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Abkehr vom Einheitsglas

Energetische Funktionen der Verglasung
Abkehr vom Einheitsglas

Verglasungen ermöglichen solare Energiegewinne und damit Energieeinsparungen in Gebäuden. Zu bestimmten Tages- und Jahreszeiten dürfen diese Energiegewinne jedoch nicht zu hoch werden, um unangenehme Überhitzungen zu vermeiden. Je nach Himmelsrichtung, Fenstergröße und Raumnutzung gelten deshalb unterschiedliche Planungsansätze für die Verglasungsqualität.

Markus Hoeft

Fenster, Glasfassaden und andere transparente Bauteile der Gebäudehülle sind gleich in mehrfacher Hinsicht strahlungstechnische und damit energetische Schnittstellen zwischen dem Gebäude und der Außenwelt. Dadurch unterscheidet sich die Auswahl einer energetisch optimierten Verglasung deutlich vom Vorgehen bei möglichst energiesparenden, nicht transparenten (opaken) Abschnitten der Gebäudehülle.
Für opake Bauteile wie Wände und Dächer ist gemäß den Rechenverfahren der Energieeinsparverordnung (EnEV) und der daran anschließenden Normen vor allem die Reduzierung der Transmissionswärmeverluste zu beachten. Die energetische Optimierung zielt deshalb auf Bauteile mit möglichst niedrigen U-Werten bzw. auf Baustoffe mit möglichst niedrigen λ-Werten. Dabei kann es im Einzelfall sicherlich baupraktische Probleme oder auch wirtschaftliche Grenzen geben, aber der theoretische Planungs- und Denkansatz ist im Grundsatz linear und eher einfach: Je kleiner U bzw. λ, desto besser die energetische Situation.
Bei Fenstern und Verglasungen treten die mit dem Wärmedurchgangskoeffizienten (U-Wert) zu beschreibenden winterlichen Wärmeverluste ebenfalls auf. Zusätzlich lassen sich aber auch Wärmegewinne aus der Sonneneinstrahlung erzielen. Diese Gewinne dürfen rechnerisch berücksichtigt werden und reduzieren im Winter den Energiebedarf des Gebäudes. Die gleichen Wärmegewinne können im Sommer jedoch zu unangenehmen Überhitzungen und damit zu einem unbehaglichen Innenraumklima führen. Ist im Gebäude eine Klimaanlage installiert, verschlechtern sie sogar die Energiebilanz, weil die erhöhte Kühllast einen ebenso erhöhten Energieverbrauch zur Folge hat.
Ähnlich komplex ist der Zusammenhang beim Lichtanteil der Sonnenstrahlung. Es gehört zu den Grundfunktionen von Fenstern, Tageslicht in das Gebäude hineinzulassen. Dabei ist einerseits möglichst viel Licht erwünscht, weil dies die Wohn- bzw. Arbeitsbedingungen in den Räumen verbessert und Energie für die künstliche Beleuchtung spart. Andererseits kann es auch ein Zuviel an Licht geben, dessen Folge dann unangenehme Blendung ist.
Fasst man diese Gedanken zusammen, dann sind es vor allem fünf strahlungstechnische bzw. energetische Ziele, die planerisch bei Fenstern zu berücksichtigen sind:
  • Wärmeverluste reduzieren (klassischer winterlicher Wärmeschutz, wie bei opaken Bauteilen auch)
  • Wärmeenergiegewinne aus der Sonnenstrahlung im Winter maximieren
  • Wärmeenergiegewinne aus der Sonnenstrahlung im Sommer begrenzen (Hitzeschutz)
  • Tageslichteinfall unverfälscht und möglichst wenig gemindert ermöglichen
  • Tageslichteinfall zu lichtstarken Tages- und Jahreszeiten begrenzen (Blendschutz).
