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Schwerentflammbar: Wärmedämm-Verbundsysteme und Brandriegel

„Alte“ und neue Brandriegel
Wärmedämm-Verbundsysteme schwerentflammbar

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Mit Beginn des Jahres 2016 haben sich die Allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassungen für WDVS mit EPS-Dämmstoff verändert, sofern diese das baurechtliche Kriterium „schwerentflammbar“ erfüllen müssen. Zu den bisher schon geforderten Brandriegeln in jedem zweiten Geschoss kommen jetzt zusätzliche Brandriegel im unteren Gebäudebereich, die gegen die Ausbreitung von Sockelbränden schützen sollen.

Schon seit einigen Jahren steht das Brandverhalten von Wärmedämm-Verbundsystemen (WDVS) mit Polystyrol als Wärmedämmstoff unter besonderer Beobachtung. Diskutiert wurde zunächst vor allem das heute „Raumbrand“ genannte Szenario, das sich mit der Frage beschäftigt, ob und wie die Flammen eines Feuers innerhalb der Räume über die Fensteröffnungen die Fassade erreichen und sich dort über die Wärmedämmschicht in die darüber liegenden Geschosse ausbreiten können. Für Dämmstoffdicken bis einschließlich 100 mm wird die Gefahr weitgehend ausgeschlossen, weshalb diese vergleichsweise dünnen Dämmungen bis heute ohne Zusatzmaßnahmen als schwerentflammbar gelten.

Die zunehmend strengeren Anforderungen der Energieeinsparverordnung führen in der Praxis allerdings fast schon regelmäßig zu Dämmstoffdicken oberhalb von 100 mm und damit zu einem Mehr an potenziell brennbarem Material an der Fassade. Für Dämmplatten über 100 mm und bis 300 mm Dicke wurden seit 2008 deshalb besondere Maßnahmen in den Allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassungen gefordert, sofern das WDVS im baurechtlichen Sinne schwerentflammbar ausgeführt werden sollte.

Entweder muss mit einem Sturzschutz über jeder Öffnung der Eintritt der Flammen in die Dämmebene oder alternativ mit einem umlaufenden Brandriegel in jedem zweiten Geschoss die unkontrollierte Ausbreitung der Flammen verhindert werden. Alternativ zum Sturzschutz als Brandbarriere kann außerdem eine dreiseitige Einhausung ausgeführt werden, etwa bei weit außen liegenden Fenstern oder wenn Rollladenkästen den Sturzschutz behindern würden. Für Brandriegel und Brandbarrieren kommt in der Regel Mineralwolle mit mindestens 200 mm Höhe, einer minimalen Rohdichte von 60 kg/m und einem Schmelzpunkt über 1 000 °C zum Einsatz, die anstelle des Polystyrols in die Dämmebene eingesetzt wird.

Die genauen Planungs- und Einsatzdetails beschreibt die Technische Systeminfo 6 Brandschutz des Fachverbands Wärmedämm-Verbundsysteme e. V., mit der jeder Fachplaner, der in den letzten Jahren WDVS projektiert hat, sicher schon einmal gearbeitet hat. Zumindest, wenn die Fassade die Anforderung schwerentflammbar erfüllen musste, also zur Gebäudeklasse 4 oder 5 nach LBO gehörte oder besonderen Brandschutzbedingungen nach Sonderbauverordnungen, etwa für Industriebauten oder Krankenhäuser, zu genügen hatte. WDVS im normalentflammbaren Bereich, also in den Gebäudeklassen 1 bis 3, können nach wie vor ohne Brandriegel ausgeführt werden, sofern nicht objektspezifische Brandschutzkonzepte oder privatrechtliche Verträge etwas anderes verlangen.

Brandszenario um Sockelbrand erweitert

Brandriegel sind also keine neue Anforderung an schwerentflammbare WDVS, wurden aber bisher vor allem unter dem Aspekt betrachtet, dass die Flammen aus einem Raum im Gebäude selbst in die Fassade dringen.

In einer von der Bauministerkonferenz beauftragten Versuchsreihe wurden jetzt auch Brände untersucht, die von außen auf die Fassade einwirken.

Dem Bemessungskonzept lagen Müllcontainer unmittelbar am Gebäude oder auch zeitweilige Ablagerungen von Umzugsgut oder Sperrmüll nahe am Gebäude zugrunde. Bei einer Brandentstehung durch Fahrlässigkeit oder auch gezielten Vandalismus greifen diese Flammen speziell die unteren Bereiche der Fassade an. Die Schutzmaßnahmen gegen den Raumbrand werden deshalb ergänzt um Maßnahmen gegen das Szenario Sockelbrand.

Diese zusätzlichen Maßnahmen hat das Deutsche Institut für Bautechnik zunächst in einem Hinweis des Referats II 1 „Kunststoffbau, Fassadenbau“ mit Stand vom 27. Mai 2015 veröffentlicht und mit Wirkung ab 1.1.2016 in die Allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassungen der Wärmedämm-Verbundsysteme übernommen.

Sie haben also bereits Gültigkeit – ohne dass deshalb die vertraute Zwei-Geschoss-Regel gegen Brände aus den Räumen heraus hinfällig wurde. Allerdings kann sich die Zählweise der zwei Geschosse verändern, denn es müssen jetzt zunächst die unteren Bereiche gegen den Sockelbrand geschützt werden, was den Schutz gegen Raumbrand beinhaltet. Erst anschließend – meist ab dem dritten Geschoss – folgen die Brandriegel allein gegen Raumbrand in der bisher gewohnten Weise.

