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Wärmespeichernd und feuchtepuffernd

Neubau eines Weinguts in Fellbach
Wärmespeichernd und feuchtepuffernd

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Ein „Besen“ kann im Schwäbischen eine Scheune oder auch ein umfunktioniertes Wohnzimmer sein, wo Winzer-Erzeugnisse vermarktet werden. Ein neues Weingut in Fellbach professio-nalisiert diese Tradition und zeigt zugleich mit seiner Architektur, dass auch im Gewerbebau zunehmend nachhaltig gebaut wird – nämlich mit innovativen massiven Holzwänden.

Dipl. Ing. Nikolai Ziegler

Mit einer klassischen Besenwirtschaft hat das moderne Weingut Johannes B. – zumindest architektonisch – kaum mehr etwas gemein. Vielmehr stellt der Neubau gewissermaßen die Weiterentwicklung der ursprünglichen Idee dar. Direkt in den Weinberg eingebettet, präsentiert sich das streng gegliederte und mit einem Flachdach beschlossene Weingut als Werk des 21. Jahrhunderts. Die Nutzung hingegen folgt ganz der Tradition. Zentraler Bestandteil des bis zu dreigeschossigen Gebäudes bildet ein Gastbetrieb, in dem die Winzer ihren selbsterzeugten Wein direkt vermarkten
Vernetzte Architektur
Über die zur Straße orientierte Nordfassade erreichen die Besucher den Eingangsbereich, der von einer 13 m auskragenden Dachscheibe akzentuiert wird. Der Empfangsbereich präsentiert sich als großzügiger Erschließungsflur. Links zum Eingang befindet sich der Weinverkauf, rechts vorbei am Empfangstresen geht es in die Besenwirtschaft mit großer Terrasse. Mittig gelangt der Besucher über Rampen in zwei Split-Level-Geschosse: Ein Halbgeschoss nach unten versetzt, befindet sich der Weinkeller mit Fasslager sowie Technik- und Sanitärräume. Zum darüber liegenden Split-Level-Geschoss gehören der Luftraum über dem Weinverkauf sowie eine auf der Längsseite des Gebäudes offene Loggia, in der man über ein liegendes „Glasauge“ hinunter ins Fasslager blicken kann. Von diesem oberen Geschoss führt eine Wendeltreppe ins dritte Obergeschoss, das neben einer Galerie den Aussichtsbalkon anbindet.
Die lineare Großgeste des Baukörpers, der in Form eines Steges in die Weinberge zu führen scheint, variiert im Grundriss. Fast schon selbstverständlich fließen die unterschiedlichen Bereiche ineinander über, woraus eine äußert spannende und intelligente Wegeführung resultiert. Auch der den Besuchern unzugängliche und dem Baukörper südlich angegliederte Nutztrakt mit Wohn- und Aufenthaltsräumen für das Personal fügt sich unauffällig und doch sehr funktional in das Ensemble. Konzeption und Planung dieser Raumaufteilung gehen auf die ortsansässigen Architekten Dengler Katzenwald Zischler zurück.
Feine Auswahl an Materialien
Eine architektonische Gliederung des Baukörpers findet sich auch in der Materialität. Neben dem Untergeschoss zeichnet sich der quer in das Gebäude einschneidende Quader in konventioneller Betonbauweise, zum Teil durch Natursteinverkleidung ergänzt, ab. Ganz im Gegensatz dazu überrascht der Großteil des Gebäudes in Holzkonstruktion. Bei genauerer Betrachtung wird ersichtlich, dass das komplette Ensemble bis auf jenen betonierten Kern mit Hilfe des Massiv-Holz-Mauer-System (MHM) ausgeführt wurde.
Dass der Baustoff Holz selbst im Gewerbebau zunehmend Verwendung findet, steht im Kontext zu den damit einhergehenden Vorzügen.
Hinter dem Namen „Massiv-Holz-Mauer“ verbirgt sich ein innovatives Bausystem der MHM-Entwicklungs GmbH, welchem Holz als nachwachsendes, regionales und gesundes Baumaterial zugrunde liegt. Auf speziellen Maschinen werden Nadelholzbretter in mehreren Lagen kreuzweise vernagelt und somit ohne Leim, Chemie und Folien zu steifen Konstruktionselementen.
Dieser Produktionsprozess minimiert nicht nur Setzungen und Verzug, sondern führt auch zu Wandbauelementen, die statisch als Scheibe zu behandeln sind.
