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Innerstädtischer Holzbau

Neubau von zwei Wohnhäusern in Berlins Mitte
Innerstädtischer Holzbau

Unverkennbare Handschrift: Noch einen Siebengeschosser haben die Architekten Tom Kaden und Tom Klingbeil in der Hauptstadt realisiert. Ein ganzheitliches Brandschutzkonzept auf Basis der Berliner Bauordnung ermöglichte das Wohnhaus in Holzrahmenbauweise. Mit Gipsfaser-Platten konnten die hohen brandschutztechnische Anforderungen erfüllt werden.

Mehrgeschossige Holzbauweise stößt in Deutschland immer noch auf Vorbehalte. Dahinter steht die Angst vor unkontrollierter Brandausbreitung über Hohlräume sowie die Befürchtung eines verzögerten Tragwerksversagen infolge eines versteckten Weiterbrandes. Im Rahmen eines Forschungs- und Entwicklungsprojektes wurden diese Bedenken untersucht. Dabei konnte gezeigt werden, dass die Entzündung der Holztragkonstruktion durch geeignete Bekleidungen verhindert werden kann. Damit war der Nachweis erbracht, dass das hohe brandschutztechnische Sicherheitsniveau in Deutschland auch bei mehrgeschossigen Holzrahmenbauten gewährleistet werden kann, sofern geeignete konstruktive Maßnahmen im Rahmen eines ganzheitlichen Brandschutzkonzeptes durchgeführt werden. Die Ergebnisse des Forschungsvorhabens trugen dazu bei, dass mit der Musterbauordnung (MBO) 2002 [3] die Möglichkeit geschaffen wurde, bis zu fünfgeschossige Holzbauten zu errichten.

Das Planerduo Kaden/Klingbeil hat die Chancen erkannt und den Holzbau im städtischen Bereich salonfähig gemacht.
Nach ihrem Pilotprojekt e3 entstanden weitere Bauten in der Hauptstadt – alles Beispiele eines neuen stadtplanerischen Ansatzes für die Verdichtung von zentralen innerstädtischen Lagen. Äußerlich nicht als Holzkonstruktionen erkennbar, zeigen diese Bauten doch, wie die ökologischen Vorteile des Holzbaus auch im urbanen Wohnungsbau genutzt werden können: Holz als erneuerbare nachwachsende Ressource garantiert kurze Transportwege sowie eine energiearme und CO2-neutrale Verarbeitung. Entsprechend positiv fällt die Ökobilanz eines Holzgebäudes bei ressourcengerechter Verarbeitung aus. Ein hoher Vorfertigungsgrad sorgt für kurze Bauzeiten.
Moderne Stadthäuser
Auf den Grundstücken Boyenstraße 26 und Boyenstraße 27 in Berlin-Mitte wurden zwei Stadthäuser der beiden Berliner Planer nach ökologischen Kriterien realisiert. So verzichteten die Planer unter anderem auf den Einsatz chemischer Holzschutzmittel oder auf Dampfsperren aus Kunststoff. Die beiden siebengeschossigen Bauten erfüllen den KfW-Effizienzhaus 40 Standard. Sämtliche Wohneinheiten werden kontrolliert be- und entlüftet. Alle Wohnungen sind mit Fußbodenheizung ausgestattet und barrierefrei konzipiert. Die Erschließung der Gebäude erfolgt über eine Aufzuganlage.
Beide Bauten verfügen über insgesamt sieben Wohneinheiten, die sich jeweils über das gesamte Geschoss erstrecken. Lediglich im Haus b26 gibt es Grundrissvarianten in den unteren Etagen. Hier wurden auf Wunsch der Eigentümer selbständige kleinere Einheiten abgetrennt, um Gästewohnungen zu realisieren. Abgesehen von der Fassadengestaltung sind darüber hinaus beide Objekte baugleich. Exemplarisch ist daher im Folgenden das Haus b26 Gegenstand der Betrachtung.
Gebäudeklasse und Bauordnung
Wegen der großen Höhe – der Fußboden des obersten Geschosses liegt 19,65 m über dem Geländeniveau – entspricht das Gebäude der Gebäudeklasse 5 der Berliner Bauordnung (BauO Bln). Diese Klasse umfasst Gebäude, die eine Fußbodenhöhe des obersten Geschosses mit Aufenthaltsräumen von mehr als 13 m bzw. Nutzungseinheiten von mehr als 400 m² Brutto-Grundflächen aufweisen.
In dieser Gebäudeklasse sind ausschließlich Konstruktionen zulässig, bei denen tragende und aussteifende Wände und Stützen entsprechend der DIN 4102–2 bzw. der EN 1363–1 feuerbeständig in F90-AB ausgeführt werden. Dabei muss bei Feuereinwirkung die Tragfähigkeit bzw. der Raumabschluss von Bauteilen mindestens 90 Minuten lang gewährleistet sein. Feuerbeständige Bauteile müssen in den wesentlichen Teilen aus nichtbrennbaren Baustoffen (Baustoffklasse A) bestehen.
