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Neue Synagoge München - Wechselspiel aus Stabilität und Fragilität

Neue Synagoge München
Wechselspiel aus Stabilität und Fragilität

Moderne Architektur hat es – glaubt man Münchens Oberbürgermeister Christian Ude – in der weiß-blauen Metropole schwer. Vor dieser Skepsis war auch die neue Hauptsynagoge im Zentrum der Altstadt nicht gefeit. Die Eröffnung des jüdischen Gemeindezentrums am St. Jakobplatz, in unmittelbarer Nähe zu Rathaus und Frauenkirche, ist symbolträchtiges Ergebnis zwanzig Jahre währenden Werbens und Forderns der Präsidentin des Zentralrats der Juden in Deutschland, Charlotte Knobloch.

Der Umzug der jüdischen Gemeinde vom Stadtrand auf den neuen und doch alten Platz in der Mitte der Stadt ist die Krönung ihres Lebenswerks. 68 Jahre nach der Pogromnacht prägt die Hauptsynagoge die Stadtsilhouette von München wieder ebenso wie der einstige Vorgängerbau.

In Erinnerung an die durch die Nationalsozialisten zerstörte gleichnamige orthodoxe Synagoge trägt sie den hebräischen Namen Ohel Jakob, was übersetzt „Zelt Jakobs“ heißt.

Wettbewerb

Den im Jahr 2001 von der Stadt München ausgeschriebenen Architektenwettbewerb konnte das Saarbrücker Architekturbüro Wandel Höfer Lorsch für sich entscheiden. Mit dem preisgekrönten Bau der Synagoge in Dresden hatte dieses Team im gleichen Jahr bereits eine erstklassige Empfehlung für das Projekt abgegeben. In München entsteht auf dem exponierten, seit der Nachkriegszeit brachliegenden Grundstück ein jüdisches Zentrum, das alle bislang über das Stadtgebiet verstreuten Einrichtungen vereint: Neben der neuen Synagoge ein Gemeindehaus mit Rabbinat, Kindergarten, Ganztages-Grundschule, Jugend- und Kulturzentrum, Verwaltung, Repräsentations- und Veranstaltungsräumen sowie einem koscheren Restaurant.

Ein jüdisches Museum als Ort für die offene Auseinandersetzung mit der jüdischen Geschichte, Kunst und Kultur dient als städtebauliches Bindeglied zwischen Gemeindehaus und Synagoge. Der Wunsch, die Renaissance des öffentlichen jüdischen Lebens in München zu dokumentieren, erforderte eine geschickte Integration der Bauwerke in die Umgebung und hohe Sensibilität für die religiösen Anforderungen. Die unmittelbare Nachbarschaft zum Angerkloster verlangte, diesen Dialog mit dem Umfeld auch mit dem der Kulturen zu verknüpfen.

Kugel ins Quadrat gesetzt

Metapher

Blickfang des aufsehenerregenden Ensembles aus drei aufeinander bezogenen Gebäuden ist die neue Hauptsynagoge. Ihre ausdrucksstarke Architektur wird geprägt durch zwei aufeinander gestellte Kuben: Ein massiver, tempelartiger Felssockel mit einem filigranen, gläsernen Aufbau, den ein bronzefarbener, transluzenter Metallschleier umhüllt. Dieses Wechselspiel aus Stabilität und Fragilität, Dauerhaftigkeit und Provisorium ist eindrucksvolle bauliche Metapher für die jüdischen Leitmotive Tempel und Zelt.

Der mit Travertin-Platten verkleidet, acht Meter hohe, fensterlose Sockel wirkt trutzig und respekteinflößend. Er symbolisiert den Tempel Salomons in Jerusalem und verleiht dem Gotteshaus die Wirkung eines wehrhaften, scheinbar unendlich alten Zufluchtortes. Aus der Mitte dieses archaisch anmutenden Sockels erhebt sich ein zwölf Meter hoher, lichtdurchfluteter Glaskubus, durch dessen textile Hülle zu Davidsternen gefügte Dreiecke schimmern. Diese weithin sichtbare Lichtkrone erinnert in ihrer zeltartigen Anmutung an die mosaische Wüstenwanderung. Ihre aus Metallspiralen gewebte Hülle lässt das Zelt in der Sonne mystisch glänzen und nachts geheimnisvoll leuchten.

