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Wie ein offenes Buch

Neubau einer Stadtbücherei in Augsburg
Wie ein offenes Buch

Stadtreparatur ist eine wichtige Aufgabe von Planern. Vor allem die Zeichen der autogerechten Stadt gilt es in der einen oder anderen Kommune zu beseitigen, um wieder mehr Lebensqualität zu gewinnen und den Menschen ihre Städte zurück zu geben. So geschehen auch in Augsburg, wo der ehemals als Parkfläche genutzte Ernst-Reuter-Platz heute als echter Stadtplatz auftritt. Ein Umstand, der vor allem dem Neubau der Stadtbücherei nach den Plänen von Schrammel Architekten zu verdanken ist.

Dipl. Ing. Marc Nagel

Mit seinem Grundriss folgt der Neubau im Norden der halbrund verlaufenden Straße, die ursprünglich den Ernst-Reuter-Platz in Augsburg umfloss und den selben Namen trägt. So wird an dieser Stelle eine klare Raumkante geschaffen und der Straßenraum geprägt. Zudem entstand eine geometrische Grundform, die einem Viertelkreis entspricht. Im Südosten endet die Kreisbahn und der Baukörper springt stark zurück und macht so Platz für die eigentliche Freifläche des Ernst-Reuter-Platzes, die nun nur noch für Fußgänger frei ist. Um den Freiraum zusätzlich zu definieren, ragt im Südwesten ein Gebäuderiegel aus dem Hauptbau heraus und fasst die Fläche gemeinsam mit einem Bestandsgebäude zu einem Platz zusammen. Damit gelang es mit einfachen Methoden, dem Ort, an dem seit dem Zweiten Weltkrieg zuerst ein Parkhaus und dann ein Parkplatz die Nutzung prägten, eine neue Identität zu geben. Dazu trägt auch der neue Belag bei. So wurde er, für einen öffentlichen Platz nicht gerade üblich, in Orange gestaltet und erhielt mit einer Glas- und Kalksteineinstreuung einen eigenen Charakter. Dass sich der Belag des Platzes zumindest farblich über den Eingang und das Foyers ins Gebäude fortsetzt, unterstreicht den grundlegenden Gedanken des Entwurfs. Denn mit der neuen Stadtbücherei sollte ein offenes Gebäude entstehen.
Einladend
Betrachtet man die Fassade der Stadtbücherei, dann wird ein grundsätzliches Bekenntnis zur Offenheit und zum Dialog zwischen innen und außen klar. Anders als beispielsweise in Stuttgart, wo gerade mit der neuen Bibliothek ein introvertierter Betonbau nach den Plänen des Architekten Eun Young Yi entsteht, will der Neubau von Schrammel Architekten den Nutzer nicht in die Kontemplation, sondern in den Dialog, in die Kommunikation bringen. Der Mensch und nicht die Architektur solle laut Dr. Stefan Schrammel im Vordergrund stehen. Und so erfüllt die Glasfassade des eigentlichen Bibliotheksgebäudes gleich mehrere Zwecke: Es dient der Transparenz, soll besagte Offenheit kommunizieren und sorgt zudem für Tageslicht in den angrenzenden Räumen. Da bei einem Gebäude mit einer kreisförmigen Grundform jedoch tiefe Räume entstehen, war es nötig, das natürliche Licht noch auf andere Weise in das Gebäude zu bringen. Aus diesem Grund wurde ein Lichthof vorgesehen.
Mit der Glasfassade ist dabei nur ein Charaktermerkmal der Außenhaut beschrieben. Der sich aus dem Viertelkreis heraus entwickelnde, im Südwesten liegende Gebäuderiegel, der hauptsächlich für eine Büronutzung vorgesehen ist, stellt sich wesentlich verschlossener dar. Mit einer klassischen Lochfassade bietet er den dahinter befindlichen Arbeitsplätzen genügend Intimität und Ruhe und lässt doch über große Fensteröffnungen ausreichend Licht ins Innere. Gestaltet wurde diese Fassade mit Streckmetallplatten, die über orangenen Farbflächen montiert wurden und so je nach Betrachtungswinkel und Lichtsituation unterschiedliche Wirkungen erzielen. Dadurch wirkt dieser Fassadenabschnitt lebendig und abwechslungsreich, was auch durch die farbigen Fensterlaibungen und weitere Farbdetails unterstrichen wird.