Die verschiedenen Schutzziele sind nicht nur eng miteinander verflochten, sie widersprechen sich teilweise sogar. Vor allem aber werden sie von verschiedenen strahlungstechnischen Parametern beeinflusst, weshalb bei der Verglasungsauswahl eine einseitige Fixierung allein auf den niedrigsten U-Wert im Unterschied zu opaken Bauteilen nicht sinnvoll ist. Bedeutung für das energieoptimierte Bauen haben in jedem Fall der Energiedurchlassgrad g sowie je nach Situation auch weitere Kenngrößen.
Wärmeschutz der Verglasung
Glas gehört zu den guten Wärmeleitern und damit zu den schlecht wärmedämmenden Baustoffen. Eine einzelne Scheibe von 6 mm Dicke hat einen U-Wert von etwa 5,7 W/(m²K), der sich durch Modifikationen der Glasrezeptur auch nicht wesentlich verändern lässt. Hierin unterscheidet sich Glas von anderen Baustoffen, etwa von Ziegeln aus gebranntem Ton, bei denen die Wärmeleitfähigkeit durch Hohlkammern oder die Porosierung des Materials gesenkt werden kann. Für Verglasungen wurden deshalb andere Wege zu einem verbesserten Wärmeschutz beschritten. Schon die historischen Kastenfenster waren als Doppelfenster energetisch deutlich höherwertiger als Einfachfenster, weil der Luftraum zwischen den beiden separat zu öffnenden Fensterflügeln die Wärmeverluste reduzierte.
Ein nächster Schritt gelang mit Isolierglas, dessen erstes Patent aus dem Jahr 1865 stammen soll, praktische Marktbedeutung erlangte die Technologie jedoch erst in den 1960er Jahren. Die damals noch k-Werte genannten Wärmedurchgangskoeffizienten von Zwei-Scheiben-Isolierglas lagen zunächst in Größenordnungen von 3,0 W/(m²K), womit die Fenster nach heutigen Vorstellungen immer noch „Energielöcher“ waren.
Seitdem hat es weitere erhebliche Verbesserungen gegeben. Erstens durch Beschichtungen, die die Wärmeabstrahlung der Glasoberflächen reduzieren. Zweitens durch das Gas im Scheibenzwischenraum: Edelgase wie Argon und Krypton oder bestimmte Mischgase verbessern die Wärmedämmung eines Isolierglases gegenüber einer Füllung mit Luft. Einfluss hat neben der Art des Gases auch sein Füllgrad. Drittens schließlich ist die Größe und Anzahl der Scheibenzwischenräume (SZR) für die Wärmedämmung von Bedeutung. Bis etwa 16 mm erhöhen große SZR den Wärmeschutz, oberhalb dieses Wertes tritt dann allerdings kaum noch eine nennenswerte Verbesserung ein. Unter Ausnutzung aller wärmetechnischen Optimierungen weisen die Spitzenprodukte von Zwei-Scheiben-Isolierglas heute Wärmedurchgangskoeffizienten Ug 1,0 bis 1,1 W/(m²K) auf.
Eine noch weitergehende energetische Verbesserung lässt sich durch eine dritte Scheibe erreichen. Es sind dann im Mittel Ug-Werte von 0,5 W/(m²K) möglich, einzelne Produkte erreichen nach Herstellerangaben sogar 0,2 W/(m²K). Die dritte Scheibe verändert neben dem Wärmeschutz allerdings auch andere Eigenschaften: Die Verglasungsdicke steigt auf Werte ab 32 mm aufwärts. Ebenso nehmen das Gewicht und natürlich die Kosten zu. Die dickere und schwerere Verglasung kann aufwändigere Rahmen zur Folge haben und damit die architektonische Wirkung verändern. Isolierglasaufbauten mit zwei oder drei Scheiben lassen sich deshalb kaum direkt miteinander vergleichen. Aber die dritte Scheibe zeigt, wohin die Entwicklung bei weiter verschärften Energieanforderungen gehen könnte.