Der Anteil an Aluminium-Rillestiften im fertigen MHM-Element liegt bei etwa 0,04%. Durch die getrockneten, mit einer Rillenfräsung versehen Bretter ermöglichen diese Bauteile ohne aufwendige Schichtkonstruktionen ein angenehmes Raumklima.
Aufgrund des gewählten Werkstoffes geht bei dem Projekt Weingut Johannes B. nicht nur der Rohbau, sondern auch die Werkplanung und Koordination des Massivbaus auf die Holzbau Binz GmbH aus Ellwangen-Pfahlheim zurück.
Wie noch andere MHM-Hersteller bezieht auch Holzbau Binz seinen Bedarf an Nadelholz-Rohbrettern für die Bauteilproduktion größtenteils aus dem eigenen Sägewerk, wo die Bretter geschnitten und getrocknet werden, so dass ein regionales Produkt resultiert. Für das Fellbacher Weingut wurden außer dem Kern sämtliche tragenden und nichttragenden Wandscheiben in MHM ausgeführt.
Flexible Fassadengestaltung
An den statisch beanspruchten Außenwänden kamen 25 cm starke Massiv-Holz-Mauer-Elemente zum Einsatz. Um den hohen Dämmwert der eigentlichen Konstruktion nochmals zu steigern, wurden an der Außenseite zusätzlich 10 cm starke Holzfaserdämmplatten eingesetzt. Direkt auf der Dämmung befindet sich eine schwarze Fassadenbahn. Die Hinterlüftung der Fassade ermöglicht eine 4 cm starke Lattung, auf der eine Rhombus-Schalung in 28 mm Stärke und 120 mm Deckbreite aufgebracht ist. Im Innenraum wurden die Bauteile an einigen Stellen in Sichtqualität ausgeführt, in den Kleinräumen mit Gipskarton beplankt sowie im Restaurant und Ausschankbereich durch Schallabsorberplatten ergänzt. Neben dem hier vorgestellten Wandaufbau kann auf die enorme Vielseitigkeit und die Kombination von MHM mit unzähligen Dämm- und Fassadensystemen nur hingewiesen werden.
Sicherheit im Brandfall
Weniger vorteilhaft – könnte man meinen – gestaltet sich der Holzwerkstoff beim Thema Brandschutz. Als Schank- und Speiselokal gehört die Besenwirtschaft in die Gebäudeklasse 3. Tragende Wände, Stützen und Pfeiler mussten daher in REI 30 ausgeführt werden. Jedoch verwundert das MHM-System auch hier: REI 30 wird bereits mit einem aus fünf Lagen bestehenden, 115 mm starken und beidseitig mit Gipskartonplatten beplankten Wandbauteil MHM erreicht. Ab sieben Lagen und einer Gesamtstärke von 160 mm wird mit beidseitig 15 mm GKF sogar REI 90 erreicht. Da aus statischen und bauphysikalischen Gründen ohnehin meist stärkere Wandelemente zum Einsatz kommen, sind die Brandschutzanforderungen somit bereits eingehalten. In Fellbach lagen die Stärken zwischen 160 mm (Innenwand) und 240 mm (Außenwand).
Neben den baukonstruktiven Eigenschaften sind es jedoch in der späteren Nutzung jene Materialvorzüge, die beim Raumklima angenehm auffallen. Dipl. Ing. Jochen Pregitzer, der bei Holzbau Binz für die Planung des Weinguts verantwortlich war, erklärt dahingehend: „Dies liegt einerseits am Wärmespeichervermögen der Wandelemente und seinen positiven Auswirkungen auf den sommerlichen Wärmeschutz.“ Dabei unterstützt die in den Sommermonaten geringfügig höhere Holzfeuchte die Wärmespeicherung. Die Rücktrocknung der Massivholzmauer in den Wintermonaten reduziert wiederum die Wärmeleitfähigkeit und verstärkt so die Dämmwirkung. So passt sich die Massiv-Holz-Mauer flexibel an die Anforderungen des sommerlichen und winterlichen Wärmeschutzes an.
Andererseits kommt man im MHM-System ohne Dampfbremse aus. Der luftdichte Anschluss zwischen den Elementen wird durch einen speziellen, Holzmörtel hergestellt, als winddichte Ebene fungiert bei Bedarf eine Fassadenbahn vor der Holzkonstruktion. So lassen sich die Vorteile eines diffusionsoffenen Wandaufbaus mit einem sd-Wert zwischen 13 und 16 m und dem sehr hohem Feuchtepufferungsvermögen eines Massivholzbauteils kombinieren.
Massiv-Holz-Mauer
Architektur:
Dengler Katzenwald Zischler Architekten, Fellbach
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