Holzkonstruktionen sind damit in dieser Gebäudeklasse praktisch ausgeschlossen, zumal die Berliner Bauordnung den mehrgeschossigen Holzbau zwar grundsätzlich vorsieht, jedoch nur bis zur Gebäudeklasse 4. Das heißt, laut BauO Bln darf die Fußbodenhöhe des obersten Geschosses mit Aufenthaltsräumen maximal 13 m über der Geländeoberfläche liegen.
Um das Gebäude trotzdem wie geplant in Holzbauweise realisieren zu können, beauftragten die Architekten bereits in einem sehr frühen Stadium Dehne, Kruse Brandschutzingenieure mit der Erarbeitung eines individuellen, ganzheitlichen Brandschutznachweises.
Brandschutzkonzept
Es umfasst neben einem Erschließungskonzept, das die Zugänglichkeit des Grundstücks für die Feuerwehr bzw. die Löschwasserversorgung sicherstellt, einen Flucht- und Rettungsplan sowie anlagentechnische Maßnahmen.
Wichtigstes Element des Brandschutzkonzeptes von Dehne, Kruse Brandschutzingenieure sind die Angaben zur Ausbildung der Bauteilanschlüsse sowie zur Dimensionierung der erforderlichen Brandschutzbekleidung der Holzbauteile. Denn gemäß §§ 26 und 27 der BauO Bln müssen tragende und aussteifende Wände in der Gebäudeklasse 5 feuerbeständig, also in F90-AB-Qualität ausgeführt werden. Damit fällt Holz als brennbarer Baustoff praktisch aus. Durch die allseitige Bekleidung der Holzkonstruktion mit einer brandschutztechnisch wirksamen Bekleidung aus nichtbrennbaren Baustoffen konnte diese Forderung jedoch erfüllt werden. Bei einer, wie im vorliegenden Fall realisierten, Einkapselung der brennbaren Konstruktionsbestandteile ergibt sich nach Einschätzung der Sachverständigen kein erhöhtes Risiko im Vergleich zu Massivbauten.
Ausgeführt wurde die brandschutztechnisch wirksame Bekleidung der Holzkonstruktion mit Fermacell Gipsfaser-Platten. Die Platten gewährleisten je nach Konstruktion Brandschutz bis zur Feuerschutzklasse F 120 und sind gemäß der EN 13501 als nichtbrennbarer Baustoff der Baustoffklasse A 2 klassifiziert.
Gleichzeitig erfüllt Fermacell alle Anforderungen, die an moderne Wände gestellt werden. Die Platten bieten mit ihrer homogenen Struktur auf Grund ihrer Faserarmierung (recycelte Papierfasern) eine hohe mechanische Beanspruchbarkeit und stellen mit Material- und Verarbeitungseigenschaften, die Holz sehr ähnlich sind, eine gute Ergänzung zur Holzunterkonstruktion dar.
Flucht- und Rettungskonzept
Das Gebäude verfügt über ein Treppenhaus aus Stahlbeton, das als erster Fluchtweg fungiert. Mit Rettungswegen in einer Länge von maximal 14 m wird die zulässige Rettungsweglänge dabei deutlich unterschritten. Durch Türen in T30-RS-Qualität wird es deutlich über die Anforderungen der Berliner Bauordnung hinausgehend abgesichert, die nur dicht- und selbstschließend fordert. Sämtliche Nutzungseinheiten verfügen als 2. Rettungsweg jeweils über mindestens ein anleiterbares Fenster. Dabei wurden wegen der Höhe des obersten Geschosses mit Aufenthaltsräumen von 19,65 m Aufstellflächen für Drehleitern vorgesehen.
Die Feuerwehr kann das Grundstück von der Straße aus ungehindert anfahren, ein Hydrant befindet sich in unmittelbarer Nähe. Jede Wohnung ist mit automatischer Brandmeldeanlage und akustischen Alarmierungsanlagen ausgestattet, die direkt mit der Alarmzentrale der Feuerwehr sowie eines Wachdienstes verbunden sind. Feuerwehr bzw. Sicherheitsdienst können über ein Feuerwehrschlüsseldepot gewaltfrei von außen ins Treppenhaus gelangen.
Konstruktion
Die Kellerwände einschließlich Tiefgarage sowie die Decke zum Erdgeschoss bestehen aus Stahlbeton. Ebenfalls in Stahlbeton ausgeführt wurden die äußeren Brandwände zu den Nachbargebäuden, das innenliegende Treppenhaus sowie der Aufzugschacht und zwei Versorgungsschächte.
Das Gebäude wurde in Skelettbauweise erstellt. Dabei wurden zwischen den beiden Außenwandscheiben aus Beton zwei Stahlstützen als tragende Elemente jeweils im Drittelpunkt der Außenwand angeordnet. Der Raumabschluss erfolgt durch Holzrahmenwände in 24 cm Dicke, die in den Werkstätten der Zimmerei Sievecke aus Lohne hergestellt und just-in-time zur Baustelle geliefert wurden. Dank des hohen Vorfertigungsgrades war eine schnelle und reibungslose Abwicklung auf der Baustelle gewährleistet.