Gut belichtet
Betritt man den Eingangsbereich der neuen Stadtbücherei, dann erkennt man die optische, wenn auch nicht materielle Fortführung des Bodenbelags vom Außenraum. Innen präsentiert sich dieser ebenfalls in einem rötlich-orangenen Farbton, der mit hellen Sprenkeln versehen ist. Der Kautschukboden des Typs norament stammt von nora systems und wurde einem Farbentwurf des Architekturbüros entsprechend umgesetzt. Steht man im Foyer, dann erkennt man auch die Bedeutung des Lichthofes. Denn blickt man nach Westen zum Bürobereich, dann erscheint hier alles dunkler als beim Blick in Richtung Norden oder Osten und damit zur Bibliothek.
Erreicht wird die gute Belichtung nicht alleine durch den Lichthof, sondern durch mehrere Maßnahmen. So kommt über die große Süd- und Ostfassade mit der raumhohen Verglasung sehr viel Licht in den großen Bibliotheksraum im Erdgeschoss, in dem neben dem Foyer auch der sogenannte Marktplatz als frei bespielbare Fläche sowie ein Café und die Kinderbücherei untergebracht sind. Da aufgrund der Raumtiefe und der Einbauten mit Regalen viel Licht verloren geht, greift hier die zweite Maßnahme: Der Lichthof. Er ist so angeordnet, dass er das Tageslicht, das über die Fassade eindringt, zusätzlich unterstützt. Damit dies nicht nur in der direkten, senkrechten Linie von einem Oberlicht zum Boden stattfindet, sondern damit das Tageslicht auch tiefer in die Räume hinein gelangen kann, wurde statt eines klassischen Oberlichts eine andere Lösung gewählt. Die Architekten entwarfen gemeinsam mit den Lichtplanern von Bartenbach LichtLabor drei so genannte Lichttrompeten. Diese fangen das Sonnenlicht ein und leiten es mittels Spiegel in das Innere der Geschosse. Konstruktiv wurden die Trompeten dabei als Stahlskelett ausgeführt, auf das eine Unterkonstruktion als Trägerebene für die Beplankung und die Bestückung mit kleinen dreieckigen Spiegeln aufgebracht wurde. Partner der Architekten war bei der Ausführung der Lichttrompeten das Unternehmen Artluce. Durch die einzelnen Spiegel wird jedoch nicht nur das Licht gesteuert. Sie brechen auch die Lichtstrahlen und sorgen so im Innern der Bücherei für Farbspiele auf Böden und Wänden.
Gut ausgenutzt
Um nicht noch zusätzliche Nutzfläche zu verbrauchen, es müssen immerhin bis zu 180 000 Medien auf 4 950 m2 Nutzfläche untergebracht werden, ordneten die Planer die Erschließung im Bereich des Lichthofes an. Dabei gelang es, einen spannenden und zugleich funktionalen Raum zu erzeugen, der von gegeneinander laufenden, brückenartigen Treppenaufgängen ebenso lebt wie von den in den Lichthof hinein ragenden Trompeten. Dieser Ort bildet auch den, wenn nicht geometrischen, so doch gefühlten Mittelpunkt der Bibliothek. Denn auf allen Ebenen der Bücherei richten sich Regale und Einbauten auf diesen Punkt hin aus und profitieren so von der guten Beleuchtung.
