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Urbanes Architektenhaus

Neubau von zwei Stadthäusern mit fünf Maisonettewohnungen in Leipzig
Urbanes Architektenhaus

Zeitgemäßes Wohnen im Zentrum: Neue Bauherrenmodelle ermöglichen kostengünstige Realisierung ohne Bauträger. Auch mit hoher Qualität? In Leipzig gelang eine moderne Architektursprache mit individuellen Grundrissen. Das beispielhafte Projekt erhielt beim Architekturpreis Zukunft Wohnen 2007 eine lobende Erwähnung.

Susanne Ehrlinger, M.A., Freie Journalistin, Berlin

Ist Bauen im Zentrum für den Einzelnen heute noch erschwinglich? Oder führt der Trend zurück in die Städte unweigerlich in uninspirierte Investorenbauten? Die neue Vorliebe für die Stadt, der Wunsch nach Nähe zu Arbeit, Kultur und gut ausgebauter Infrastruktur hat Investoren und Bauträger auf den Plan gerufen, die – mit entsprechender Rendite – in den Zentren in großem Stil für eine gehobene Klientel bauen wollen. In der Tat erfüllen seit geraumer Zeit teure Townhouses in den Metropolen den Wunsch nach Wohlgefühl in urbanem Ambiente. Doch die Lückenschließung, die Nachverdichtung, die Konversion gewerblicher Brachflächen und die zeitgemäße Ertüchtigung des Bestandes verlangen ein besonderes Gespür für den Ort und die spezifische Architektur der gewachsenen Strukturen.
Dass gerade hier preiswertes Bauen nicht mit Qualitätsabstrichen in der Gestaltung verbunden sein muss, zeigt der Architekturpreis Zukunft Wohnen auf. Schon früh registrierte der Preis die Stadt als sinnvolles und wieder schätzenswertes Wohnumfeld. Dieser Prozess lässt sich an den zuletzt prämierten Wohnungsbauprojekten gut ablesen. Wurden noch vor fünfzehn bis zwanzig Jahren Siedlungserweiterungen ausgezeichnet, so sind es heute primär stadträumliche Ergänzungen. Dabei ist die intensive Auseinandersetzung mit dem städtischen und sozialen Umfeld der Bauaufgabe eine der Grundvoraussetzungen für gelungene Architektur. Nicht zuletzt sind erschwingliche Bau- und Unterhaltungskosten beste Gewähr für die gute Mischung unter-schiedlichster und dauerhafter Bewohner in einem Viertel.

Neue Bauherren für die Stadt

Die beiden Stadthäuser mit freistehendem Gartenhaus in der Leipziger Südvor-stadt sind auf diese Weise für fünf Familien zum idealen Wohnort geworden. Als Bauherrengemeinschaft und GbR kauften sie das städtische Grundstück und beauftragten das Leipziger Architekturbüro Grunwald & Partner mit den erforderlichen Architektenleistungen.
Die Gebäude stellen den ersten Abschnitt einer Bebauung dar, die eine vorhandene Baulücke zwischen den denkmalgeschützten Altbauten schließen soll.
Die Stadt Leipzig, Grunwald Architekten & Partner und die Bauherren der GbR Shakespearestraße zeigen mit diesem Projekt exemplarisch, wie heute auf ver-änderte demografische Entwicklungen, Lebensstile und Anforderungen an das Wohnen reagiert werden kann. Individualisierung der Lebensentwürfe und steigende Energiekosten führen trotz rückläufiger Bevölkerung zur Nachfrage nach zeitgemäßem Wohnraum in der Stadt, der auch dauerhaft bezahlbar bleiben soll. Anstelle von Wohnungsbaugesellschaften mit sozialem Auftrag sind es heute oft private Interessengemeinschaften unterschiedlicher Couleur, die sich als neue Form der Bauherrenschaft konstituieren. Gerade solche Baugruppen geben dem Wohnungsbau spannende Impulse.

