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Lebendige Leichtigkeit

Neubau eines Jugendzentrums in Hamburg
Lebendige Leichtigkeit

Ob Stahlbetonkonstruktionen, Spritzbeton, Betonfertigteile oder Ortbeton- vorsatzschalen: Gekonnt bespielen Kersten + Kopp Architekten BDA aus Berlin beim Haus der Jugend in Hamburg die Klaviatur der Betonbauweise und erhielten dafür beim Architekturpreis Beton eine Anerkennung.

Susanne Ehrlinger, Berlin

Das neue Jugendzentrum in Hamburg-Wilhelmsburg gilt als Auftakt einer Reihe von Bauten der Internationalen Bauausstellung IBA, die ab 2013 den südlichen Hamburger Stadtteil als Neue Mitte Wilhelmsburg an das urbane Zentrum der Hansestadt andocken sollen.
Als sogenannte „Metropolen-IBA“ versucht die Hamburger IBA mit ihrem Sprung nach Süden gegensätzliche Herausforderungen der Stadt zu meistern. Die Hansestadt möchte nachhaltig wachsen, Migranten integrieren und die Vielfalt der Kulturen auch in einem größeren städtischen Radius erhalten. Dabei stellt sich Hamburg der Aufgabe, auf den zentral gelegenen, sturmflutgefährdeten Elbinseln flächensparend weiterzubauen. Hier, wo sich Industrieanlagen breit machen, wo lärmende Schnellstraßen unmittelbar an Wohngegenden grenzen, ist, so verspricht die IBA Broschüre Lesern und Bürgern der Stadt, Platz für eine behutsame, aber gleichermaßen groß angelegte, urbane Erweiterung.
Smart-Material-Houses, Smart-Price-Houses, Hybrid-Houses oder Water Houses allesamt Projekte mit klingenden Bezeichnungen sollen in den nächsten beiden Jahren vor Ort Form annehmen und mit den Themen Freizeit, Sport und Weiterbildung den diffusen inneren Stadtrand einbinden. Als eines der Ankündigungsprojekte bildet das bereits im September 2010 eingeweihte Haus der Jugend – so unkapriziös sein Name auch ist – einen architektonisch bemerkenswerten Schwerpunkt für die Jugendarbeit.
Haus der Jugend
Im uneinheitlichen Stadtgefüge bildet das Haus der Jugend zusammen mit der benachbarten Maximilian-Kolbe-Kirche und dem neuen gemeinsamen Stadtplatz eine Insel.
Der Bau ist, wie es die Jury des Architekturpreises Beton 2011 bei der Begründung seiner Anerkennung formulierte, „im besten Sinne eine heitere, aber auch komplexe Collage unterschiedlicher Nutzungen, Formen, Farben und Architekturen.“
Tatsächlich regen die Berliner Architekten Kersten + Kopp mit ihrem Gebäude zu sportlichen Aktivitäten an, ermöglichen ungezwungene Bewegung und Begegnungen junger Menschen unterschiedlicher Herkunft. Mit „beispielhafter Leichtigkeit und Lebendigkeit“ wird ihr Projekt dieser Bauaufgabe gerecht. Zum Nutzen aller, so die Jury, gelang in der äußerst heterogenen Struktur des Stadtteils die Verzahnung mit einer Umgebung, deren Qualität vermutlich meist unerkannt bleibe. „Den Architekten des Hauses der Jugend ist es gelungen, diese Bezüge aufzunehmen und in der eigenen Architektur zu potenzieren.“
Bespielbare Sportstätte
Seine skulpturale Ausbildung erhält das Haus der Jugend durch die additive Anordnung unterschiedlicher Sportelemente wie der eingehängten Halfpipe, dem Kletterturm mit fassettierter Spritzbetonfassade und dem aus dem Volumen des Baukörpers ausgeschnittenen 6 m hohen Raum für das Außensportfeld. Diese Bestandteile sind Teil des Bauwerks und definieren es, nach Vorstellung der Architekten, gleichsam als Sportgerät. Sie gliederten den dreigeschossigen Baukörper in offene, kommunikative und geborgene Bereiche und schufen eine Vielzahl räumlich differenzierter Situationen. Nach Art einer „promenade architecturale“ ergeben sich im Innern vielfältige Durchblicke; sie erleichtern die Orientierung und Kontakt zwischen den Jugendlichen. Im Eingangsbereich ordneten die Architekten neben dem Café belebte Funktionen wie Räume für Fotolabor, Werken oder etwa Musikstudio an. Als Nahtstelle und Verteiler dient eine kommunikative, dreigeschossige Halle, die im ersten Obergeschoss eine Multifunktionshalle erschließt.
