrom immer wieder reflektiert und dabei nach unten geführt. Das weitgehend gerichtete Licht lässt sich – im Unterschied zu Streulicht – ohne größere Intensitätsverluste transportieren. Erst am unteren Ende des Kamins trifft das Licht auf eine Linse und gelangt dann gestreut in den Raum. Die Lichtintensität nimmt mit der Länge des Kamins ab, der Anbieter empfiehlt 5 m als maximale Länge.
Wie der Name schon andeutet, ist im System “Licht und Luft” die Beleuchtung mit der Belüftung kombiniert. Die Rohre der Lüftungsanlage dienen hier gleichzeitig als Leuchtenband. Das Tageslicht wird konzentriert an der Fassade mittels eines Spiegels eingespeist und über die Rohre zu den gewünschten Bereichen im Inneren geleitet. In das System lassen sich zusätzliche künstliche Lichtquellen integrieren, die bei zu schwachem Außenlicht das Lichtangebot stufenlos verstärken können. Dadurch sind an jedem Punkt definierte Beleuchtungsstärken erzielbar. Wo eine Lichtkonstanz nicht erforderlich ist, kann auf die Kunstlichtergänzung verzichtet werden, so dass auch in fensterlosen Räumen die wechselnde Intensität des natürlichen Tageslichts zu erleben ist.
Lichtlenkende Systeme können vom Planer auch selbst an die Bedingungen seines Projekts angepasst werden, wenn er auf Leuchtfolien des Anbieters 3M zurückgreift. Diese Folien transportieren und verteilen Licht mit hoher Effizienz, die Lichtquelle kann dabei natürliches oder künstliches Licht sein. Die Folien werden entweder in (bauseits zu planenden) Röhren verwendet, die dann als lineare Lichtquelle wirken. Oder sie sorgen bei flächiger Folienanwendung für die gleichmäßige Verteilung des Lichts aus einer punktförmigen Quelle. Für die Einspeisung von Tageslichts bietet sich ein leistungsstarker Heliostat, etwa auf dem Dach des Gebäudes, an.
Diese Heliostaten sind im Freien aufzustellende bewegliche Spiegel, die über ein Steuerungsprogramm stets dem Sonnenstand nachgeführt werden. Sie sammeln das Licht und leiten es konzentriert an den gewünschten Punkt. Das kann der Einspeisepunkt für ein lichtleitendes Röhrensystem sein. Es können aber auch ansonsten unbesonnte Bereiche auf diese Weise mit Tageslicht versorgt werden, etwa Räume auf der Nordseite, schachtartige Bauteile (z.B. Treppenhäuser) oder besonders enge bzw. verwinkelte Ecken und Nischen. Neben dem Dach bieten sich eventuell auch die Freiflächen rund um das Gebäude als Aufstellort für Heliostaten an.

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