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Dachaufstockung eines Wohngebäudes in Rosenheim
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Wenn es vor Ort schnell gehen soll, entscheidet man sich gerne für vorgefertigte Elemente in Holzrahmenbauweise. Der Haken daran: Solche Halbfertigteile dürfen nicht mehr durchbohrt bzw. durchschraubt werden. Bei einem Rosenheimer Projekt lösten dieses Problem vormontierte Spezialverbinder, die auf der Baustelle nur mehr eingehakt werden müssen.

Christine Ryll | be

Es war das Highlight der 60er-Jahre, modern, innovativ, noch nie da gewesen: das Grabendach. Statt nach außen entwässerten die schrägen Dachflächen nach innen. Der Tiefpunkt lag in der Mitte des Hauses. In diesem Fall im Zentrum einer Wohnanlage an der Salinstraße in Rosenheim. Die Probleme wurden allerdings schnell offensichtlich: Immer wieder überfluteten starke Regenfälle die Fallrohre und durchfeuchteten die angrenzenden Mauern. Das Dach selbst zeigte bald ebenfalls erste Schäden.
Weil der Besitzer die für die Sanierung notwendigen rund 150 000 Euro nicht aufbringen konnte, schlug der zur Begutachtung herbeigerufene Architekt Anselm Kanno ihm vor, einfach aufzustocken und sich so das Geld für die Sanierung zu sparen. Die dafür notwendige Fläche wollte Kanno dem Hausherrn abkaufen und selbst vermarkten.
Das war vor rund zehn Jahren. Der Vorschlag wurde abgelehnt. Stattdessen wechselte das Gebäude den Besitzer. Der nächste Eigentümer stieß auf die Vorentwürfe des Architekten und beauftragte die Planungsleistung. Verkaufen wollte er ebenfalls nicht. Kanno plante erneut. Doch auch dieser Auftraggeber behielt die Wohnanlage nicht. Die Baugenehmigung lief ab, und der Architekt sah sich das Honorar schon abschreiben. Da leitete der heutige Eigentümer des Anwesens endlich eine Wende im Grabendachdrama ein. Er stimmte der Aufstockung zu. Als Bauherr konnte die Braintec GmbH gewonnen werden. Sie erwarb die Dachfläche und setzte das Projekt letztlich auch um.
Insgesamt sechs Wohnungen mit 70 bis 105 m² Fläche sind in dem aufgestockten obersten Geschoss der Wohnanlage nun entstanden. Es sind weitläufige Drei-Zimmer-Wohnungen geworden mit loftartigen Grundrissen, offenen Küchen und großzügigen Balkonen. Ein an das Gebäude angeschlossener Aufzug erschließt die neuen Einheiten auf komfortable Weise. Parallel dazu erreichen die Bewohner ihr Zuhause über die vorhandenen, ebenfalls aufgestockten Treppenhäuser und haben zusätzlich noch die Möglichkeit, per Laubengang zwischen den einzelnen Wohnungen der obersten Etage zu verkehren.
Lager auf Rippen der Kaiserdecke
Die Basis des neuen Stockwerks bilden sogenannte Kaiserdecken, respektive Betonrippen mit einer 8 cm dicken, einlagigen Betondeckschicht, wie sie in den 60er-Jahren gerne verbaut wurden. Solche Decken können nicht durchgehend belastet werden. Entsprechend mussten die Hauptlasten des aufgestockten Geschosses über die Außenwände und die Rippen abgetragen werden. Dies erforderte eine extrem leichte Konstruktion, die punktuell bzw. streifenförmig auf dem darunter liegenden Geschoss aufgelagert werden konnte. Eigentlich ein klassischer Fall für eine Holzrahmenkonstruktion, gedämmt, einseitig beplankt, vor Ort aufgestellt.
„Ich hatte dann aber die Idee, die Wände komplett vorfertigen zu lassen, um die Bauzeit vor Ort zu begrenzen“, sagt Kanno.
Ein derartiges System hat der Planer schon vor Jahren zur Serienreife gebracht. Mit dem sogenannten Klick-Klack-Haus vermarktet er es seither an Interessenten, die ein Gartenhaus, ein Wochenendhaus oder ein etwas größeres Anwesen als Bausatz wünschen, den sie vor Ort nur noch Wand für Wand zusammenstecken müssen.
Sommerlicher Wärmeschutz dank zweiter Hinterlüftungsebene
Das Anwesen in der Salinstraße ließ der Architekt, der sowohl Büros in Hamburg als auch in Rosenheim unterhält, von einem Zimmerer in Römstedt/Bad Bevensen realisieren. Holzbau Schröder hat schon öfters für Kanno gearbeitet. Firmenchef Alfons Schröder ist daher die von dem Architekten für das Projekt bevorzugte Bauweise vertraut: eine mit Gipsfaserplatten beplankte Innenschale, dahinter eine 6 cm dicke Installationsebene, die mit Mineralwolle ausgefacht ist, eine zweite Lage Gipsfaserplatten und eine Klimamembran für den Dampfausgleich. Als Tragkonstruktion dieses Holzrahmenbausystems folgt 16 cm dickes Holzständerwerk, das einseitig mit zementgebundenen Leichtbau-Bauplatten beplankt ist. Die Außenhaut bildet schließlich eine Lage feuerfester Schichtstofffassadenplatten, die auf einer weiteren Hinterlüftungsebene montiert wird.