Wärmeschutz des Fensters
Die genannten U-Werte mit dem Index g gelten allein für das Isolierglas. Der Planer benötigt für seine Wärmeschutzberechnung jedoch den Wert für das gesamte Fenster (Uw), der nach DIN EN ISO 10077 errechnet wird. In die Formel gehen die Flächenanteile und die wärmetechnische Qualität sowohl der Verglasung als auch des Rahmens (Uf) ein. Außerdem berücksichtigt der lineare Wärmedurchgangskoeffizient c (Psi-Wert) die Wärmebrückenwirkung am Übergang vom Rahmen zum Glasverbund. Mit der so genannten Warmen Kante (warm edge) haben die Anbieter die Wärmeverluste an diesem Punkt deutlich reduziert, vor allem durch den Austausch der früheren Aluminium-Abstandhalter gegen solche aus Edelstahl oder Kunststoff. Die Warme Kante verbessert nicht nur den Wärmeschutz des Fensters als Ganzes, sie entschärft auch die Tauwasserproblematik am nun nicht mehr kalten Rand des Isolierglases.
Werden auch beim Rahmenmaterial und der Kantenausbildung alle Optimierungen ausgenutzt, können mit Zwei-Scheiben Isolierglas in der Spitze für das ganze Fenster Uw-Werte von etwa 1,1 W/(m²K) erreicht werden. Zum Vergleich: Das in der neuen EnEV 2009 maßgebliche Referenzgebäude wird mit Wärmedurchgangskoeffizienten von 1,3 W/(m²K) für Fenster und Fenstertüren sowie mit 1,4 W/(m²K) für Dachflächenfenster angegeben. Die Werte lassen sich also mit zwei Scheiben erfüllen, viel Spielraum bleibt allerdings nicht mehr. Für Passivhäuser empfiehlt das Passivhausinstituts hingegen Uw-Werte für das gesamte Fenster von 0,8 W/(m²K), was praktisch nur mit drei Scheiben erreicht werden kann.
Wärmegewinne und Lichtdurchlass
Der Wärmedurchgangskoeffizient beschreibt primär den winterlichen Wärmeschutz im Hinblick auf die Energieverluste. Er sagt nichts über die möglichen Wärmegewinne aus der Sonneneinstrahlung. Dafür dient vielmehr der Gesamtenergiedurchlassgrad g.
Er kennzeichnet den prozentualen Anteil der eingestrahlten Sonnenenergie, der durch die Verglasung hindurch in den Raum gelangt. Ein hoher Zahlenwert bedeutet einen großen Energiedurchgang, der einen ebenfalls hohen Gewinn an passiver solarer Wärme zur Folge hat. Im Winter wird weniger Heizenergie verbraucht, was die Energiebilanz des Gebäudes insgesamt verbessert. Je nach Himmelsrichtung und Fenstergröße entstehen dafür aber im Sommer eventuell zu große Wärmegewinne, die sich als unangenehme Überhitzungen bemerkbar machen. Bei großzügigem Glaseinsatz an der Fassade wird man sich unter diesem Aspekt deshalb eher um einen kleinen Energiedurchlassgrad bemühen, wie er für die Sonnenschutzverglasungen typisch ist. Während normale Isoliergläser meist g-Werte zwischen 50 und 60 % haben, können Sonnenschutzgläser bis in Größenordnungen von 20 % hinabreichen.
Gegen sommerliche Überhitzung leisten solche Verglasungen das derzeit technisch machbare Maximum. Jedoch gehört zur eingestrahlten Gesamtenergie auch der Anteil des sichtbaren Tageslichts, das – anders als die Wärme – gerade nicht „ausgesperrt“, sondern in möglichst großer Menge eingelassen werden soll. Für diesen Lichtanteil der durch die Verglasung durchgehenden Strahlung gibt es einen eigenen Kennwert: den Lichttransmissionsgrad TL in Prozent.