Gemeinsame Grammatik

Auch die Stadthäuser in der Shakespearestraße zeichnen sich durch höchst differenzierten Umgang mit dem stadträumlichen Kontext aus. Im Umfeld von repräsentativen Gründerzeitbauten gibt ein Fluchtlinienplan aus dem Jahr 1905 die geschlossene Bauweise vor. Die historischen Baufluchten wurden von den Architekten beim Stadthausprojekt aufgenommen.
Eigenständig, doch durchdacht bis ins Detail der Farbgebung, fügt sich die moderne Bebauung in das Denkmalensemble ein. So greifen die Farbtöne der Fassaden die Sandsteintöne der benachbarten Häuser auf. Durch die Verwendung gleicher Proportionen, gleicher Materialien und gleicher Farben entwickelten Grunwald Architekten & Partner für Vorder- und Gartenhaus eine gemeinsame architektonische Grammatik, die sich als Akzent in die Straßenflucht einpasst. Auch dieses Beispiel zeigt, dass insgesamt die Sensibilität der Planer und Bauherren gewachsen ist und der Respekt vor bestehenden Strukturen wieder „modern“ wird.

Leipziger Modell

In Leipzig versucht die Stadt, die niedrige Quote des selbst genutzten Wohnraums zu steigern. Mit ihrem Selbstnutzerprogramm will sie die Quartiere stabilisieren und gleichzeitig zur Alterssicherung der Bewohner beitragen. Dadurch verspricht sich die Stadt die Instandsetzung und Modernisierung der gründerzeitlichen Bausubstanz und treibt gleichzeitig die Wiederbebauung von innerstädtischen Brachen und Baulücken voran. Für Leipzig ist die Förderung innerstädtischer Eigentumsbildung ein wichtiges stadtentwicklungs-, sozial- und wirtschaftspolitisches Ziel. Die Abwanderung ins Umland soll gestoppt und die Qualität der Altbauquartiere – auch durch Belebung mit neuer Bausubstanz – gestärkt werden. Für Leipzig, wie für viele ostdeutsche Städte, eignet sich für dieses Modell, da durch den Stadtumbau und die hier gesunkenen Bodenpreise Flächen zur Verfügung stehen.
Ein erklärtes Anliegen der Stadterneuerungspolitik ist, dass Selbstnutzer im Verhältnis zu einem auf Rendite hin orientierten Anlegermarkt gestärkt werden. Mit ihrem Selbstnutzerprogramm verbindet Leipzig allerdings keine finanzielle Förderung, vielmehr bringt sie potenzielle Bauherren zusammen und unterstützt durch vielfältige Beratung und Networking.

Realisierung

Mit der Projektentwicklung für die Shakespearestraße gingen die Architekten zunächst eigeninitiativ in Vorleistung und fanden dann ihre Bauherren innerhalb des Selbstnutzerprogramms. Voraussetzung für die Realisierung war schließlich der Erwerb der 1 000 m² großen Brachfläche aus privater Hand durch die Bauherrengemeinschaft.
Diese konnte günstiger als der Bodenrichtwert erworben werden und anstelle der fünf- bis sechsgeschossigen Blockrandbebauung ließ sich das Grundstück nur mit vier Geschossen und damit weniger intensiv ausführen als ursprünglich im Bebauungsplan vorgesehen. Die lockere Bebauung mit geringerer Dichte bringt dem Quartier im Gegenzug einen größeren Grünflächenanteil und eine interessante Zäsur im Straßenbild. Zudem reichte die Größe des Grundstücks gerade aus, um fünf Parteien mittels Erdbohrungen unabhängig von Energieversorgern mit Erdwärme zu versorgen.
Die Entscheidung für ein „städtisches Architektenhaus“ hat den Bauherren mehrere Vorteile gebracht. Sie erhielten ein Wohnhaus nach Maß mit einer besseren baulichen Qualität kostengünstiger als über einen Bauträger. Der Ausbau wurde sehr spezifisch und unterschiedlich nach Kassenlage der Einzelnen geplant. Eine der Wohnungen ist fast vollständig durch Eigenleistung vom Rohbauzustand zu Ende gebaut worden.
Wesentlicher Vorteil dieser Lösung ist, dass sich funktionierende Nachbarschaf-ten entwickeln können. Denn die potenziellen Nachbarn entscheiden sich zu Be-ginn des Planungsprozesses noch vor der Bauentscheidung füreinander.