Innenraum

Während der monumentale Sakralbau außen aus dem Spiel der Gegensätze seine gleichermaßen skulpturale wie sinnliche Kraft bezieht, ist der schnörkellose Innenraum der Neuen Synagoge München von unglaublicher Intensität. Gemäß orthodoxer Tradition sind die Sitzreihen für Männer und Frauen getrennt: Etwa 300 Plätze für Männer, rechts und links davon auf einer Tribüne rund 200 Plätze für die Frauen. Ein unterirdischer Verbindungsgang zwischen Gemeindezentrum und Synagoge gedenkt der Münchner Holocaust-Opfer.

Obwohl mit 33 m Länge deutlich kleiner als die meisten christlichen Kirchen, wirkt der 22 m breite, mit Zedernholz rundum verkleidete Innenraum schlicht und sehr offen. Die Ostseite, wo der prunkvolle goldene, von siebenarmigen Leuchtern flankierte Thora-Schrein steht, ist mit Travertinstein ausgelegt.

Das die Glaskuppel umhüllende bronzene Vlies bricht einfallende Sonnenstrahlen und taucht das Innere des Gotteshauses in warmes Licht. Sensibles Spiel von Licht und Schatten verleiht dem Raum seine einzigartige Atmosphäre. An der Eingangsporte sind die Anfangsbuchstaben der zehn Gebote als zehn goldene hebräische Schriftzeichen angebracht. Wandert der Blick des Gläubigen über die Holzvertäfelung hinaus in das transluzente Zeltdach der gläsernen Kuppel, erlebt er die bauliche Symbolik für den hoffnungsfrohen Weg vom Dunkeln ins Licht.

Kontrollierte Einblicke

Außenhaut

Die weithin sichtbare goldene Außenhaut der Glaskuppel entstand aus einer Sonderanfertigung des Spiralgewebes Escale der Metallweberei GKD – Gebr. Kufferath AG. Gefertigt aus Bronze wurden die Spiralen des Gewebes so aufgeweitet, dass optisch ein gleichseitiges Dreieck entstand. Ein Eindruck, den die dahinter liegende dreieckige Konstruktion der Glasfassade unterstützt. Durch die Überlagerung der Elemente ergibt sich ein abstrahierter Davidstern.
Die Entscheidung für den Werkstoff Bronze wurde neben der ästhetischen Schönheit des Materials von den funktionalen Vorteilen getragen: Der hohe Zinnanteil der Kupfer-Zinn-Legierung von 7,5 bis 8,5 Prozent bewirkt eine Gold ähnliche Farbigkeit.

Im Laufe der Zeit wird die Bronze oxidieren und dem Gebäude eine ganz eigene Patina verleihen. Lebensdauer, Nicht-Brennbarkeit, leichte Pflege sowie Recyclingfähigkeit der Metallgewebe qualifizieren den Werkstoff zudem als technisch und wirtschaftlich attraktive Lösung.

Insgesamt 1.300 m² des Gewebes Escale umhüllen Dach und Fassade der Glaslaterne. Für diese erste Großanwendung des Bronzetyps wurden 16 Fassadenelemente mit den Maßen 11 x 4,4 m und 6,6 m sowie 70 Dachelemente im Format 2,2 x 2,2 m zu 14 m langen Elementen verbunden. Befestigt wurden die Fassadenelemente am oberen Ende an der Stahlkonstruktion mittels eingeschobener Bronzeflachprofile, mittig gegen eine Bronzerohrkonstruktion geschraubt und am unteren Ende über Gabelterminals und Spannrohre gegen die Unterkonstruktion gespannt.

Architekten: Architekturbüro Wandel Höfer Lorsch, Saarbrücken


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