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Vom balaustium zum lander

Geländer
Vom balaustium zum lander

Markus Hoeft

Das Balkongeländer, wie wir es heute kennen, ist ein Kind der Moderne. Zwar ließ schon Shakespeare die berühmten Szenen in Romeo und Julia auf einem Balkon spielen, doch die Schöne dürfte sich dabei nicht auf ein Geländer, sondern auf eine Balustrade gelehnt haben.
Zwischen massiven Pfeilern standen dabei säulenartige, reich geschmückte und oft gedrehte Baluster, die auch als Docken bezeichnet wurden und die unsere Vorfahren an die Blüten des Granatapfels erinnert haben: Baluster soll sprachlich von balaustium, lateinisch für Granatapfel, abgeleitet sein.
Balustraden für Balkone, hochgelegene Terrassen oder Attiken wurden aus Stein gebaut, weil in der Antike und im Mittelalter nur dieses Material eine dauerhafte Standfestigkeit und Sicherheit unter freier Bewitterung bot.
Den Begriff des absturzsichernden Bauteils haben die damaligen Baumeister zwar noch nicht gekannt, dessen Sinn aber sehr wohl erfasst.
Mit dem Ausgang des Mittelalters gewannen repräsentative Treppenhäuser in der Architektur an Bedeutung, die zunächst jedoch noch mit voluminösen Balustraden als seitlicher Führung ausgeführt wurden. Sofern es sich bei den Treppen um Innenbauteile handelte, ging man in der Folgezeit vom witterungsbeständigen, aber eben auch sehr schweren Stein zu zierlicheren und leichteren Konstruktionen aus Holz oder Metall über. Die aufwändigen Baluster magerten dabei zur mehr oder minder einfachen Stange aus. Die Sprache ging diese Entwicklung mit und leitete etwa im 14. Jahrhundert aus dem mittelhochdeutschen Wort „lander“ für Stangenzaun das Geländer ab.
Balkongeländer als Außenbauteile konnten wegen der Korrosionsanfälligkeit von Holz und Eisen zunächst nicht im gleichen Maße wie Treppengeländer aufkommen. Erst die Entdeckungen des Verzinkens von Stahl (nach 1837), des Aluminiums (1886) und des rostfreien Edelstahls (ab 1912) öffneten den Weg für dauerhafte Metallkonstruktionen unter freiem Witterungseinfluss. Damit wurden sichere Brüstungen von relativ geringem Gewicht möglich, deren Einsatz auch an der statisch ungünstigen, weil weit außen liegenden Position der Balkonkante vertretbar war. Etwas überspitzt ließe sich also formulieren, dass der frei auskragende Balkon seine heutige Bedeutung und massenhafte Anwendung überhaupt erst durch die Entwicklung der leichten Balkongeländer erreichen konnte.
Luxus wird Gemeingut
Mit der Gründerzeit wurde der auskragende Balkon mit Metallgeländer zu einem gängigen Ausstattungsmerkmal, zumindest im höherwertigen und repräsentativen Wohnungsbau.
In dieser Phase kamen auch die technisch einfacher zu realisierenden Loggien vermehrt auf, die dann im bauhausorientierten Wohnungsbau der zwanziger und dreißiger Jahre einen weiteren Aufschwung erfuhren.
Wobei die Loggia architektonisch noch lange als Bereich innerhalb des Gebäudes interpretiert wurde und deshalb statt eines Geländers eine geschlossene, zumeist gemauerte Brüstung erhielt, die sich mit ihrem Putz optisch als homogener Bestandteil der übrigen Fassade präsentiert.
Die Wiederaufbauphase nach dem Zweiten Weltkrieg demokratisierte Balkone und Loggien endgültig. Sie sind seitdem nicht mehr Merkmal allein des gehobenen Wohnungsbaus und werden heute von vielen Wohnungssuchenden als beinahe selbstverständliches Ausstattungsmerkmal betrachtet.
Auch die architektonische Zuordnung Balkon = Geländer und Loggia = geschlossene Umwehrung verlor an Bedeutung.
Neues Gestaltungselement
Im Zeitalter der ungebremsten Betonbegeisterung erhielten auskragende Balkone massive Brüstungen, ebenso wie Loggien mit Geländern ausgeführt wurden.
Die Planer erhielten damit zusätzlich zur Wandbekleidung und dem Fensterraster ein neues Gestaltungselement für die Gebäudeansichten, das sich sehr vielfältig und frei interpretieren lässt.
Geländer oder Umwehrungen können in Material, Form und Farbe dezent in die Fassade eingefügt oder sehr variabel als Kontrapunkte verwendet werden. Gerade bei den übergroßen Fronten des mehr- und vielgeschossigen Wohnungsbaus ab den sechziger Jahren sind die Geländer der Balkone und Loggien ein wichtiges Mittel – und zuweilen die einzige Möglichkeit –, um die Monotonie der Außenansichten zu durchbrechen.
Gestalterisch gibt es bei den Geländern beinahe keine Grenzen, was aber nicht darüber hinwegtäuschen darf, dass es technische, vor allem sicherheitstechnische Rahmenbedingungen gibt, die einzuhalten sind. Immerhin handelt es sich um Bauteile, die gegen Absturz sichern und damit Menschen das Leben bzw. die Gesundheit bewahren sollen.
Kletterhilfen vermeiden