Für die Qualität von Sonnenschutzglas ist also nicht der Gesamtenergiedurchlass allein entscheidend, sondern ebenso sein Verhältnis zum Lichttransmissionsgrad. Das Verhältnis TL/g wird Selektivitätskennzahl S genannt. Ein hoher Wert ist günstig, weil er viel Lichtdurchgang bei relativ wenig Wärmeanfall ausdrückt. Die Selektivitätskennzahl S wird bei Sonnenschutzgläsern – und nur dort ist die Angabe sinnvoll – meist schon im Produktnamen ausgedrückt. „Isolierglas 54/27“ bedeutet dann beispielsweise einen Lichttransmissionsgrad TL von 54 % bei einem Gesamtenergiedurchlassgrad g von 27 %. Das Verhältnis (die Selektivitätskennzahl) beträgt in diesem Fall 2,0 und liegt damit im Spitzenbereich für neutrale Verglasungen.
Der Begriff der Neutralität bezieht sich auf die Farbigkeit des Glases. Denn dessen Sonnenschutzeigenschaften entstehen durch Beschichtungen und/oder Einfärbungen, die jedoch die Farbwiedergabe nicht bzw. nur wenig verfälschen sollen. Kennwert hierfür ist der Farbwiedergabeindex Ra, abermals eine Prozentzahl. Im Bereich von etwa 90 bis 99 % wirken Verglasungen neutral, darunter farbig.
Aus der Vielzahl der energetisch relevanten Parameter ergeben sich umfangreiche Sortimente verschiedener Isoliergläser, bei denen die Hersteller meist vier Gruppen unterscheiden: Wärmeschutzgläser und Sonnenschutzgläser sowie für weitergehende Anforderungen Schallschutzgläser und Verglasungen mit Einbruchschutz.
Planungsstrategien für die Verglasung
Im Sinne des energieoptimierten Bauens kann es jedoch nicht darum gehen, aus dieser Vielfalt eine einzige Auswahl zu treffen und diese – sozusagen als „Einheitsverglasung“ – im ganzen Gebäude einzusetzen. Wie im Objektbau schon länger üblich geht es zunehmend auch im Wohnungsbau darum, für jeden Gebäudeabschnitt separat die Verglasungsqualität zu ermitteln, die den größten Gewinn für die Energiebilanz des Gebäudes und das Wohlbefinden der Menschen darin bringt. Sonnenüberflutete Südseiten werden dabei kaum die gleiche Verglasung bekommen wie strahlungsarme Nordseiten. Weitere zu berücksichtigende Parameter sind
  • die Größe der verglasten Flächen
  • die Nutzungsart der jeweiligen Räume
  • das Vorhandensein speicherfähiger Massen im Gebäude,
  • der Einfluss von natürlichen oder anlagentechnischen Verschattungen.
Im Zusammenhang mit Verschattungsanlagen ist auch die Frage des eventuell erforderlichen Blendschutzes zu prüfen. Wenn auf Süd- oder Westseiten Beeinträchtigungen durch Blendung zu erwarten sind, werden im hochwertigen Wohnungsbau oft Jalousien zur Verbesserung der Lichtsituation vorgesehen. In diesem Fall kann der Gesamtenergiedurchlassgrad g höher gewählt werden: Bei großer Hitze im Sommer schirmen die Jalousien den Raum ab, gleichzeitig wird in der kühleren Jahreszeit die Wärme der Sonnenstrahlung in den Raum geleitet. Bei besonders großen Fensterflächen und Schlafzimmern ist der planerische Schwerpunkt eher auf den Schutz vor Überhitzung im Sommer zu legen. Normal große und kleinere Fenster in Wohnräumen oder Küchen bieten ideale Möglichkeiten für solare Wärmegewinne im Winter. Das gilt auch für Wintergärten oder verglaste Loggien, die einen Wärmepuffer vor den eigentlichen Wohnräumen bilden.
Eine solche detaillierte Betrachtung jeder Fassade, jedes Gebäudeabschnitts oder sogar jedes einzelnen Raums erhöht natürlich den Planungsaufwand. Dem stehen jedoch energetische und damit letztlich auch wirtschaftliche Vorteile durch genau an die Anforderungen und Bedingungen angepasste Isoliergläser gegenüber, die neben einem ausgezeichneten Wärmeschutz ein genau dosiertes Maß an solaren Wärmegewinnen ermöglichen.
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