Einkapselung
Die Kapselung des stählernen Tragwerkes der Außenwände erfolgt in K260-Qualität. Sie werden doppelt mit 2 x 18 mm Fermacell Gipsfaser-Platten eingekapselt. Die einzelnen Elemente der Holzrahmenwände erhalten eine Brandschutzbekleidung aus nichtbrennbaren Baustoffen, die die Konstruktion gemäß Ziffer 3.2 der M-HFHHolzR für mindestens 60 Minuten einkapselt und damit vor Entzündung schützt (Kapselklasse K260 nach DIN 13501–2). Die sichere Einkapselung minimiert gleichzeitig die Gefahr von Nachentzündungen sowie der Bildung von Glutnestern innerhalb der Konstruktion. Darüber hinaus wird so auch eine vermehrte Rauchgasentwicklung und die Entstehung von zusätzlichen Pyrolysegasen verhindert.
Raumseitig wird die Holzkonstruktion durch eine Beplankung mit zwei 18 mm dicken Fermacell Gipsfaser-Platten vor Entzündung geschützt. Die Hohlräume der Konstruktion werden vollständig mit 24 cm dicker Mineralwolle (Schmelzpunkt über 1000°C) gedämmt.
Nach außen hin wird die Kapselklasse K260 durch die Kombination von Steinwollelamellen (8 cm) und einer einlagigen Beplankung mit 15 mm dicken Fermacell Gipsfaser-Platten erreicht. Eine Bekleidung mit 8 mm dicken Faserzementplatten schließt die Konstruktion nach außen ab und bietet eine nichtbrennbare Oberfläche.
Im Unterschied dazu wird die Fassade des Nachbarhauses b27 nach außen hin mit 1 x 15 mm Fermacell Gipsfaser-Platte und einer 120 mm dicken Steinwolle-Fassadendämmplatte ausgeführt, die gleichzeitig Putzträgerplatte ist. Der weiße mineralische Oberputz steht im Kontrast zu den unterschiedlich changierenden Grautönen der Faserzementplatten des Nachbarhauses.
Innenwände und Decken
Sämtliche Innenwände sind nichttragend. Die Aussteifung des Gebäudes erfolgt über das Stahlbeton-Treppenhaus und die beiden Installationskerne. Damit war gewährleistet, dass die Grundrisse der Wohnungen in den einzelnen Etagen individuell entsprechend den Bedürfnissen der Bewohner gestaltet werden konnten. Die Innenwände wurden als Metallständerwände in Trockenbauweise ausgeführt.
Die Geschossdecken sollten ursprünglich als Holzverbunddecken aus einer 10 cm dicken Brettsperrholzschicht mit darüber liegender 14 cm dicken Ortbetonschicht ausgeführt werden. Im Rahmen der Planungsoptimierung wurde jedoch der Holzanteil auf 4,2 cm reduziert und der Betonanteil auf 17,8 cm erhöht. Dabei wurde das Holz als verlorene Schalung eingesetzt, die als sichtbares Element raumgestaltend wirkt.
Durch die Konstruktionsänderung ist die Decke nicht mehr Teil des Brandschutzkonzeptes. Auf den ursprünglich vorgesehenen transparenten B1-Anstrich in den Wohnräumen und die Kapselung der Deckenunterseite im Küchenbereich analog zum Wandaufbau konnte damit verzichtet werden. Die Deckenunterzüge aus Stahl wurden analog zu den Stahlstützen der Außenfassade gekapselt.
Fazit
Mit ihrem neuen Objekt beweisen die Architekten Tom Kaden und Tom Klingbeil ein weiteres Mal, dass auch bei mehrgeschossigen Holzbauten der Gebäudeklasse 5 bezüglich des brandschutztechnischen Sicherheitsniveaus keine signifikanten Unterschiede zu Massivbauten aus Stahlbeton oder Mauerwerk bestehen, sofern entsprechende konstruktive Maßnahmen zum vorbeugenden Brandschutz geplant und umgesetzt werden. Im vorliegenden Fall konnten die hohen Brandschutzauflagen entsprechend eines individuellen, ganzheitlichen Brandschutznachweises durch Einkapselungen mit Gipsfaser-Platten erfüllt werden. Damit erweist sich die Holzrahmenbauweise auch für die Nachverdichtung oder Schließung von Baulücken im innerstädtischen Bereich als geeignet. Ausdrücklich weisen die Verfasser des Brandschutznachweises bei gleicher Bekleidung auf Vorteile gegenüber der Stahlleichtbauweise hin, da Holzbauteile im Brandfall eine geringere thermische Dehnung aufweisen und so den Durchgang von Rauch- und Brandgasen in den Anschlussbereichen wirkungsvoll behindern.
Planung: Kaden Klingbeil Architekten, Berlin Brandschutzkonzept: Dehne, Kruse Brandschutzingenieure GmbH & Co. KG, Gifhorn
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