„Diese zweite Hinterlüftungsebene hat sich in punkto sommerlichen Wärmeschutzes als optimale Lösung erwiesen“, äußert der Planer, der bei seinen Projekten je nach Anforderung mit verschiedenen Bauweisen arbeitet. „Im Sommer erhitzt sich damit lediglich die Außenhaut.“ Die Wärme, die dahinter entstehe, werde mit der Luftschicht nach oben abgeführt. Auf diese Weise bleibe die Phasenverschiebung draußen, und es gebe keinen Übergang zwischen der besonnten und der hinterlüfteten Wandebene, erklärt Kanno:
„Meine Erfahrung hat gezeigt, dass die Räume hinter solchen Wandkonstruktionen auch an heißen Tagen angenehm kühl bleiben.“
Kurzer Koppelvorgang
Sämtliche Wände wurden im Betrieb von Holzbau Schröder komplett vorgefertigt und inklusive der bereits eingebauten Fenster per Lastwagen von Norddeutschland bis nach Rosenheim gefahren. Lediglich die Innenschale, besser gesagt die Installationsebene, musste noch vor Ort komplettiert werden. Auf der Baustelle hievte ein Kran die 9 m langen und bis zu 3,20 m hohen Elemente Stück für Stück nach oben, wo die Zimmerer sie mit Hilfe des Knapp-Verbinders Walco V nur noch im Einhänge-Verfahren miteinander koppelten. Walco V ist ein selbstspannender Wandverbinder aus feuerverzinktem Stahl für den Holzrahmenbau. Die einzelnen Verbinderteile hatten die Handwerker zuvor im Werk in die jeweiligen Wandanschlüsse geschraubt, so dass sich der eigentliche Koppelvorgang auf das Einhängen und damit auf wenige Minuten Montagezeit reduzieren ließ.
„Die Wände konnten so binnen kürzester Zeit miteinander verbunden werden und der Bau war in knapp sechs Wochen regendicht“, zieht Kanno Bilanz.
Die Glasflächen, Schallschutzfenster mit Zweifachverglasung, wurden bereits in der Werkstatt in die Wände integriert. Die Fassade beinhaltet darüber hinaus Rollläden, die kleinere Fenster bei Bedarf verdunkeln. „Wir haben in Rosenheim die sogenannten Erler Winde im Inntal, sprich eine erhöhte Windlast. Das müssen wir bei unseren Fassadenkonstruktionen bedenken“, lässt der Planer wissen.
Innenwand- und Dachkonstruktion
Die tragenden Innenwände der Aufstockung hat Kanno ebenfalls in Holzrahmenbauweise aus beidseitig einlagig mit Gipsfaserplatten beplankten, 11,5 cm dicken Holzständern konzipiert. Die Ständer der nicht tragenden Innenwände sind 10 cm dick und mit Gipsfaserplatten doppelt beplankt. Die Wohnungstrennwände sind zweischalig konzipiert. Ein 1,5 cm dicker Zwischenraum sorgt für erhöhten Schallschutz.
Für die Treppenhäuser bzw. Treppenhausaufstockungen wählte der Architekt alternativ drei Lagen Gipsfaserplatten oder Feuerschutzplatten als Beplankung, um so die Brandschutzklasse F 90 B zu erzielen. Auch die Dachkonstruktion oberhalb der Treppenhäuser ist nach F 90 B geplant und wie ein Deckel ausgeführt, damit kein Feuerüberschlag stattfinden kann, die Dachhaut glatt ist und keine störenden Durchbrüche aufweist. Entlang der Brandwände verläuft eine 1 m breite F 90 Beplankung ober- und unterseitig des Daches.
Das Dach stellt eine Warmdachkonstruktion mit Kunststofffolie auf Trennlage dar. OSB-Platten mit 38 mm, 26 cm Mineralwolldämmung, Klimamembranen sowie 3 cm Luftschicht ergänzen den Aufbau. In den Brandüberschlagsbereichen schließt dieser innen mit Brandschutzplatten als Verkleidung ab. Ansonsten wählte der Architekt auch hier Gipsfaserplatten als Beplankung.
Die Fußböden der Wohnungen sind mit Holzdielen ausgestattet. Geheizt wird über die Fußbodenheizung. Die Energie dafür liefert die städtische Fernheizung. Jede einzelne Wohneinheit hat eine eigene Heizstation, so dass die Bewohner unabhängig von den Nachbarn steuern können, wie warm oder kühl sie es in ihrem Zuhause haben möchten. „Solch ein Konzept kommt an“, betont Kanno, der die Wohnungen bereits vom Plan weg verkaufen konnte. „Ich hätte doppelt so viele bauen können“, erklärt er, „die Nachfrage war riesig.“
Planung: Architekt Anselm Kanno, Pittenhart | Hamburg Statik:
Andreas Reinicke, Bleckede
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