Maßgefertigt

Mit einem Zwischenbaukörper schließt das vierstöckige Vorderhaus an das Nachhaus an. Trotz der vorgegebenen Blockrandbebauung wirkt der Wohnbau aufgrund der Doppelseitigkeit wie ein Zwillingspaar eigenständiger Stadthäuser. Sie werden mittig durch ein ab dem ersten Stock offenes Treppenhaus erschlossen. Über Betonfliesen aus dem Außenbereich und eine aus Schallschutzgründen konstruktiv unabhängige Treppe aus Betonfertigteilen führt der Zugang in die Doppelmaisonetten, die durch das ‚Durchwohnen’ auch eine überzeugende Lichtführung haben.
Großzügige Grundrisse und individuell ausgewählte Materialien, die allerdings den Vorgaben der Architekten folgen, erzeugen einen hohen Wohnwert. Filigrandecken, die mit Transportbeton ausgegossen wurden, überspannen von Außenwand zu Außenwand die Etagen, teilweise abgestützt durch eine tragende 20er Betonscheibe aus Halbfertigteilen. Auch die Stützen in der mit Holz strukturierten Fassade sind aus Betonfertigteilen, die eine zügige Bauweise unterstützen. Das abschließende moderne Flachdach aus Stahlbeton zeigt eine Attika ebenfalls aus Betonfertigteilen.
Zur Shakespearestraße hin sind Garagen ins Haus integriert. Das zurückgesetzte Gartenhaus für eine Familie ist doppelstöckig, anstelle des Gartens gehört zu diesem und den oberen Wohnungen jeweils eine Dachterrasse. Ein kleines Gebäude für die Heiz- und Technik-zentrale regelt die Wärmezufuhr für die energieeffizienten Fußbodenheizungen. Insgesamt gelang den Architekten mit der rationalen Gestalt der Wohngebäude ein Rahmen für Individualität im Innenraum, der gleichzeitig als Schnittstelle zwischen städtischem Gefüge und privatem Wohnen fungiert.
Architekturpreis Zukunft Wohnen Seit fast 20 Jahren loben die deutsche Zement- und Betonhersteller den Archi-tekturpreis Zukunft Wohnen aus. Zentrales Anliegen dieses alle zwei Jahre ausgelobten Preises ist es, anhand konkreter Beispiele zu zeigen, dass preiswertes Bauen nicht mit Qualitätsabstrichen bei der Gestaltung verbunden sein muss. Beurteilt werden ästhetische Qualität, Einsatz rationeller Baumethoden und besonders kostengünstige Lösungsansätze in Planung und Bauausführung. Vermehrt sind in den letzten Jahren städtebaulich nachhaltige Objekte ausgezeichnet worden. So sind Bauen in der Lücke, klassische Nachverdichtung, Konversion militärisch genutzter Flächen und Ertüchtigung des Bestandes in den Vordergrund getreten. Außerdem rücken zukunftsweisende Beiträge zum energiesparenden und ökologischen Bauen ins Zentrum des Interesses. Die Auslobung des mit 25 000 Euro dotierten Architekturpreis Zukunft Wohnen 2009 läuft vom Dezember 2008 bis Ende März 2009. Die Preisverleihung wird im Oktober 2009 stattfinden.

Architekten: Grunwald & Partner, Büro für Architektur, Städtebau und Stadtplanung, Leipzig

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