Brandriegel an Sockel und Dach

Für den Sockelschutz verlangt das DIBt bzw. verlangen seit Jahresanfang die Allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassungen drei zusätzliche Brandriegel:

  • Den ersten an der Unterkante des WDVS bzw. maximal 90 cm oberhalb der Geländeoberkante.
  • Den zweiten in Höhe der Decke des 1. Geschosses, jedoch mit nicht mehr als 3 m Achsabstand zum ersten Riegel.
  • Den dritten schließlich in Höhe der Decke des 3. Geschosses, jedoch mit nicht mehr als 8 m Achsabstand zum zweiten Riegel.
  • Lassen sich die Abstände von 3 bzw. 8 m nicht einhalten, sind zusätzliche Brandriegel einzubauen.

Die hier beschriebene Regelausführung gilt für WDVS bis 300 mm Dämmstoffdicke, die auf mineralischem Untergrund aufgebracht werden. Weitere Randbedingungen sind für WDVS mit angeklebter Keramik- oder Natursteinbekleidung sowie für WDVS im Holztafelbau oder mit größerer Dicke zu beachten

Ein auffälliger Unterschied zu den bisher schon geforderten Brandschutzmaßnahmen ist, dass zum Schutz gegen Sockelbrand ausschließlichen Brandriegel ausgeführt werden müssen. Erst ab dem dritten Brandriegel, in der Regel also nach dem dritten Geschoss, gibt es die Wahlfreiheit zwischen einem umlaufenden Brandriegel oder einer Brandbarriere an jeder (Fenster-)Öffnung.

Neu ist außerdem ein besonderer Schutz am oberen Abschluss des WDVS, in der Regel also am Dachüberstand bzw. am Übergang zum Dach. Hier ist ein Brandriegel maximal 1,0 m unterhalb von angrenzenden brennbaren Bauprodukten anzuordnen. Dieser obere Brandriegel muss also nicht zwangsläufig ausgeführt werden, sondern nur, wenn darüber brennbare Baustoffe folgen.

Ein weiterer wichtiger Unterschied zwischen den Szenarien Sockelbrand und Raumbrand besteht in der Dämmstoffdicke, ab der zusätzliche Maßnahmen gefordert sind: Die oberen Brandriegel gegen Raumbrand müssen erst oberhalb von 100 mm Dicke geplant werden, während es für den Schutz gegen Sockelbrand keine untere Begrenzung gibt. Diese Maßnahmen also in jedem Fall erforderlich.

Im Rahmen dieses Artikels können nur die grundsätzlichen Vorgaben für die Anordnung von Brandriegeln angedeutet werden. Es sind darüber hinaus diverse Randbedingungen zu beachten sowie besondere Bauformen zu berücksichtigen, etwa Versprünge in der Fassade oder spezielle Dachformen eventuell auch mit Gauben. Eine Planungs- und Interpretationshilfe auch für knifflige Fälle wird die aktualisierte Technische Systeminfo 6 Brandschutz des Fachverband Wärmedämm-Verbundsysteme e. V. sein.

Alternativen zum Brandriegel

Hinsichtlich der Ausführung und der Materialanforderungen ähneln sich die neuen und die alten Brandriegel weitgehend. Es muss sich wiederum um nicht brennbare Mineralwolle mit einem Schmelzpunkt von mindestens 1 000 °C und einer Rohdichte zwischen 60 und 100 kg/m³ handeln. Im Unterschied zu den oberen Riegeln müssen diejenigen gegen Sockelbrand jedoch in jedem Fall geklebt und zusätzlich angedübelt werden.

Durch die Verwendung von Mineralwolle innerhalb der Dämmebene aus Polystyrol entstehen in jedem Falle Material-inhomogenitäten in der Fassade. Zudem steigen der Montageaufwand und die Kosten, denen allerdings auch ein Plus an Sicherheit gegenübersteht. Unter diesen Umständen kann es sich eventuell lohnen, dem Bauherrn eine komplett nichtbrennbare Ausführung der Fassade vorzuschlagen, also von vornherein und vollflächig auf ein WDVS mit Mineralwolle zu setzen.

Es kann aber ebenso die ursprüngliche Idee eines Hartschaums als Dämmstoff beibehalten werden, jedoch mit Resol oder Polyurethan statt mit Polystyrol gearbeitet werden. Für beide Stoffe liegen Zulassungen für die Anwendung als Wärmedämm-Verbundsystem vor. Bisher war das Hauptargument für ihren Einsatz vor allem die bessere Wärmedämmung, die den gleichen Wärmeschutz mit weniger Schichtdicke ermöglicht. Denn gegenüber der Wärmeleitfähigkeit von EPS mit 0,032 W/mK liegt der Lambdawert von Resol bei 0,022 und von PUR/PIR bei 0,026 W/mK günstiger. Jetzt könnte – gerade unter dem Kostenaspekt – der mögliche Verzicht auf Brandriegel eine stärkere Bedeutung bekommen. Sowohl Polyurethan als auch Resol können für WDVS (schwerentflammbar)  ohne zusätzliche Maßnahmen – also ohne Brandriegel – zugelassen sein, so dass kein Materialwechsel innerhalb der Fassade in den Gebäudeklassen 4 und 5 erforderlich ist.

Was noch einmal auf den maßgeblichen Aspekt bei der Brandschutzplanung mit Wärmedämm-Verbundsystem verweist: Letztlich entscheidet immer die Allgemeine bauaufsichtliche Zulassung oder alternativ die europäisch-technische Zulassung ETA des einzelnen Herstellers, ob und gegebenenfalls mit welchen Zusatzmaßnahmen das jeweilige WDVS als schwerentflammbar eingestuft wird.

Markus Hoeft

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