Den maßgeblichen Rahmen für die Geometrie von Balkongeländern setzen die Landesbauordnungen, deren Inhalte hier nur summarisch und in der Tendenz dargestellt werden können. Für ein konkretes Bauvorhaben müssen die genauen Forderungen in der jeweils zutreffenden LBO überprüft werden.
Geländer und Umwehrungen sind ab Höhenunterschieden von 1 m erforderlich. Bis 12 m Sturzhöhe werden 90 cm Geländerhöhe verlangt, darüber 1,10 m. Wenn sich das Geländer vor der Bodenplatte befindet, darf der Abstand zwischen Plattenrand und Geländer nicht mehr 6 cm, teilweise auch nur 4 cm betragen.
Besonderer Wert wird in den LBO darauf gelegt, Kindern mit der Ausbildung des Geländers keine Kletterhilfe zu geben. Horizontale Stäbe, Bretter oder Vorsprünge sind deshalb nur mit höchstens 2 cm Zwischenraum statthaft. Öffnungen im Geländer und die Abstände zwischen verschiedenen Teilen des Geländers sollen mindestens in einer Richtung 12 cm nicht übersteigen. Dies gilt z.B. für den Abstand der vertikalen Stäbe untereinander, aber auch für die Entfernung des Handlaufs von den darunter liegenden geschlossenen Teilen einer massiven Umwehrung oder eines Geländers.
Bei Geländern, die nur aus Holmen und Stäben bestehen, sind der Gestaltung also durchaus einige geometrische Grenzen gesetzt. Häufiger als reine Stabkonstruktionen dürften aber heute Holmen mit davor- oder dazwischen gesetzten Füllelementen aus Holz, Kunststoff oder Metall sein.
Der Höchstabstand von 12 cm spielt dann meist keine Rolle, jedoch ist auch hier darauf zu achten, dass auf der Innenseite keine Kletterhilfen entstehen (z.B. durch aussteifende Stäbe oder Befestigungselemente).
Geländer lassen sich statisch berechnen und benötigen deshalb – wenn sie aus genormten Materialien gebaut werden – keine bauaufsichtliche Zulassung. Sie müssen aber der ETB-Richtlinie „Bauteile, die gegen Absturz sichern“ entsprechen (aktuelle Fassung vom Juni 1985).
Die Richtlinie beschreibt vor allem die Bemessung der absturzsichernden Bauteile hinsichtlich der statischen und der stoßartigen Belastungen. Sie gilt für alle Konstruktionsarten und Materialien, jedoch nicht für Verglasungen. Hierfür sind die Technischen Regeln für die Verwendung von absturzsichernden Verglasungen (TRAV) heranzuziehen (aktuelle Fassung vom Januar 2003).
Variable Systemlösungen
Unter Berücksichtigung der genannten Regelwerke kann jeder Planer selbst Geländer für Balkone oder Loggien entwerfen und von einem qualifizierten Metallbaubetrieb – ggf. auch einem Holzbaubetrieb – anfertigen lassen. Für Einzelbalkone oder Kleinstserien ist dies ein interessanter Weg, weil individuelle und unverwechselbare Lösungen entstehen.
Bei großen Gebäuden mit einer Vielzahl von Balkonen dürfte es aber meist sinnvoller sein, auf bereits fertig entwickelte Geländersysteme zurückzugreifen. Der Planer erhält damit fachgerechte und bewährte Lösungen für alle sicherheitsrelevanten Details.
Die Konstruktionen und ihre Verbindungen sind hinsichtlich ihrer Montagefreundlichkeit optimiert, sie lassen sich auf der Baustelle schnell und einfach zusammensetzen – in der Regel ohne Schweißarbeiten.
Bei der Gestaltung bleibt der Planer trotzdem frei, weil zu den meisten Systemangeboten mehrere Varianten von runden oder rechteckigen Holmen/Stäben in unterschiedlichsten Farbgebungen gehören. Individuell gestaltbar sind außerdem die Füllelemente, für die sich meist alle handelsüblichen Produkte einsetzen lassen.
Innerhalb der Systeme kann zwischen den vier grundsätzlich möglichen Befestigungsarten der Geländer gewählt werden: auf der Bodenplatte, an der Stirnseite oder unter der Bodenplatte sowie bei Loggien auch in den Seitenwänden.
Die Befestigung der Tragstäbe auf der Bodenplatte ist der sensibelste Fall, weil sich Wasser an den Befestigungspunkten sammeln und im Winter dann für Frostsprengungen sorgen kann. Außerdem behindern die Tragstäbe die Ausdehnungsmöglichkeiten der Belag- und Abdichtungsschichten.
Sehr ästhetisch, weil unauffällig ist die Befestigung an der Stirnseite der Bodenplatte, sofern dort nicht eine vorgehängte Entwässerungsrinne zu viel Platz beansprucht. Problematisch können bei geringen Plattenstärken auch nicht ausreichende Randabstände der Anker sein. Es sind in jedem Fall spreizdruckfreie Anker vorzuziehen.
Befestigungen auf der Unterseite der Bodenplatte liegen witterungsgeschützt und bereiten keine Sorgen hinsichtlich des Randabstands. Die Holmenkonstruktion wird dadurch allerdings optisch etwas auffälliger und der Hebelarm der Holmen etwas größer.
Systemangebote für Balkon- und Loggiengeländer gibt es von nachstehenden Anbietern.
Weitere Informationen
Systea bba 537
alupor bba 538
Stabirahl bba 539
Werzalit bba 540
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