Bei der Organisation wurde das Gebäude zweigeteilt. So nutzt die Stadtbücherei die Ebenen 0, 1 und 2, während das dritte Obergeschoss von sozialen Einrichtungen der Stadt übernommen wurde. Alle Ebenen lassen sich über die Erschließung im Lichthof, über Aufzüge sowie einen separaten Treppenaufgang erreichen, der zudem gemeinsam mit einem weiteren Treppenhaus als Fluchtweg dient. Im Erdgeschoss sind neben den bereits erwähnten Einrichtungen noch sanitäre Einrichtungen, Nebenräume sowie ein Saal im südwestlichen Gebäuderiegel angeordnet. Im ersten Obergeschoss befindet sich die Erwachsenenbücherei sowie Büros der Verwaltung. Das zweite Obergeschoss teilen sich die Jugend- und die Musikbücherei sowie weitere Büroeinheiten. Das dritte Obergeschoss dient neben seiner Funktion als Raum für soziale Einrichtungen auch als eventuell zukünftiger Zugang zum Dach der Bücherei.
Wie bei der Fassade wurden auch die Farben im Innenraum gezielt eingesetzt. Weiß dominiert zwar bei Decken und Wänden, doch einzelne Farbakzente beim Kautschukboden sowie an den Pfosten der Glasfassade unterbrechen dies gekonnt. Daneben betonen farbige Einrichtungen wie bunte Stühle, Theken oder Trennwände das Grundkonzept der neuen Bibliothek.
Energiekonzept
Neben der Funktionalität bei der Nutzung musste die neue Stadtbibliothek auch die Hürde eines energetisch zeitgemäß ausgerichteten Gebäudes nehmen. Die Vorgabe, bei einer maximalen Raumtemperatur von 26 °C nicht mehr als 126 kWh/m2 an Energieverbrauch für Heizung und Kühlung zu benötigen, stellte keine einfache Aufgabe dar. Da es den Planern zudem wichtig war, eine menschgerechte, offene und helle Bibliothek zu realisieren, wurde diese Aufgabe zusätzlich erschwert. Denn viel Glas bedeutet im Sommer viel Wärmeeintrag und damit einen hohen Kühlbedarf – zumal ein Teil der Glasfassade nach Süden ausgerichtet ist.
Gelöst wurde dies mit einer Doppelfassade im Süden sowie Gläsern, die wenig Wärmeeintrag zulassen, und einem ausgeklügelten System aus Kühldecke und Fußbodenheizung. Die Kühldecken Plafotherm stammen dabei von Lindner. Dass mit dem Lichthof und den Lichttrompeten sowie über die transparente Fassade ausreichend Tageslicht in die Bibliothek kommen kann, hilft zusätzlich, Energie zu sparen. Denn wo eine natürliche Beleuchtung ausreicht, muss nicht mit künstlicher nachgeholfen werden. Damit zeigt die neue Stadtbibliothek in Augsburg auch, wie wichtig es ist, wenn bei der Planung die Architekten und Fachingenieure eng zusammen arbeiten. Das für die Lichtplanung zuständige Bartenbach Lichtlabor, die für die Akustik und die Bauphysik verantwortlichen Ingenieure von Kurz und Fischer sowie die Haustechnik-Planer von IB Hausladen schafften es gemeinsam mit Schrammel Architekten, eine durchdachte, einladende und funktionale Bibliothek zu gestalten und zu realisieren. Ein Gebäude, das zudem nicht nur wegen seiner Funktionalität, sondern auch für seinen positiven Einfluss auf die Stadtstruktur erwähnenswert ist.
Dr. Stefan Schrammel, Architekt: „Offenes Buch – offenes Haus, so lautete schon am Anfang des langen Planungsprozesses die Summe aller Ziele. Ein Ort für alle mitten in der Stadt, Offenheit ausgedrückt in einer transparenten Architektur, Aufenthaltsqualität für Mitarbeiter und Besucher – diese Aspekte standen bei uns immer im Vordergrund.“
Architekten: Schrammel Architekten, Dr. Stefan Schrammel, Augsburg
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