Wie die Nutzer und ihre Aktivitäten ist auch die Gebäudekonstruktion mit unterschiedlichen Tragsystemen und -elementen ausgesprochen vielschichtig. Im Süden besteht der dreigeschossige Gebäudetrakt aus tragenden Betonstützen und Wandschotten. Eine weitgespannte Stahlbeton-Hohldeckenkonstruktion überspannt das Außensportfeld und schließt nach Norden rückseitig an den skulpturalen Betonkletterturm an. Auf einer Seite kragt die Decke über die Stützenreihe aus, um die Skaterbahn aufzunehmen. Sie lagert als Betonrinne elastisch auf der Hohldecke auf. Die Ausbildung der Halfpipe wiederum wurde mit zwei eingehängten Betonfertigteilen geplant.
Beton in allen Varianten
Beton eignet sich gleichermaßen für Konstruktion und Gestaltung. So setzten die Architekten den Baustoff gezielt in unterschiedlicher Ausprägung ein. Vorgefertigte Elemente nutzten sie für die tanzenden Betonfertigteilstützen und die dynamische Halfpipe. Spritzbeton eignete sich für die expressive Ausbildung der in Fassetten modellierten Fläche am Kletterturm. Die raue Struktur wirkt wie aus einem Felsen gebrochen und bietet eine griffige Oberfläche der Giebelwand. Aufgrund der vielfach gebrochenen Struktur erscheint die authentische Betonfarbe an dieser Stelle besonders vielschichtig und variiert im Tagesablauf durch Licht und Schatten. Verschiedene Untersichten und Fassadenflächen wurden als Sichtbetonflächen mit glatter Schalung ausgeführt. Dabei erreichte das ausführende Unternehmen bereits mit Sichtbetonklasse 2 die von den Architekten gewünschte Anmutung. Auch das Thema Farbe spielte eine entscheidende Rolle. Einige Flächen, etwa die in die Sichtbetondecke eingeschnittenen Lichthöfe über dem Sportfeld, wurden mit grün lackierten Metalltafeln bekleidet, im Innenraum setzt sich das Thema farbiger „Futterale“ fort.
Auch Beton zeigt Farbe. Bei der Planung haben Architekten die Wahl zwischen Farbbeton, lasierten Betonoberflächen oder Betonen, die durch verschiedenartige Zemente oder farbige Gesteinskörnungen in ihrer Anmutung variieren. In Hamburg wurde einheitlich mit grauem Transportbeton gebaut. Jedoch gaben Kersten + Kopp der Ortbetonvorsatzschale im Bereich der Skaterrampe mit einem vierfachen Farbauftrag eine intensive, samtene Optik. Anders als bei einem Anstrich bleibt mit der roten Lasur die Betonstruktur sichtbar. Insgesamt überzeugend prägen funktionale Anforderungen, aber auch viel Sensibilität die Entscheidungen für puren Beton, für metallische Härte oder für lackierte MDF-Flächen. So wertete die Jury des Architekturpreises Beton 2011: „In der Tat sind es auch hier wieder Elemente der Bewegung, denen es gelingt, bei aller Vielfalt Zusammenhänge herzustellen. Schön, (…)wenn sich der Nutzer nicht nur im Inneren verankert fühlt, sondern auch als Teil eines sozialen Kontextes, in der Stadt und mit seinen Bewohnern. Genau dafür bietet das Haus der Jugend die richtige Architektur.“
Mit dieser positiven Einschätzung sprach sie dem Haus der Jugend eine Anerkennung zu.
Architekturpreis Beton 2011: Zum 18. Mal wurde der mit 25 000 EUR dotierte Architekturpreis Beton in Kooperation mit dem Bund Deutscher Architekten (BDA) vergeben.
Architekten: Kersten + Kopp Architekten BDA, Berlin
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